Das renommierte Kölner Auktionshaus Lempertz versteigert am 30. November und 1. Dezember wieder zahlreiche Fotografien und Fotoarbeiten, darunter der bis dato verschollen geglaubte, 84-seitige Entwurf zum Berlinbuch von Hein Gorny mit zahlreichen Fotografien und Fotocollagen (Lot 53, € 8/10.000).
Gorny hatte 1946 eine Publikation geplant, die eine Dokumentation der kriegszerstörten Hauptstadt und zugleich eine Anklage an die Hauptverursacher der Krieges, das verbrecherische NS-Regime, sein sollte. In Gegenüberstellungen konfrontierte er Aufnahmen der Vorkriegszeit mit denen des aktuellen Zerstörungszustandes – unter Verwendung eigener Aufnahmen und solcher seines Kollegen Friedrich Seidenstücker, Abbildungen aus der Presse sowie von Luftaufnahmen des amerikanischen Fotografen Adolph Carl Byers. Bei der hier zum Aufruf kommenden Maquette handelt es sich um ein beeindruckendes Zeitdokument – umso mehr, als dieses letzte große Projekt des Fotografen unmittelbar nach Kriegsende keinen Verleger fand.
Eine Gruppe von 36 Albuminabzügen von Otto Schoefft bildet den Höhepunkt der Fotografie des 19. Jahrhunderts: Die orientalischen Genreszenen, Landschafts- und Architekturaufnahmen waren 1873 im Auftrag des ägyptischen Vizekönigs für die Weltausstellung in Wien entstanden, bevor sie ab 1875 als Mappe unter dem Titel ‚Le Caire pittoresque‘ vertrieben wurde (Lot 3, € 8/12.000).
Zu den Highlights aus dem Bereich der klassischen Fotografie des frühen 20. Jahrhunderts zählen vier großformatige Kombinationsgummidrucke von Heinrich Kühn aus süddeutschem Privatbesitz (Lot 14-17, jeweils € 15/20.000). Die meisterhaften, piktorialistischen Werke entstanden um 1900, als sich die Bewegung der Kunstfotografie auf ihrem Höhepunkt befand und Kühns Edeldrucke in zahlreichen internationalen Ausstellungen gezeigt wurden. Die in landestypischer Tracht gekleideten holländischen Wäscherinnen am Strand (Lot 14) orientieren sich an Vorbildern der Malerei, etwa dem wenige Jahre zuvor entstandenen Gemälde der Netzflickerinnen von Max Liebermann. Als besonders selten gelten die Stadtansichten von Heinrich Kühn: Mit der malerischen, an eine Vedutenmalerei erinnernden Ansicht von Rotterdam liegt hier ein stimmungsvolles Beispiel vor (Lot 15).
Ebenfalls zu den Edeldrucken gehört das frühe Portrait eines Ehepaares aus Herdorf von August Sander. Als großformatiger Bromöldruck handelt es sich hierbei um eine Rarität (Lot 19, € 4/5.000). Von Sander kommen weitere klassische Werke zum Aufruf, darunter eine schöne Köln-Ansicht (Lot 24, € 5.000). Von Hugo Erfurth, dem Zeitgenossen Sanders, der für seine Künstlerportraits berühmt ist, stammt das Portrait von Otto Dix aus dem Nachlass des Malers (Lot 30, € 6/8.000).
Ein beeindruckendes Zeitdokument ist das Konvolut von 173 Gelatinesilberabzügen von Hugo Brehme. Die Aufnahmen des gebürtigen Eisenacher Fotografen, der als 25-Jähriger nach Mexiko auswanderte, zeigen die landschaftliche Schönheit des Landes, aber auch die brisante politische Situation Mexikos in einer Zeit des Umbruchs zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Fotografien Brehmes, dessen Archiv 2003 in das Programm „Gedächtnis der Welt“ der UNESCO aufgenommen wurde, haben das Mexiko-Bild des 20. Jahrhunderts durch zahlreiche Veröffentlichungen maßgeblich geprägt (Lot 61, € 25.000).
Erwähnenswert ist die besonders schöne, beinahe abstrakt anmutende Fotografie des Details eines Krans von Germaine Krull. Die Aufnahme entstand 1924 im Hafen von Amsterdam und fand in dem berühmten, 1928 veröffentlichten Mappenwerk ‚Métal‘ Verwendung (Lot 56, € 7/9.000).
Außergewöhnlich, da nur sehr selten in Auktionen angeboten, sind die vier Fotografien des belgischen CoBrA-Künstlers Serge Vandercam (Lot 91-94, € 2/3.000 bis 6/8.000). Aus seiner kurzen fotografischen Schaffenszeit um 1950 stammen ein äußerst komplexes Fotogramm (Lot 93) sowie drei Vintageabzüge, stilistisch angesiedelt zwischen der experimentellen Fotografie der Surrealisten und der Subjektiven Fotografie.
Zu den interessanten Losen der Auktion gehört auch das nur in kleiner Auflage erschienene Portfolio „Icons“ mit 15 Aufnahmen von Henry Wessel. Entstanden zwischen 1968 und 1989, bilden sie – mit feinem Sinn für das Skurrile – die Vorstädte an der amerikanischen Westküste und ihre Bewohner ab (Lot 116, € 25/30.000). Henry Wessel und der ebenfalls hier mit einigen Werken vertretene Lewis Baltz (Lot 117-120, € 3/4.000 bis 8/10.000) gehören zu den Fotografen, die stilistisch der „New Topographics“-Richtung zuzurechnen sind.
Von Sebastião Salgado kommt eine Fotografie aus der „Genesis“-Serie zum Aufruf – die kraftvolle Schwanzflosse eines „Southern Right Whale“ (Südkaper) in elegantem Schwung, aufgenommen vor der argentinischen Küste Patagoniens (Lot 153, € 9/12.000).
Zu den Highlights der Auktion „Zeitgenössische Kunst“ gehören drei Arbeiten von Thomas Ruff aus den Serien „Nächte“, „Nudes“ und „Substrate“. Die großformatigen C-Prints markieren wichtige Stationen in der künstlerischen Entwicklung des Düsseldorfer Fotokünstlers seit den 1990er Jahren – von der Dokumentation einer vorgefundenen, mithilfe einer Nachtsichtkamera festgehaltenen Situation über die Verfremdung anonymer Internetdaten bis hin zur reinen Abstraktion. Zugleich stellen sie attraktive und typische Beispiele innerhalb ihrer Werkgruppen dar (Lot 527, 542, 542, € 20/30.000 bis 50/70.000)
Interesse dürfte auch ein fotografisches Selbstportrait Gerhard Richters als Schielender in Nahansicht hervorrufen, eine ironische Selbstdarstellung als „Anti-Held“ in Antwort auf das traditionelle, meist idealisierende Konzept des Künstlerselbstbildnisses (Lot 511, € 20/30.000).
Vorbesichtigung: Sa 24. Nov. 10 – 16 Uhr | So 25. Nov. 11 – 15 Uhr |
Mo 26. bis Mi 28. Nov. 10 – 17.30 Uhr | Do 29. Nov. 10 – 15.00 Uhr