Aus den eigenen Bildern eine gute Serie zu machen und für das Portfolio oder die Website zusammenzustellen, ist für die meisten Fotografen eine echte Herausforderung. Weil es viele Motive sind, fällt schon die Auswahl schwer. Dazu fehlt der notwendige Blick mit Abstand auf die Bilder. Unterschiedliche Motive können so nur schwer kreativ und passend kombiniert werden. Nicht nur durch das Sujet oder das Thema an sich, sondern durch eine ungewöhnliche und mutige Erzählweise wird visuelle Spannung erzeugt. So wird die Geschichte interessant. Eine chronologische Editierweise ist dafür nicht unbedingt relevant, sondern ein geschulter Blick und simple Regeln des bildhaften Erzählens.
„Bilder sagen mehr als tausend Worte“ – vielleicht, denn es kommt auf die richtige Auswahl und die Zusammenstellung an. Einig sind wir uns hoffentlich in dem Punkt, dass eine fotografische Arbeit an Gehalt und Aussage gewinnt, wenn Fotografen seriell arbeiten und die Sujets keine Einzelbilder bleiben. Ein einzelnes Bild mag „schön“ sein, nur erkenne ich daran nicht, womit der Urheber sich beschäftigt oder welche Aussage getroffen wird. Abgesehen von Ausnahmen in der Werbefotografie, wo oft Einzelmotive beauftragt werden, wiegt in den freien Arbeiten von Fotografen die serielle Erzählweise und die Interpretation des gewählten Themas. Kurz, der Wert der Arbeit steigt, wenn klar wird, dass Fotografen sich tiefergehend mit einem Thema befasst haben und es in die Bilder eingearbeitet haben.
Ein wichtiger Teil meiner Arbeit mit Fotografen ist das Editieren von Motiven für das Portfolio oder die Website. Immer wieder passiert es dabei, dass der Fotograf seine favorisierten Motive präsentiert, aber die Wirkung ausbleibt. Nicht weil die Bilder schlecht sind. Oft fehlen wichtige Motive oder die Auswahl ist zu knapp. Viele Fotografen rationalisieren sich ihre besten Bilder selbst weg, weil sie zu nah an ihrer eigenen Arbeit dran sind. Ein Beispiel: Die Bildauswahl eines Fotografen zeigte ein Porträt in drei Varianten. Nach den Umständen der Fotoproduktion gefragt, stellte sich heraus, dass im Zuge des Porträts noch weitere Motive entstanden sind, die das Umfeld der Person zeigten. Wir sichteten die Bilder und stellten fest, dass aus einem einzelnen Porträt eine Geschichte erwächst, die mehr Persönliches zeigt und so visuell viel attraktiver ist. Dazu haben wir Motive, wie Landschaft, Architektur, persönliche Gegenstände und Räumlichkeit ausgewählt und zusammen mit dem Porträt in eine Bilderreihe gelegt. Diese Reihe umfasste ca. acht Motive, wobei sich Hoch- und Querformat abwechselten. Wir tauschten die Motive untereinander, bis wir eine spannende Reihenfolge hatten. Dabei stellten wir fest, dass das Porträt eine schöne Symbiose mit der Landschaft eingeht, die zusammen einen starken Aufmacher der kleinen Serie bildeten und den Betrachter in die nun folgende Bildergeschichte der Person hineinführte.
Gutes Editieren und Erzählen gelingen mit einigen Regeln. Denken Sie nicht in Einzelbildern, sondern in Bildpaaren. Denn fast jedes Bild wird mit einem „Partner“ stärker. Nehmen Sie verschiedene Perspektiven ein, von Details bis zum Panorama, denn die Kombination der Motive ist spannend. Bringen Sie die Bildauswahl durcheinander, indem Sie nicht chronologisch erzählen. Das letzte Bild der Geschichte ist als Aufmacher manchmal am besten geeignet, weil es die Geschichte erst entrollt. Die Kunst ist es, Bilder auszulassen, mit Mut zur Lücke zu erzählen. Das bedeutet nicht nur keine Dopplungen oder Wiederholungen. Eine gute Geschichte ergeben Bilder, die von der Produktion nichts miteinander zu tun haben, zum Beispiel Food und Architektur oder Landschaften und Stills. Die Kombination der Sujets als Bildpaare stellt den visuellen Spannungsbogen her. Mit nur zwei Bildern haben wir bereits eine kleine Geschichte. Und: Editieren Sie bitte mit Layoutprints, nicht digital!
Welche Bilder eine spannende Geschichte erzählen oder ein Thema veranschaulichen, können Sie am besten in guten Printmagazinen sehen. Hier suchen Bildredakteure mit dem Art Direktor Motive aus, die das Thema transportieren. Das Motto: Soviel wie nötig und so wenig wie möglich.
Ob im Fine Art Bereich, im Kunstbetrieb, auf der Website oder im Portfolio von Fotografen, es ist eine Kunst, sich von den eigenen Bildern zunächst gedanklich zu lösen, um ihnen dann eine frische, spannenden Reihenfolge und Interpretation zu geben. Und je nach Auswahl können Sie mit denselben Motiven unterschiedliche Geschichten erzählen.
Und was sind Ihre visuellen Geschichten?
Silke Güldner berät Fotografen und Kreative bei der richtigen Positionierung, einem erfolgreichen Auftritt und der digitalen Strategie.
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Foto: Stefanie Link