Über das Thema Chancengleichheit wird schon lange kontrovers diskutiert. Veranstalter, Institutionen oder Medien werden kritisiert, für Positionen und Programme überwiegend oder ausschließlich Männer zu besetzen. In der Fotografie nimmt die Diskussion über Chancengleichheit gerade erst Fahrt auf. Auf Blogs, in Online-Magazinen und Facebook-Gruppen sind Diskussionen und Stellungnahmen zu lesen, die für die Chancengleichheit von Fotografinnen argumentieren und bestehende Strukturen und gängige Praxis, wie überwiegend männliche Jurys oder Expertentalks, kritisieren. Wie bei anderen Diskussionen um Chancengleichheit frage ich mich, was eigentlich dazu führt, dass Fotografinnen nicht so oft auf den Positionen landen oder die Karriere einschlagen, die manche von ihnen sich wünschen oder einfordern.
Meine Arbeit ist es, Fotografinnen und Fotografen zu beraten, zu coachen und für sie relevante Themen im Rahmen von Vorträgen oder Seminaren anzubieten. Gefühlt berate und coache ich mehr Männer. Im Jahr 2018 waren es genau 70 % Fotografen und 30 % Fotografinnen. Vermutlich war es in den Jahren zuvor ähnlich, der Frauenanteil ist eher gestiegen. Und in meinen Workshops und Vorträgen sind ebenfalls mehr Männer als Frauen. Bestimmt haben auch Fotofachmagazine mehr männliche als weibliche Leser.
Müssen Frauen in der Fotografie gefördert werden und wie kann das am besten geschehen? Klar ist und das bestätigen meine Gespräche mit Fotografinnen, dass diejenigen, die neben dem Beruf Familie haben, besser gesagt, neben der Familie ihren Beruf verfolgen, weniger Zeit haben, um die Karriere voranzutreiben oder konzentriert an Projekten zu arbeiten. Hinzu kommt, und das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen, dass Frauen häufiger an sich und ihrer Arbeit zweifeln, sich in Frage stellen. Zu wenig Selbstvertrauen ist ein Karriere-Hindernis. Männer überschätzen eher, Frauen unterschätzen ihre Fähigkeiten. Darüber schreiben die US-Journalistinnen Claire Shipman und Katty Kay in ihrem Buch „The Confidence Code“. Leider schlägt sich geringes Selbstvertrauen auf die Leistung nieder und Selbstvertrauen ist nun mal essenziell für beruflichen Erfolg.
Im Unterschied zu Männern arbeiten Frauen nicht gern als Einzelkämpfer, sondern lieber in Netzwerken oder Teams. Fotografinnen haben einen anderen fotografischen Blick auf die Welt und sie setzen sich anders für ihre persönlichen Belange ein. Das wird in vielen Fotoprojekten und Ausstellungen von Fotografinnen deutlich, zum Beispiel #womeninphotography und anderen.
Mit dem Ziel, ein professionelles Forum für Austausch und Unterstützung in allen Belangen des beruflichen Alltags für Fotografinnen zu schaffen, wurde 2018 der Female Photoclub gegründet, der mittlerweile in mehreren deutschen Bundesländern agiert. Jede Region pflegt eine moderierte Facebook-Gruppe, auf der Informationen ausgetauscht, Fragen beantwortet und Weiterbildung angeboten werden. Viele der Fotografinnen sind auch in anderen Berufsverbänden organisiert, nutzen aber die Möglichkeit, nur unter Frauen über ihre Jobthemen zu sprechen. Sie zeigen auf kuratierten Instagram-Profilen ihre Arbeiten und haben damit einen exklusiven Marketingkanal für ihre Projekte geschaffen.
Aus meiner Sicht ist es auch, aber nicht nur Aufgabe der Unternehmen oder Institutionen, auf Chancengleichheit zu achten und dafür zu sorgen, dass mehr Fotografinnen auf Podien oder in Jurys vertreten sind, Fotografinnen häufiger Kuratoren-Stellen besetzen oder ihre Arbeit mehr Aufmerksamkeit in der öffentlichen Wahrnehmung erhält. Fotografinnen sollten in ihrer Karriere und ihrer Arbeit keinesfalls benachteiligt werden. Und manchen Initiatoren und Entscheidern in der Fotobranche fehlt sicher noch der genderneutrale Blick für die Auswahl von Experten und Projekten. Aber für die Weiterentwicklung und Sichtbarkeit ihrer Arbeit können Fotografinnen genauso viel tun, wie ihre männlichen Kollegen. Denn um eine Position zu erlangen, muss Position bezogen werden, dafür benötigt es Selbstvertrauen.
Vereinigungen für Fotografinnen können dazu beitragen, dass Fotografinnen sich vernetzen und ihre Arbeit stärken und veröffentlichen. Und die Female Photoclubs zeigen, dass Fotografinnen für ihre Interessen eintreten. Denn egal, ob Frau oder Mann, sollte es denn nicht immer um Inhalte und die Leistung gehen, wenn Aufgaben verteilt oder Stellen besetzt werden?
Und wie sehen Sie Ihre Chancen?
Silke Güldner berät Fotografen und Kreative bei der richtigen Positionierung, einem erfolgreichen Auftritt und der digitalen Strategie.