Kreativität. Ein Merkmal, das in keiner Stellenausschreibung fehlen darf. Aber sobald diese auf dem Markt der Freien eingekauft wird, beginnt das große Hökern. Und Fotografie? Gibt es diese nicht schon längst für Cent-Beträge, wenn nicht gar umsonst. Hendrik Neubauer äußert sich mal wieder „Ungefragt“. Zu einem altbekannten wie leidigen Thema.
Der Arbeitstag habe nicht besser anfangen können, erzählt mir O. aus H. beim Pils. Da fragt vor Wochen ein Unternehmen aus Bayern an, ob O. als freier Mitarbeiter die Events im Norden betreuen möchte. Es ginge um Foto und Texte für deren Unternehmensseiten. Allerdings hätte man für diesen Auftrag nur ein äußerst kleines Budget. Aber man wolle ja den Markt im Norden aufrollen, Aufbauarbeit eben. Low Budget, No Problem! Gleich am nächsten Tag legt O. los. Vier Wochen geht das gut. Dann stellt er fest, dass die gelieferten Fotos und Texte ohne sein Einverständnis weiterverkauft worden sind. Er spricht das beim Auftraggeber an, ab dem nächsten Tag geht man wieder getrennte Wege.
„Allein schon. Low Budget, das geht doch gar nicht“, sage ich. Er schaut mich mitleidig an. Wie er wohl Auftragslücken im Kalender überbrücke? Bevor er rumsitze, gehe er zu einer Pressekonferenz und trinke mit den Kollegen von den Presseagenturen und dem Glücklichen, der dort exklusiv für den Veranstalter fotografiert, ein Gratis-Käffchen. Wer weiß, wofür dieser Ausritt sonst noch gut ist. Freiberufler müssen raus. Weil er ja kein Briefing habe, mache er das eine oder andere „Off“-Foto. Die Ausbeute schicke er noch am frühen Abend an die Presseabteilung des Unternehmens. Die zeigen sich begeistert von seinen Fotos. Leider haben die Damen und Herren schon ihr Budget verfeuert. Last but not least für den beauftragten Kollegen. Aber beim nächsten Mal wird man auf seine Dienste zurückgreifen, ob man nicht ausnahmsweise dieses eine „supertolle“ Foto ohne Honorar nutzen dürfe. Klar doch! No Budget, no Problem! Er schreibt zurück. Wann denn die nächste Pressekonferenz stattfände? Er würde sich gerne den Termin freihalten. Man werde sich melden. Nun solle ich mal raten, was nicht passiert sei?
„Sowas. No Budget und dann das.“ Ich will gerade ansetzen und die Große-Aber-Tirade singen. In der Bäckerei, Autowerkstatt und sogar beim Tierarzt müsse man doch sofort bezahlen. Aber O. erkennt dieses Lamento am ersten Ton. Er habe die Schnauze voll von den Schnorrern, die ihn fast täglich anschleimen. Vor allem säßen diese Damen und Herren bei festem Gehalt nur in ihren Luxus-Büros um herumzusülzen, wie bescheiden ihre Mittel für die laufende Produktion seien. Denen gehe es nur ums Sparen, nicht um Kreatives Tun. Er werde unhöflich, beende einfach das Gespräch und Bettelmails werden sowieso nicht beantwortet. Früher habe er noch versucht, die Menschen auf der wohlhabenderen Seite des Creative Valleys davon zu überzeugen, dass Kreativität ihren Preis habe. Wie oft habe er gehört: „Hören Sie mal Herr O., das muss doch alles noch bezahlbar bleiben.“ Das waren noch Zeiten. Da wurde noch daran gedacht, dass man für Fotografie etwas bezahlen müsse. Also Honorare und nicht Almosen.
P.S. Dieses Gesprächs fand an einem verregneten Freitag in einer dusteren Kneipe bei Schnaps und Tequila statt. Es endete in einem “Man-müsste-noch-mal-von-vorne-anfangen“-Blues. Wie wir wissen, hat diese Art des Klagegesangs nicht mal auf den Original-Schauplätzen der Baumwollfelder im amerikanischen Süden viel ausrichten können. Zumindest aber ist Blues Balsam für die Seele.
Foto: ©Michael Kneffel