Die 56. Rencontres d’Arles stehen vom 7. Juli bis 5. Oktober 2025 unter dem Motto IMAGES INDOCILES (Ungebändigte Bilder) und präsentieren ein umfangreiches Ausstellungs- und Eventprogramm.
Die Rencontres d’Arles sind seit Jahrzehnten ein Fixpunkt in der internationalen Fotowelt. Vor allem während der Eröffnungswoche vom 7. bis 13. Juli verwandeln sich die Straßen, Plätze und historischen Schauplätze der Stadt in eine Bühne für Fotografie, Austausch und künstlerische Innovation. Unter dem Motto „Images Indociles“ – auf Deutsch „Ungebändigte Bilder“ – setzt die 56. Ausgabe erneut auf ein reiches Programm.
Erneut verantwortet Christoph Wiesner als künstlerischer Direktor das Programm. Unter dem Titel „Ungebändigte Bilder“ präsentiert er Fotografie als Werkzeug des Widerstands, des Zeugnisses und der sozialen Transformation angesichts zeitgenössischer Krisen. Das Thema bildet den roten Faden des gesamten Programms der 56. Ausgabe des Festivals. „Während die Welt durch das Aufkommen von Nationalismus, den Anstieg des Nihilismus und Umweltkrisen erschüttert wird, bieten die vorgestellten fotografischen Blickwinkel einen wesentlichen Gegenpol und feiern die Vielfalt von Kulturen, Geschlechtern und Herkunft“, so Wiesner.
- CAMILLE LÉVÊQUE Glitch, Modification d’une carte postale vintage, collection personnelle, 2014. Avec l’aimable autorisation de l’artiste. Exposition À la recherche du Père.
- CAROLINE MONNET Aïcha, Série Ikwewak (Femmes), 2022. Avec l’aimable autorisation de l’artiste. Exposition Échos d’un futur proche.
- ANONYME Sans titre, France, 1924. Avec l’aimable autorisation de la Collection Marion et Philippe Jacquier / Don de la Fondation Antoine de Galbert au musée de Grenoble. Exposition Éloge de la photographie anonyme – Collection Marion et Philippe Jacquier
- AFONSA PIMENTA / RETRATISTAS DO MORRO. Le Fils de Zói, La communauté de Serra, Belo Horizonte, MG, 1989. Avec l’aimable autorisation de l’artiste. Exposition Retratistas do Morro. João Mendes et Afonso Pimenta, Reflets de la communauté de Serra, Belo Horizonte (1970-1990).
Die Ausstellungen
Das offizielle Festivalplakat zeigt ein Motiv aus der Ausstellung „On Country: Fotografie aus Australien“, die die dortige zeitgenössische Fotoszene vorstellt und die tiefe, spirituelle Beziehung erforscht, die die Ureinwohner zu ihrem Land pflegen.
Ebenfalls durch einen Dialog zwischen zeitgenössischer und aufstrebender Szene, Alltags-Fotografie und Modernismus leisten die Rencontres außerdem einen Beitrag zum binationalen Kulturprogramm „Brasilien-Frankreich 2025“, durch das beide Länder in diesem Jahr ihre künstlerischen, kulturellen und gesellschaftlichen Verbindungen vertiefen wollen. So reflektiert die Ausstellung Futurs ancestraux anhand historischer Archive und zeitgenössischer künstlerischer Arbeiten das koloniale Erbe und die Kämpfe afro-brasilianischer, indigener und LGBTQIA+-Gemeinschaften. Retratistas do Morro gibt einen Einblick den Bestand von 250.000 Negativen der Fotografen João Mendes und Afonso Pimenta über den Alltag in Serra in Belo Horizonte, der größten und ältesten Favela Brasiliens. Diese Dynamik setzt sich mit der Ausstellung von Claudia Andujar fort, deren Aktivismus in den 1960er und 70er Jahre wurzelt, bevor sie ihre Arbeit dem indigenen Volk der Yanomami widmete. Der 1939 in São Paulo gegründete Foto Cine Clube Bandeirante (FCCB) schließlich illustriert eine entscheidende Phase der brasilianischen modernistischen Fotografie.
Territorien und ihre Veränderungen durchziehen inhaltlich auch andere Ausstellungen im Rahmen der Rencontres. „US Route 1“ beleuchtet ein unvollendetes Projekt von Berenice Abbott. Anna Fox und Karen Knorr setzen ihre Erkundung der legendären Straße fort, die Maine mit Florida verbindet, und enthüllen die tiefgreifenden Veränderungen in den Vereinigten Staaten – wirtschaftliche Umbrüche, Migrationskrise und Identitätsspannungen –, die durch die jüngsten politischen Umwälzungen verstärkt wurden.
Raphaëlle Peria, Preisträgerin des Programms BMW Art Makers, visualisiert Kindheitserinnerungen und führt uns an die Ufer des Canal du Midi.
Eine dem renommierten Fotografen Louis Stettner gewidmete Ausstellung erforscht seine Rolle als Vermittler zwischen amerikanischer Street Photography und französischer humanistischer Fotografie. Durch 150 Bilder und unveröffentlichte Dokumente entfalten sich sein soziales und politisches Engagement sowie die Vielfalt seiner künstlerischen Experimente aus einem neuen Blickwinkel.
Seine Bilder zeugen von einer tiefen Sensibilität für soziale Realitäten, ein Ansatz, den man auch im Werk von Letizia Battaglia findet. Die italienische Künstlerin hat mit unübertroffener Intensität die Gewalt der sizilianischen Mafia eingefangen und gleichzeitig die Schönheit und das Lebensgefühl Palermos hervorgehoben. Ihre Arbeit findet angesichts der zunehmenden Bedrohungen des investigativen Journalismus und der Pressefreiheit Aktualität – ein sensibles Thema, das Carine Krecké, Preisträgerin des Luxembourg Photography Award, aufgreift.
Als eine der bedeutensten Fotografen der Rencontres 2025 kehrt Nan Goldin, Preisträgerin des Prix Women In Motion 2025, mit einem neuen Projekt zurück nach Arles, das von ihrer unverwechselbaren, kompromisslosen visuellen Sprache zeugt, insbesondere in Bezug auf familiäre und freundschaftliche Bindungen.
Was Individuen verbindet, ergibt sich aus komplexen Beziehungen. Diana Markosian, Keisha Scarville, Camille Lévêque oder auch Erica Lennard erforschen diese verschiedenen Bindungen, die sowohl durch soziale, kulturelle als auch politische Dynamiken geprägt sind. Die Arbeiten von Carmen Winant und Carol Newhouse oder auch von Lila Neutre erweitern die Grenzen des Begriffs der Verwandtschaft, indem sie identitäre und emotionale Erbschaften integrieren und so die Grenzen zwischen biologischer und gewählter Familie dekonstruieren.
Agnès Geoffray hinterfragt die Geschichte von Erziehungseinrichtungen für minderjährige Mädchen in Frankreich durch ihre fotografische Neuordnung. Mit fast 10.000 anonymen Amateurfotos bietet die Sammlung von Marion und Philippe Jacquier ein umfangreiches Konvolut visueller Geschichten, in denen Intimes, Dokumentarisches und Ungewöhnliches miteinander verschmelzen. Diese Erkundung der Alltagsfotografie offenbart Fragmente vergangener Leben und Momentaufnahmen des Alltags. Die Verflechtung von Fotografie und anderer Disziplinen manifestiert sich schließlich in der Ausstellung „Yves Saint Laurent und die Fotografie“, konzipiert mit dem Musée Yves Saint Laurent Paris.
- LOUIS STETTNER Nancy jouant avec un verre, New York, vers 1958–1959. Avec l’aimable autorisation des Archives Stettner, Saint-Ouen. Exposition Le Monde de Louis Stettner (1922-2016).
- KEISHA SCARVILLE Surrogate Skin (ectoplasm), 2016. Avec l’aimable autorisation de l’artiste. Exposition Alma.
- LETIZIA BATTAGLIA Rosaria Schifani, veuve du garde du corps Vito Schifani, tué avec le juge Giovanni Falcone, Francesca Morvillo et ses collègues Antonio Montinaro et Rocco Di Cillo. Palerme. 1992. Avec l’aimable autorisation de l’Archivio Letizia Battaglia, Palerme. Exposition Letizia Battaglia – J’ai toujours cherché la vie.
Das Rahmenprogramm
Das Rahmenprogramm der Rencontres gliedert sich in zwei große Bereiche: Les Nuits (Abendveranstaltungen) und Les Jours (Tage voller Begegnungen und Diskussionen).
Die Abendveranstaltungen im Théâtre antique mit Projektionen, Musik und Performances finden am 8., 10. und 11. Juli (jeweils 21:45–23:30 Uhr) statt. Die Gruppe Gratte Ciel, bekannt für spektakuläre Hochseil-Performances, präsentiert jeden Abend kurze Luftakrobatik-Auftritte, die mit den projizierten Bildern interagieren.
In diesem Rahmen finden außerdem diverse Preisverleihungen statt: Mit dem Prix du Livre werden einmal mehr die besten Fotobücher des Jahres ausgezeichnet. Mit dem Prix Women in Motion wird Nan Goldin für ihr herausragendes fotografisches Werk gewürdigt. Mit dem Prix de la Photo Madame Figaro unterstützt Kering eine Fotografin aus dem Festivalprogramm. Der Prix Pictet zum Thema „Storm“ geht an einen der nominierten Künstler. Der LUMA Rencontres Dummy Book Award ist ein Preis für den besten Buchdummie, und der Prix Découverte der Fondation Louis Roederer setzt seinen Schwerpunkt auf aufstrebende Talente.
Die Nuit de l’Année findet am Samstag, 12. Juli, ab 21 Uhr auf den Plätzen und Straßen rund um den Place Voltaire und den Place Lamartine statt. Über 40 Projektionen werden in Dauerschleife auf Großbildschirmen gezeigt. Parallel finden Performances, DJ-Sets und Begegnungen statt.
Im Open-Air-Kino im Croisière wird ein Dokumentarfilm über Lucia Moholy, Fotografin des Bauhauses, zu sehen sein. Weitere Open-Air-Vorführungen werden im Tënk en Escale à Arles gezeigt.
Im Rahmen von Konferenzen, Debatten und Führungen stellen Fotografen und Kuratoren des Festivalprogramms ihre Arbeiten in verschiedenen Locations vor. Ab dem 8. Juli finden Vorträge, Podiumsdiskussionen und Gespräche im Cour Fanton und der Croisière zu Positionen, experimentellen Praktiken und der Rolle der Fotografie in einer sich verändernden Welt statt.
Die Arles Books Fair (8.–12. Juli) in der École nationale supérieure de la photographie und im Collège Saint-Charles präsentiert über 70 internationale Verlage. Mit Unterstützung der Fondation Jan Michalski pour l’écriture et la littérature findet vom 7.–11. Juli auch wieder ein Photo Folio Review mit internationalen Experten aus Verlagen, Galerien, Museen und Institutionen statt. Der beste Portfoliobeitrag wird mit einer Ausstellung bei den Rencontres 2026 belohnt. Im letzten Jahr gewann Patrick Wack mit seiner Serie „Azov Horizons“, die in der Abbaye de Montmajour zu sehen sein wird.
Fazit
Die Rencontres d’Arles ermöglichen auch 2025 wieder ein intensives Eintauchen in die Welt der Fotografie. Ob spektakuläre Luftakrobatik im Théâtre antique, Dokumentarfilme in lauen Sommernächten oder spannende Debatten über die Zukunft des Mediums – Arles wird zum Hotspot für alle, die die Fotografie in ihrer ganzen Vielfalt erleben möchten.
Die „ungezähmten Bilder“ versprechen eine künstlerische und kritische Auseinandersetzung mit aktuellen Themen, während das Festival selbst einmal mehr beweist, warum es seit Jahrzehnten ein Muss für Fotografie-Liebhaber ist.
Profifotografen können einen Festivalpass erwerben, der vom 7. bis 13. Juli zum dreimaligen Besuch aller Ausstellungen berechtigt. Außerdem enthalten: Der Zugang zu den Abendveranstaltungen im Théâtre Antique, Ermäßigung auf Kataloge und Festivalpublikationen und Möglichkeiten zur Vernetzung über die App der Rencontres. Die Badges können über die Website des Festivals beantragt werden:
https://www.rencontres-arles.com
- KOURTNEY ROY Marilyn Wig, 2019-2020. Série The Tourist, 2019-2020. Avec l’aimable autorisation de l’artiste / galerie Les filles du calvaire. Exposition La Touriste.