Copyright: © Daniel Kramer / courtesy of TASCHEN Pop und Fotografie. Das gehört zusammen wie Pech und Schwefel. Und was für ein Zufall. Da fällt mir das neueste Bob-Dylan-Fotobuch in die Hände. „A Year and a Day”. Es geht um das Jahr 1965 und den Tag, an dem der Meister und die heutige Pop-Ikone zur E-Gitarre griff. Ein gute Gelegenheit, ungefragt in den Abbildern des größten Griesgrams der Popgeschichte zu blättern. Bob-Mythen in Fotografien gegossen.
Ich war nie ein besonders großer Fan seiner Musik. Aber ich mochte schon immer die Fotos, die großartige Fotografen von Bob Dylan geschossen haben. Dylan hat wie kein anderer die Entwicklung der Rockmusik und des Song Poetry nachhaltig und andauernd bestimmt. Hier ist ein Kosmos entstanden, der sich aus den unterschiedlichsten Quellen der Popularkultur, hoher Literatur und des Kinos speist. Wie der Dylanologe Heinrich Detering in „Bob Dylan” schreibt, sei er ein selbst erklärter „song and dance man”, einer der in seiner Performance auf eine Kunst hinzielt, die die schon lange getrennten Kunstformen souverän zusammenführt. Und dieser Gesamtkunstwerker der Popularkultur wusste sich von früh an zu inszenieren.
Dabei hat Dylan von Anfang an gerne mit dem Topos des scheuen Genies gespielt. Von Freundinnen wie Suze Rotolo, seiner erster Muse, ist aber überliefert, wie er sich stundenlang vor dem Spiegel zurechtmachte, seine Klamotten zerknüllte und äußerst lange über die Wahl der richtigen Stiefel reden konnte. Um dann gelangweilt bis missmutig ein „It ain´t me, babe” grummelnd vor die Kameras zu treten. So ging auch das Shooting mit dem CBS-Hausfotografen Don Hunstein zunächst wohl daneben. Bis dieser Dylan vor die Tür bat, wo es gerade ziemlich ungemütlich war. Bei dieser Gelegenheit entstand das Cover-Foto von „The Freewheelin‘ Bob Dylan” (1963). Dylan fröstelt, Retolo lächelt in die Kamera. Eine Ikone der Popkultur.
Zwei Jahre später stand Dylan im Februar im Central Park vor der Kamera von Richard Avedon. Der Star war in diesem Fall Avedon. Der Fotograf prägte bereits zu dieser Zeit die Modefotografie mit seinen Arbeiten für Harper´s Bazaar und Vogue. Und immer wieder traten auch Promis für Porträtaufnahmen vor seine Kamera. „Meine Portraits sagen mehr über mich als über die Leute, die ich fotografiere.” Was sah Avedon 1965 in Dylan? Einen Bohemien in Kontemplation. Das Bild zeigt die frühe Aura des Künstlers. In dem Moment war er noch der Folk-Troubadour und noch nicht elektrisch, aber er war auf dem Weg. Heute befindet sich das Foto in der Sammlung des MoMA.
Im Januar 1978 hat Dylan schon längst die monumentale „Rolling-Thunder-Revue” hinter sich. Jetzt warb er im Interview mit dem „Rolling Stone” für sein vierstündiges Film-Epos „Renaldo and Clara”, das später kaum ein Mensch sehen wollte. „Er spielte herum”, wusste Annie Leibovitz über das Shooting zu berichten. Als eines der ersten Fotos entstand das berühmte Sonnenbrillen-Foto, das es auch auf das Cover schaffte. „Das ist die Bob-Dylan-Maske”, sagte der Interviewer. In der weiteren Sitzung konterkarierte Dylan das Motiv, er ahmte die Brille mit seinen Fingern nach.
Leibovitz sollte Dylan noch einige Male für das Musik-Magazin „Rolling Stone” fotografieren. Aber auch Herb Ritts durfte 2001 mal ran. Leibovitz setzte aber wieder ein besonders eindrückliches Zeichen. Bob als Southern Gentleman mit Stock und Hut. By the way: Der Hut hat in Dylans Karriere seit jeher eine zentrale Bedeutung. Lieder über Hüte finden sich auf fast allen Alben, angefangen von „Hattie Carroll“ über „There is a Hat in New Orleans“ über „Before the Hat“ und hin zu „Hat Gone Wrong“ und der berühmten Bootleg-Fassung von „Ein Hut, ein Stock, ein Regenschirm“ zusammen mit Pete Seeger.
Wer die Pop-Ikonografie durchgeht, dem fällt auf, dass es Dylan und seinen fotografischen Chronisten späterhin nicht mehr gelungen ist, in die Hall of Fame der Ikonen vorzudringen. Hier drängeln sich ausschließlich Bilder der ersten drei Jahrzehnte. Dylan der Folkie, dann im Nouvelle-Vague-Style oder als Rebell. Der gediegene späte Dylan-Stil mochte sich ikonisch nie so recht durchsetzen. Mag sein, dass er heute deswegen zu einer für ihn neuen Form des Brandings greift. Seit Anfang diesen Jahres macht Dylan in Whisky. Bob Dylan fortan als Influencer? Was mag da wohl noch kommen?
Wird es da nicht höchste Zeit, sich wieder der famosen Anfangszeit des unverbrauchten Dylan zuzuwenden? Der Taschen-Verlag hat jetzt ein formidables Fotobuch in der Volksausgabe veröffentlicht, dem eine exklusive, limitierte Collector´s Edition voraus ging. „A Year and a Day”. Der Fotograf Daniel Kramer hat Bob Dylan begleitet. „In dem einen Jahr, in dem ich ihn fotografierte, änderten sich Dylans Musik und Erscheinungsbild radikal. Aus dem Solokünstler mit Gitarre und Mundharmonika wurde der Kopf einer Band, die lastwagenweise Equipment benötigte.” Kramer klärt auch auf, wie das damals war mit der E-Gitarre. „Und er stieg auf die E-Gitarre um – nicht beim Newport Folk Festival, auch nicht in Forest Hills, sondern, soweit ich mitbekommen habe, im Januar 1965 beim Einspielen von Bringing It All Back Home im Studio A von Columbia Records in New York.” Back to the roots. Die Fotos lassen den jungen Bob lebendig werden. Ich kann diesen Bildband nur wärmstens empfehlen. Von wegen fotoscheues Genie. Um das Thema Eitelkeit und Performance und Bob Dylan abzuschließen: „Er ist ein Model und er sieht gut aus… Er wirkt so kühl, an ihn kommt niemand ran, doch vor der Kamera da zeigt er, was er kann.” Ach ja, Kraftwerk waren eben nicht nur als Ikonen gut.
Bob Dylan. Heinrich Detering. Reclam. 2016.
https://www.reclam.de/detail/978-3-15-011053-9/Detering__Heinrich/Bob_Dylan
Don Hunstein. New York Times. Nachruf
https://www.nytimes.com/2017/03/24/arts/music/don-hunstein-dead-photographer-of-music-stars.html
Richard Avedon. Bob Dylan. Central Park, 1965. MoMA
https://www.moma.org/collection/works/128626
Annie Leibovitz. Bob Dylan. Los Angeles, 1977
https://paddle8.com/work/annie-leibovitz/70709-bob-dylan-los-angeles
Herb Ritts. Bob Dylan, 2001
http://www.herbritts.com/#/archive/print/rolling-stone-november-2001/
Bob Dylan. Womit er die Locken verbarg. Ein Blick auf eine außergewöhnliche Karriere im Spiegel der Hutmode.
http://www.taz.de/!5120283/
Bob Dylan. Heaven´s Door.
https://www.heavensdoor.com/
Daniel Kramer. Bob Dylan: Ein Jahr und ein Tag
Hardcover,. Taschen Verlag, 280 Seiten € 50
ISBN 978-3-8365-7100-5 (Deutsch, Englisch,
Französisch)
https://www.taschen.com/pages/de/catalogue/photography/all/44841/facts.daniel_kramer_bob_dylan_ein_jahr_und_ein_tag.htm
Foto Hendrik Neubauer: © Lynn Neubauer
Copyright: © Daniel Kramer / courtesy of TASCHEN