Auf Instagram landen nicht nur Selfies, Bilder vom Frühstück und Urlaubsfotos von Stränden. Hier pflegen weltbekannte Fotoprofis ihre Marken. Das jedenfalls konstatiert „Ungefragt“ Hendrik Neubauer. Und was ist mit dem großen Rest?
„Papa ist jetzt auch auf Instagram“, trompetete meine Jüngste in die Whatsapp-Familiengruppe. Mir folgt aber keiner aus der Familie, weil ich auf Instagram unter dem Hashtag #LaMer nur Wasserfotos veröffentliche. Ich lebe am Wasser, also fotografiere ich auch ständig das Meer, Muscheln und Möwen. Ich speise meinen Account mehr oder weniger nebenbei. Das Thema drängt sich mir geradezu täglich bei Spaziergängen auf.
Der Instagrammer an sich scheint anders gestrickt. Er richtet sein Leben nach Instagram aus, plant seine Reisen so, dass die Reiserouten so viele Motive wie möglich hergeben. Ganz schön irre, was so eine App wie Instagram mit dem wirklichen Leben machen kann. Über 800 Millionen Menschen nutzen es mittlerweile weltweit.
Selbst die A-Promis sind mit von der Partie, und die aus der zweiten Reihe. Wollen wir mal Abonnentenzahlen* sprechen lassen: Michelle Obama (26,6 Millionen) und der Papst (5,8 Millionen). Donald Trump (11,6 Millionen) ist anzutreffen, auch wenn seine politische Waffe Twitter heißt. Angela Merkel kommt mal gerade auf 792.000 Abonnenten. Jürgen Drews, der König von Mallorca, dümpelt bei 24.700. Und alle glänzen sie mit Bildern, dabei sein ist alles.
Diese Mischung aus Unterhaltungsprogramm, Produktplatzierung und Selbstdarstellung kann durchaus über den Erfolg eines Stars oder Autos, eines Kochs oder einer Urlaubsdestination mitentscheiden. Hilft Instagram professionellen Fotografen, ihre Marke zu bilden? Der Fotograf und Filmemacher Oliver Vegas erreicht mit seinen Aufnahmen, in denen er aufregende Landschaften mit gekennzeichneten Produktplatzierungen mixt, insgesamt 417.000 Abonnenten. Das schimpft sich wohl Influencer. Der Sigma-Botschafter pflegt bezahlte Partnerschaften mit Nespresso, Peugeout und Montblanc und hat bisher 1.420 Fotos veröffentlicht, für die er in der Regel über 10.000 Likes bekommt.
Diese Reichweite wird aber bei weitem von klassischen Natur- und Tierfotografen übertroffen. Schauen wir mal bei Paul Nicklen vorbei. Der Kanadier fotografiert für National Geographic, und sein Thema sind vor allem bedrohte Tierwelten der Arktis und Antarktis. Er füttert seinen Instagram-Account mit Fotos von seinen ausgedehnten Reisen, die er mit Forschern und Naturschützern unternimmt, um Wale, Robben und Eisbären abzulichten. 1.556 Fotos sind dabei zusammengekommen. Der Mann hat ein Anliegen und das kommt an: „THANK YOU! Words cannot express how #grateful I am to hit 5,000,000 followers. These photographs and videos mean nothing if they do not inspire humanity to protect the animals and environment on our beautiful planet. Thank you to everyone following and here is towards an incredible future.“ Das schrieb er erst jüngst auf seinem Account …
Humanistische Fotografie, das bringt mich auf eine andere Frage. Wie verhält es sich eigentlich mit einer fotografischen Marke wie der Agentur Magnum auf Instagram? Die Kooperative hat 2,8 Millionen Abonnenten. 4.852 Fotos sind hier ausgestellt. Die Aufnahmen reichen von kuriosen Momenten (A Llama in Times Square, New York City, USA, 1957, mit sage und schreibe 105.001 Likes) bis hin zu einem Hinweis auf eine Ausstellung mit dem Titel „War and Peace in Liberia“, der immerhin 33.777 Likes erzielt. Magnum-Fotografen wie Steve McCurry betreiben darüber hinaus eigene Accounts. McCurry, weltbekannt für sein „Afghan Girl“, erreicht fast 2,3 Millionen Abonnenten mit Bildern wie „Breakfast Tea being passed between cars on the railway between Peshawar and Lahore. Pakistan. 1983“ ( fast 85.000 Likes).
Und was treibt ein Kunstfotograf wie Wolfgang Tillmanns auf Instagram? Er zeigt Bilder von Brotscheiben und macht sich Gedanken über sein Brotmesser, das nicht mehr richtig scharf zu sein scheint, die Scheiben sehen jedenfalls ziemlich unegal aus. Macht 4.000 Likes bei insgesamt 154.000 Abonnenten. @odenthalpeter fragt verzweifelt: „I would not get hundreds of likes for such a post. What is the value of a like?“ Die Antwort lautet: @odenthalpeter, du bist keine Marke. Prominente, seien es nun Politiker, Fotojournalisten oder Fotokünstler, machen da draußen ihren Job und holen hier auf Instagram ihren Beifang ab. Dabei überrascht, dass Fotografen sich dabei durchaus mit dem Rest der Welt messen können. Wobei diese Erkenntnis durchaus Dellen bekommt, je weiter ich in den Tiefen von Instagram grabe. Ich stoße auf den Account „cindyshermancomplete“ (143 Beiträge, 7.586 Abonnenten). Hier soll irgendwann einmal das komplette Werk von Cindy Sherman stehen, so das Versprechen. Die Künstlerin stellt die Mutter aller Selfies dar. Zeit ihres Schaffens pflegt sie ihr liebstes Foto-Motiv: Sich selbst, aber immer in anderen Verkleidungen, immer auf der Suche nach der Schönheit in der Hässlichkeit. Ist das kein Thema für Instagram? Warum floppt sie und Tillmanns hingegen reüssiert?
Wie sehr wir uns auch bemühen, die Weiten und Mechanismen des Sozialen Mediums Instagram zu ergründen und zu nutzen, letztendlich bleibt es ein Mysterium. Ja, es gibt die fotografischen Marken mit enormer Reichweite, die weltweit zu strahlen scheinen. Und dann gibt es die Masse der @odenthal-Peters. Für diesen großen Rest bleibt das große Krabbeln und Babbeln um ein wenig Aufmerksamkeit.
Foto: Lynn Neubauer
* Die Reichweiten-Angaben im Text stammen aus Seitenaufrufen Stand Januar 2019
ovunno
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