Mit der Entscheidung, welche Bilder und Projekte in das Portfolio reinkommen, tun sich Fotografen oft schwer. Und jeder Kollege rät etwas anderes für die Auswahl und Zusammenstellung der besten Arbeiten für die Präsentation. Ist das der Grund, warum viele Nachwuchsfotografen es gleich ganz lassen und im Rahmen einer Portfolio Sichtung mit Experten „nur“ ihre Website zeigen? Das ist jedenfalls zu wenig. Denn auch wenn Portfolio-Termine und Vorstellungsgespräche bei Redakteuren oder Art Buyern oft schwer zu bekommen sind, sollte der Fotograf nicht auf das persönliche Portfolio verzichten. Es spielt eine wichtige Rolle für die gelungene Selbstvermarktung.
Für Berufskreative ist das persönliche Portfolio in Form einer schönen Ledermappe traditionell das Medium der Selbstvermarktung im persönlichen Gespräch (gewesen). Das scheint sich zu wandeln. Auf der diesjährigen photokina im September in Köln konnte ich als Sichterin im Rahmen der dortigen Portfolio Sichtung für Fotografen erleben, dass viele Nachwuchsfotografen kein Portfolio haben. Von acht Fotografen hatte nur eine Fotografin ein PDF-Portfolio am eigenen iPad dabei. Fünf andere präsentierten ihre Website, davon benötigten zwei meinen Laptop für ihre Präsentation und drei Fotografen zückten ihr iPhone, um ihr Web-Portfolio aufzurufen. Ein interessanter Ansatz, aber das sind wirklich sehr kleine Displays, um Bilder zu betrachten und ganz zu schweigen davon, sie sinnvoll einzuschätzen. Weitere zwei Fotografen zeigten mir ihr Behance Profil am Laptop. Eine enttäuschende Erfahrung. Denn innerhalb von 20 Minuten sollen wir Portfolio-Sichter ein fundiertes Feedback zu den Arbeiten der Fotografen geben und es mit einer nützlichen Empfehlung abrunden. 20 Minuten sind knapp und wenn die Netz-Suche, Ladezeiten der Bilder sowie hin und her klicken viel Zeit kostet, können wir uns keinen Eindruck vom Profil und der Bildkompetenz des Fotografen machen und haben dazu noch Kopfschmerzen.
Manche der teilnehmenden Fotografen sind populär in den Kanälen der sozialen Medien, wie Instagram, haben viele Follower und dort ein attraktives Portfolio. Was die Tradition und Idee einer Portfolio Sichtung ist und welche Vorteile es bietet, mit Experten ins Gespräch zu kommen, ist ihnen aber nicht klar. Dabei ist es gerade am Anfang der Freiberuflichkeit als Fotograf hilfreich, das Portfolio auf Sichtungen vorzustellen, um Feedback von Experten zu erhalten. Diese kommen nicht nur aus den Bildreaktionen der Magazine oder sind Kreative und Art Buyer aus Werbeagenturen. Auch Sammler oder Galeristen kann man hier kennenlernen und von ihrem Feedback und ihren Kontakten profitieren. Eine Portfolio Sichtung ist für viele junge Fotografen der erste Schritt zu einer Einladung in eine Redaktion oder Agentur und damit ein Sprungbrett zur späteren Zusammenarbeit.
Für die Auswahl und Zusammenstellung des (ersten) Portfolios einige Tipps. 1. Wählt die besten Bilder aus, weniger ist oft mehr, und zeigt Serien. Schon zwei Bilder sind eine kleine Serie, beispielsweise das Porträt einer Schauspielerin, dazu ein Bild ihres Umfelds, wie ihr Schreibtisch oder eine Landschaft. Der Bezug zu ihr ist entscheidend. 2. Wählt ein passendes Medium, ein hochwertiges Lederportfolio von Heiner Hauck oder eine smarte Präsentation am iPad. „Nogos“ sind eine Präsentation am iPhone oder Laptop. Ein Portfolio, das wir Sichter aufgrund der wechselnden Hoch- und Querformate hin und her drehen müssen, ist ebenfalls unbeliebt. Und 3. Auf die Website oder andere Online-Portfolios, zum Beispiel mit Bewegtbild könnt ihr gerne verweisen oder zugreifen, wenn es sich im Gespräch ergibt.
Empfehlenswerte Portfolio Sichtungen gibt es viele, allein in Deutschland. Zum Beispiel die jährliche Sichtung des Freundeskreises des Hauses der Photographie in den Deichtorhallen Hamburg, im Rahmen des EMOP in Berlin, auf dem Lumix Festival in Hannover oder dem Weitsprung Portfolio-Screening der Art Buyer aus Hamburger Werbeagenturen. Auch Fotografen-Verbände wie der BFF oder Freelens bieten regelmäßig Portfolio Sichtungen und Workshops für Berufsfotografen an. Nutzt diese Angebote!
Die Website sollte nicht das neue Portfolio sein! Denn es ist nicht wichtig, alles, was ihr könnt, zu zeigen. Sondern das, was ihr könnt, die Idee und Motivation zu euren Bildern und das Handwerk in der Umsetzung. Eure Bildsprache soll begeistern und für euch sprechen, nicht die Menge oder Vielfalt der Bilder.
Und was ist dein Portfolio?
Silke Güldner berät Fotografen und Kreative bei der richtigen Positionierung, einem erfolgreichen Auftritt und der digitalen Strategie.