Fotografen investieren gerne in Technik – neue Kameras, bessere Objektive oder fehlendes Lichtequipment. Dazu kommen Workshops und Online-Tutorials, um komplizierte Technik richtig einzusetzen, bessere Ergebnisse zu erzielen oder etwas über neue Technologien und Medien zu lernen. Dabei vergessen einige Fotografen gerne, dass ein gutes Foto nicht nur vom gekonnten Einsatz der richtigen Hardware abhängt. Vielmehr kommt es auf die Idee an, die ein Bild oder eine Serie erst interessant macht.
Wie Fotografen auf Ideen kommen oder sich inspirieren lassen, das ist ganz unterschiedlich und auch eine Typ-Frage. Einigen Fotografen-Portfolios oder Websites mangelt es trotz technischer Perfektion an Ideen und einer Linie, die ihre eigene Handschrift zeigt. Auch fehlt meist eine klare Bildsprache, die nicht nur durch gutes Handwerk Eindruck macht, sondern durch ein Konzept oder ein gut gewähltes Thema. Manchmal reichen schon Kleinigkeiten, um diese Wirkung zu erzielen. Aber dafür braucht es, wie für alle Weiterentwicklungen, Zeit und das Wissen, dass Erfolg als Fotograf auch mit Kreativität und Phantasie zusammenhängt.
Werbefotografen produzieren mehrmals pro Jahr eine freie Serie, um ihr Portfolio zu erweitern und neuen Gesprächsstoff für ihre Werbekunden zu haben. Die Planung und Produktion einer Serie entstehen oft in Zusammenarbeit mit einem Stylisten oder einem Art Direktor. So werden von kreativen Machern gemeinsam Bilder in den Genres Interior, Stilllife, People, Fashion oder Beauty und Reportage entwickelt, die einer konkreten Idee folgen.
Bei der Suche nach dem besten Thema oder der guten Idee für eine freie Arbeit gibt es eine Fülle an Möglichkeiten oder persönlichen Techniken. In der Literatur findet man viel zum Thema „Kreativitätstechniken“ oder „Ideenfindung“. Zum Beispiel das „Brainstorming“, allen Werbern vertraut. Um auf Ideen zu kommen, müssen zunächst die Rahmenbedingungen stimmen. Die Grundzutaten dafür sind „Zeit und Ruhe“. Und zwar ungestörte Zeit. Der Ungarische Autor Mihaly Csikszentmihaly hat unter anderem in seinem Buch „Kreativität“ über den Flow geschrieben. Der Flow ist ein Bewusstseinszustand, in dem der Geist entspannt ist und auf die innere Reise geht. Das kann sowohl in einem körperlich entspannten Zustand stattfinden aber auch beim Blättern von Magazinen, googeln oder in einer Ausstellung. Dabei entstehen neue Assoziationen und Verknüpfungen, die letztlich zu dem gewünschten Output führen.
Andere laufen durch eine neue Umgebung, betrachten Schaufenster oder Menschen, sitzen am Strand und tun nichts. Nichtstun fördert Phantasie und Kreativität.
Werbefotografen verbringen Zeit mit Teamkollegen, zum Beispiel Stylisten, und brainstormen. Auch das Durchstöbern von Kunstbüchern oder das Bildersurfen in Fachjournalen und Newslettern ist hilfreich. Um sich inspirieren zu lassen, braucht es manchmal Vorlagen, die neue, innere Bilder erzeugen können. Zum Beispiel die Suche nach Trends und neuen Impulsen in den visuellen Medien oder der Designbranche.
Oft entsteht Inspiration auch aus einem persönlichen Thema, was einem am Herzen liegt. Je nachdem, ob Fotografen ein Werbe-Portfolio haben oder eher Reportagen produzieren, können es Themen aus aktuellen gesellschaftlichen oder sozialen Feldern sein, die eine Vorlage liefern. Zum Beispiel Gesundheit, Umwelt oder Nachhaltigkeit.
Was unterscheidet eine gute Idee von einer schlechten? Eine gute Idee erreicht ein Publikum und erzeugt eine innere Reaktion – ein Lächeln oder Überraschung, ein Innehalten für das Bild – und hinterlässt eine kleine Spur. Um eine gute Idee aus mehreren herauszufiltern, erfordert es etwas Abstand zur eigene Idee. Hierbei hilft das Bewerten oder „Clustern“ von Ideen nach simplen Punkten: Zunächst, was hat die Idee mit mir zu tun? Und ist das Thema für ein Publikum geeignet, wem würde es gefallen? Trifft die Idee ein aktuelles Thema oder macht sie auf etwas aufmerksam? Und schließlich, was kann die Idee für mich tun? Bringt sie mich als Fotograf mit meinen Zielen ein Stück in die gewünschte Richtung?
Wer es ausprobieren möchte und noch Anregungen sucht, findet viele Visual Trends für 2017 online. Darunter gesellschaftliche Themen wie zum Beispiel „unfiltered“, „gritty woman“, „new naivety“ oder „global neighbourhood“.
Und haben Sie eine Idee?
Silke Güldner berät Fotografen und Kreative bei der richtigen Positionierung, dem Auftritt und der digitalen Präsentation.
www.silkegueldner.de
Diese Kolumne ist in ProfiFoto 3/17 zu finden.