Eine Umfrage von fotoassisten.de hat ergeben, dass eine überwiegende Zahl an Foto-assistenten, knapp 70 %, Kontakte in der Branche als wichtigstes Kriterium für erste Jobs ansehen. Wichtiger als zum Beispiel das Portfolio. Dass Kontakte eine so hohe Relevanz für die Karriere haben, und das nicht nur im Bereich der Fotografie, ist richtig. Wenn Nachwuchsfotografen ihre Karriere planen wollen, sollten sie einen weiteren wichtigen Faktor berücksichtigen, der nicht nur zu guten Kontakten, sondern auch zu wichtigen Erkenntnissen für die eigene Selbständigkeit als Fotograf führt – die Assistenz.
In einem Gespräch mit einem Nachwuchs-Filmemacher erfuhr ich, dass er sich direkt nach dem Studium an der Hamburg Media School selbständig gemacht hatte. Er ist Gründer und sein Geschäftsmodell sind Imagevideos für kleine Unternehmen am Standort Hamburg. Das Problem: zu wenig Umsatz. Er hat eine hervorragende Ausbildung, die ihm mit dem Masterabschluss an dieser renommierten Hochschule einige Türen öffnen würde. Aber der Wunsch rasch Geld zu verdienen ist groß und er hat die Hoffnung, sich mit dieser Geschäftsidee erfolgreich im Markt zu positionieren. Ich fragte ihn, warum er nicht erst einmal assistieren oder in einer Filmproduktion als Freelancer arbeiten will, um Erfahrungen und Kontakte im Werbe- und Medienbereich zu sammeln. Denn er verzichtet auf eine wichtige Karriere-Stufe, die Nachwuchs-Fotografen und Filmern den Einstieg in die Selbständigkeit, besonders im Werbe- und Medienbereich, enorm erleichtern kann und ihre Aussichten, sich ein gutes Image aufzubauen, deutlich fördert.
Eine andere Geschichte: 5 % der Studien-Absolventen im Bereich Fotografie können in der angewandten Fotografie Geld verdienen. Das wurde einem jungen Fotografen von seinem Dozenten während des Studiums an einer bekannten deutschen Fachhochschule mitgeteilt. Motivierend. Und danach ist auch der Lehrplan aufgebaut. „Es werden keine Inhalte vermittelt, die in der Selbständigkeit eine sinnvolle Schnittstelle zur hochwertigen Auftragsfotografie bilden und einen Nachwuchs-Fotografen für den Markt vorbereiten“, (Zitat FH-Absolvent). Folglich entstehen in diesem Studium auch keine Kontakte.
In der handwerklichen Fotografen-Ausbildung ist es allerdings auch nicht viel besser. Leider machen sich Fotografen trotzdem sofort nach Ausbildung oder Studium selbständig. Das hat verschiedene Gründe: Viele wollen, wie der junge Filmemacher, sofort Geld verdienen, andere wollen sich nicht unterordnen und jemandem zuarbeiten. In der Regel hat eine Ausbildung oder ein Studium viel Geld gekostet, was sich bezahlt machen soll. Dabei unterschätzen sie die Bedeutung und Wirksamkeit der Assistenzzeiten bei guten Fotografen oder Studios für ihre Karriere.
Besonders Nachwuchs-Fotografen, die in Richtung Werbung wollen, sollten sich Zeit für Assistenzen bei etablierten Fotografen nehmen und nach Möglichkeit auch im Ausland assistieren. In Ausbildung und Studium lernt man Technik, Handwerk, Licht oder Bildgestaltung. Vielleicht auch seine Themen zu finden, eine gute Geschichte zu erzählen oder Bildediting.
Aber die Assistenzen bei marktrelevanten Fotografen sind oftmals das einzige Katapult, um in diesem Markt Einblick und Kontakte zu bekommen. Wer ist der Art Direktor, was macht ein Art Buyer und an wen muss ich mich wenden, wenn ich in der Magazin-Redaktion mein Portfolio zeigen will? Auch um die Jobpraxis und die Infrastruktur einer guten Fotoproduktion kennenzulernen und für die eigene Organisation sind Assistenzen wichtig. Die Persönlichkeit eines Fotografen kann sich besser entwickeln. Assistenten werden mit Anforderungen konfrontiert, die in einer Ausbildung oder einem Studium nicht vorkommen. Zum Beispiel Termin- und Budgetdruck, erhalten Einblick in die Kunden-Kommunikation, die Kostenkontrolle oder die Steuerung des Workflows.
Zum Startzeitpunkt haben viele Nachwuchs-Fotografen keine Ahnung, was sie außer ihrer Diplomarbeit zeigen sollen. Gute Assistenzen erhöhen die Chance, erfolgreich in den Markt der Werbefotografie einzusteigen. In den Assistenzjahren können sie an ihrem Portfolio arbeiten, die Vorteile des Studios, in dem sie arbeiten nutzen und sich eine hochwertige Mappe erstellen. Denn aus meiner Sicht ist das Portfolio neben guten Kontakten ein wichtiges Kriterium, um zu zeigen, was man kann und erste Jobs zu bekommen.
Und was ist Ihr „Karriere-Plan“?
Silke Güldner berät Fotografen und Kreative bei der richtigen Positionierung, dem Auftritt und der digitalen Präsentation.
www.silkegueldner.de
Der Artikel ist in ProfiFoto 6/16 erschienen.