Wenn es um die Eigenwerbung geht, bewegen sich die meisten Fotografen gerne auf ausgetretenen Pfaden. Sie bewerben sich bei Agenturen oder versenden PDFs für die Akquisition von Aufträgen und wünschen sich eine Ausstellung oder einen Galeristen, wenn es um die Präsentation und Vermarktung von künstlerischen Arbeiten geht. Dabei ist es viel spannender auch mal um die Ecke zu denken und neue Wege für die eigene Verwertungs- oder Vermarktungsstrategie zu entdecken. Denn besondere Chancen bietet die Digitalisierung mit neuen Plattformen für Fotografen und andere Kreative, die das eigene Portfolio effizient verbreiten können.
Um als Fotograf gebucht zu werden, ist neben der Fachexpertise und einem gehaltvollen Portfolio die räumliche Nähe zum Auftrag ein wichtiges Entscheidungskriterium der Auftraggeber. Denn besonders journalistische Themen, Aufträge im Corporate- und Eventbereich sowie Architektur- oder Industrie Jobs sind ortsgebunden und wollen an Ort und Stelle erledigt werden. Oftmals bietet das Budget für diese Aufträge wenig Spielraum für Reisekosten, so dass besonders die Redaktionen der Magazine immer öfter Fotografen vor Ort suchen und buchen. Hinzu kommt, dass viele Aufträge sehr zeitnah realisiert werden müssen und daher eine kurze Reaktionszeit erfordern. Eine schnelle Verfügbarkeit des Wunschfotografen ist daher nicht nur von Vorteil sondern oft Auftragsentscheidend.
Fotografen, die in diesen Bereichen arbeiten und ihre Auftragssituation ausbauen wollen, sollten sich daher verstärkt um Ihre digitale Auffindbarkeit kümmern. Denn neben der Kaltakquise von neuen Kunden reichen herkömmliche Maßnahmen wie die eigene Website, der Blog oder eine Social Media Präsenz oft nicht mehr aus. Das eigene Spielfeld zu vergrößern, dabei hilft jetzt das Geschäftsmodel „location based photography“. Die Macher von blink.la haben sich vorgenommen, Fotografen mit Auftraggebern zu verknüpfen und bieten auf ihrer Plattform eine unkomplizierte und zielgerichtete Suche nach dem passenden Fotografen an. Dabei kann sowohl nach Standort als auch nach Expertise gesucht werden und die Referenzen als auch das Portfolio des Fotografen werden zusammen mit einem aussagekräftigen Kurzprofil präsentiert. Das Netzwerk bietet nicht nur Fotografen-Profile, auch Drohnen-Piloten oder Videographen können darüber gefunden werden und es ist laut blink.la in Planung weitere kreative Leistungen anzubieten. Für viele Auftraggeber eine große Hilfe bei der inhaltsbasierten und schnellen Suche nach einem passenden Fotografen. Denn auf individuellen Websites zu suchen oder den richtigen Fotografen zu googeln erfordert wesentlich mehr Zeit.
Auch das neue Department laif core der Bildagentur laif setzt auf dieses Geschäftsmodel. Laif core richtet sich an Kunden, die einen passenden Fotografen für die visuelle Unternehmenskommunikation suchen und bietet den Kunden für den Prozess der Umsetzung auch Beratung und Konzeption an. Das fotografische Angebot besteht im Gegensatz zu blink.la ausschließlich aus den Fotografen der Bildagentur laif. Für Fotografen, die sich mit und in der Auftragsfotografie positionieren wollen, ist neben einem guten Portfolio Reichweite der wichtigste Erfolgsfaktor in der Selbstvermarktung. Um für den Wunschkunden zum relevant Set zu zählen, zählt mehr denn je digitale Präsenz in überregionalen Plattformen und Communities. Und das standortbasierte Marketing kann sogar im Urlaub oder auf Reisen oder Recherchen für ein freies Projekt einen neuen Auftrag bringen, solange man der App seinen Standort mitteilt.
Reichweite, Standort, digitales Profil und Schnelligkeit sind auch die Faktoren, die die Dating App Tinder so erfolgreich gemacht haben. Dieses Prinzip findet nun auch im Kreativ- und Kunstbetrieb Anwendung. Die Plattform Wydr.co von Machern aus Zürich bietet in ihrer App Kunstwerke zum wischen – nach links oder rechts, nach dem bewährten Prinzip. Ein gutes Beispiel, dass der visuelle Konsum und auch das Kaufen von Kunst durch simple Anwendungen und attraktive Präsentation gefördert und verbreitet werden kann.
Auftragsfotografen kann man bisher noch nicht „tindern“, obwohl es eine lustige Vorstellung ist. Aber moderne Auftragsfotografie ist mittlerweile eng verbunden mit zeitgemäßen digitalen Tools. Fotografen, für die digitale Transparenz und Vernetzung eher fremd sind, müssen sich nicht über Nacht neu erfinden. Es genügt, einige simple digitale Spielregeln für sich zu entdecken und zu benutzen Die Begeisterung kommt dann von allein.
Und wie groß ist Ihr Spielfeld?
Silke Güldner berät Fotografen und Kreative bei der richtigen Positionierung, dem Auftritt und der digitalen Präsentation.
www.silkegueldner.de
Diese Kolumne ist in ProfiFoto 10/16 erschienen.