Abende auf dem Sofa des Studienfreundes können so schön sein. Stundenlang huldigen wir der guten alten Zeit. In Bild und Ton. Klaus ist der beste VJ und DJ, Datenfriedhof ist ein Fremdwort für ihn, er hat eben seine Fotos und übrigen Medien im Griff. Bier und Knabberzeugs im Anschlag kehrt Hendrik Neubauer zurück in die guten alten Zeiten. Sein Hohelied auf den Diaabend.
»Ich bin hier (AIEE – AH!) und du bist mein Sofa…« Frank Zappa besingt in seinem Song »Sofa No. 2« das Symbol der Couch-Potatoes. Und ich komme gerade von einem der Diaabende mit Klaus. Ich pfeife das Lied und versuche den Dada-Text zusammenzustoppeln. »Sofa No. 2« ist teils teils auf Deutsch verfasst. »Metallgeld« intoniert von Frank Z. klingt wie »Mettauge«, er lässt ein spießiges Symbol hochleben, bleibt dabei kryptisch. »Ich bin der Autor aller Falten.« Oha, damit kann ich heutzutage etwas anfangen.
Klaus´Sofa ist gar nicht so bequem. Aber es ist oft frei für mich. Ich muss mich nicht mal lange vorher anmelden, wir haben auch schon bei ihm getagt, weil eine gemeinsam besuchte Lesung als zu belangslos daherkam. Dann schaut der eine den anderen an, spricht das Code-Wort: »Sofa«. Es steht vor einer riesigen Regalwand, die beherbergt die unterschiedlichsten Medienausgabegeräte. Klaus war damals, während unserer Studienzeit, ein begeisterter Fotograf. Immer hatte er seine Knipse dabei. Ich hatte nicht mal einen Fotoapparat. Seine Diaschauen sind großartig, eine Zeitreise in unsere wilde Jugend. So mag sie mir zumindest heute scheinen. Weit nach Mitternacht schaut er mich ungläubig an. »Willst du wirklich mehr?« Ich nicke. »Ich hätte da noch ´ne Familienrutsche. Sechziger und Siebziger.« Warum nicht und Dollerup klingt doch auch ein wenig nach Saltkrokan. Ich bewundere, mit welcher Akribie er seine Medien im Griff hat.
Er hat damals obendrein gefilmt oder hat sich filmen lassen. Gab´s da nicht zwei konkurrierende Bands? Klaus war der Bass bei »max. 80«. Ich war der Gitarrist bei »Con Carne«. Wenn wir zum x-ten Male das max-80-Musikvideo »Dicke Frauen« sehen, dann geht die Sonne der 1980-er-Jahre wieder auf. Durch die Kulisse der Blomenburg stolziert eine tolle drallle Brünette und überstrahlt die schmalbrüstigen Helden. der Band. Ein paar Wochen später durfte ich dann mit ebendieser Brünetten bei dir in der Küche in der Steinstraße engtanzen. Ja, ab und an tauche ich selber in dieser ganz privaten Bilderwelt auf. Wäre da nur nicht Klausens skurriler Musikgeschmack. Ich hätte nie gedacht, dass ich ein ganzes DVD-Konzert mit »Status Quo« durchstehen würde. Sowas ist nur mit Klaus möglich. Er hat dazu noch einen Sack voller skurriler Popdaten und Kieler Anekdoten parat. Ein Stichwort ergibt das andere, ein Name den anderen. Gegen drei Uhr nachts kommt mitunter ein Weckruf: »Zeig noch mal die Fotos von der Motto-Party in der Feldstraße?« Der Puls der alten Männer nimmt noch mal Fahrt auf. Bad-Taste-Parties? Ich erinnere an diesen Honk mit dem rotweingetränkten Tampon-Ohrhänger, der saß am nächsten Morgen immer noch in der Küche. Er war auf einem Küchenstuhl eingeschlafen. Tatsächlich, da ist das Foto ja.
»Ich bin der Chrome Dinette / Ich bin Eier aller Arten / Ich bin alle Tage und Nachte.« So singt der Frank und frei von der Leber weg. Ihn deckt mittlerweile auch schon grüner Rasen, wir jedoch sind noch voller Spaß an unseren Erinnerungen, wir haben unsere Nächte auf dem Sofa. Was sagt Eric Burdon dazu: »When I think of all the good times that I’ve wasted having good times…« War das die Zeit, in der das Private so politisch war?! Unsere Sofasitzungen sind always Memory-Spiel. Kurzweiliges wie hintersinniges Vergnügen. Solche Abende waren aber auch schon Retter in der Not. Danke, mein Freund.
Spuren im Netz: Der Soundtrack.
Frank Zappa »Sofa No. 2«
https://www.youtube.com/watch?v=xt85We4XJeM
max. 80 »Dicke Frauen«
https://www.youtube.com/watch?v=NzqRkAjYP5I
Con Carne »Männer wie wir«
https://www.youtube.com/watch?v=McxkfJhzuts
Eric Burdon & The Animals »Good Times«
Foto: © Michael Kneffel 2016