Nach der öffentlichen Kritik Düsseldorfer Fotografen an der Künstlerischen Leitung der dritten Edition der düsseldorf photo+, die vom 17. Mai bis 14. Juli 2024 stattfinden wird, haben die Organisatoren jetzt ihr Programm vorgestellt.
In einem Offenen Brief hatten Vertreter der lokalen Fotoszene ein unabhängiges, wechselndes Kuratorium für das Düsseldorfer Festival gefordert. Es sei nicht hinnehmbar, so die Kritiker, dass das Auswahl-Verfahren intransparent sei und bedeutende Künstler, Galerien, Kulturvereine und weitestgehend auch die freie Szene ausgeschlossen würden, so der renommierte Fotograf Horst Wackerbarth.
Was die beiden künstlerischen Leiter Pola Sieverding und Rupert Pfab jetzt ankündigen, ist ein Programm, das neben Fotografie vor allem medienbasierte Kunst in diversen Facetten präsentiert.
„Die Künstler reflektieren auf unterschiedlichste Art und Weise, wie Medien unser Verständnis von Wirklichkeit heute und in der Vergangenheit maßgeblich prägen“, so die Organisatoren. Konkret geht es um computergenerierte Bild- und Klangwelten, die die Biennale in den Kunstparcours einbinden und mit analog erzeugten audiovisuellen Wirklichkeiten verknüpfen will.
Insgesamt bietet die Biennale acht Wochen lang über 50 Ausstellungen und Veranstaltungen in Museen, Sammlungen, Galerien, freien Ausstellungsräumen und Hochschulen.
Am 17. Mai eröffnet die Ausstellung „Ways of Seeing” im düsseldorf photo+ Lab, gefolgt von einem Symposium am Eröffnungswochenende (18./19. Mai). Darüber hinaus soll es Kunst im öffentlichen Raum zu entdecken geben.
Die Ausstellung „Ways of Seeing“ beleuchtet mit einem Fokus auf verschiedene Situationen von Sur- und Sousveillance – Überwachung und deren Replik – die Frage, was es bedeutet zu sehen und gesehen zu werden.
Neben der Hauptausstellung sollen im düsseldorf photo+ in der Kapuzinergasse Interventionen, Performances und Veranstaltungen stattfinden, die einen Bogen von Fotografie über Sound hin zu Virtueller Realität und somit das Spektrum von düsseldorf photo+ spannen. Den Auftakt wird ANT!FOTO mit dem Release einer neuen Ausgabe ihres Magazins sowie einer Ausstellung, Artist Talk und DJ Set gestalten, gefolgt von der Präsentation einer VR Arbeit der Künstlerin Evelyn Bencicova in Kooperation mit dem Kuratoren-Kollektiv peer to space und der Research- und Ausstellungsplattform VR Radiance.
Das Symposium „On Reality“, eine Zusammenarbeit von düsseldorf photo+ und K21 Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, bringt am 18. und 19. Mai Experten aus Kunst, Wissenschaft, Philosophie und Medientheorie zusammen. Angesichts von computergenerierten Bildern, Augmented Reality und Künstlicher Intelligenz stelle sich heute mehr denn je die Frage nach dem Rollenverhältnis von Realität und Bild.
Im Rahmen der düsseldorf photo+ talks am 24. Mai, 7. Juni, 20. Juni, 11. Juli 2024 soll eine inhaltliche und analytische Debatte über die komplexen und sich ständig weiterentwickelnden Medien sowie ihre Auswirkungen auf Gesellschaft, Kultur und Individuen geführt werden. Zudem wollen die Organisatoren das Konzept der Biennale diskutieren.
Darüber hinaus präsentiert düsseldorf photo+ in Kooperation mit dem Salon des Amateurs am 29. Juni ein Panel zur Entstehung des mittlerweile legendären Clubs vor 20 Jahren. Dem Gespräch schließen sich zwei Konzerte sowie DJ-Sets an.
Wesentlich präsenter ist Fotografie dagegen im Ausstellungsprogramm. Allan Sekula beleuchtet mit seinen inzwischen historischen Fotografien in der Galerie Konrad Fischer kritisch soziale Strukturen in der US-amerikanischen Industrie-Arbeiterschaft. Ebenfalls retrospektiv angelegt ist die Gruppenausstellung in der Galerie boa basedonart, die gesellschaftliche Stereotype über das Motiv des Selbstportraits fokussiert. Sumi Anjuman liefert dazu eine zeitgenössische Ergänzung mit Blick auf die Ungleichheit der Geschlechter in der privaten Sammlung Philara. Soziologische Untersuchungen liefert auch Toby Binder mit dem Blick auf krisenhafte Milieus in der Galerie Clara Maria Sels. Der Ausstellungsraum von Julia Ritterskamp vertieft diesen Blick mit Andréas Lang, der das Thema Völkermord anhand der Geschichte der Armenier aufarbeitet.
Helmut Schweizer widmet sich schließlich der Absurdität und Grausamkeit des Krieges, unter Verwendung von Darstellungen der Apokalypse Albrecht Dürers in komplexen Bildcollagen bei Rupert Pfab.
Die Dimension der Medialität der Fotografie beleuchten die von Künstlern initiierten Ausstellungen „das vorphotographische“ im Projektraum Aura und die Ausstellung „Mortal Maps“ im Künstlerverein Malkasten. Die zeitgenössische digitale Lage im Zeichen von KI und Computertechnologie untersucht das Kollektiv darktaxa im Projektbüro DFI. Die Künstlerin Lynn Hershman Leeson verbindet in der Julia Stoschek Foundation mit ihrem Werk „Are Our Eyes Targets?“ unsere Gegenwart mit dem Diskurs über mediale Konstruktion Neuer Medien in den 1980er Jahren. Auch Kurt Dahlke aka Der Pyrolator ist eine zeitgemäße Rückwendung auf die interdisziplinäre audiovisuelle Kultur der 1980er Jahre bei SETAREH X, mit regionalem Bezug auf die Düsseldorfer Szene. Diesen Blick verstärkt VAN HORN mit Werken des Fotografen Andreas Fuchs, der im Rheinland lebende und wirkende Künstler portraitierte.
Mehrere Ausstellungen umkreisen Fragestellungen der Architektur. Nicolas Grospierre widmet sich im Polnischen Institut Düsseldorf dem Scheitern urbanistischer Großprojekte, die Galerie Kadel Willborn versammelt Positionen, die deren wahrnehmungspsychologische Aspekte ausleuchten und „Forthcoming“ im K21 Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen bietet einen interkontinentalen und interkulturellen Vergleich sozialer Utopien des Städtischen.
Komplementär richten Gabriele Rothemann in der Galerie Ute Parduhn den Blick auf die versehrte Fauna und Gudrun Kemsa im Stadtmuseum auf die beschädigte Natur mit lokalem Bezug zum Rhein im Stadtmuseum. Hier findet sich auch eines der beiden Projekte der Hochschule Düsseldorf, deren Studierende mit ihrem experimentellen Zugriff auf das Medium den Laborcharakter der Biennale beispielhaft verkörpern. Den Blick weit über das Regionale hinaus liefert die Galerie wildpalms, deren Ausstellung eine Begegnung von Kunst und Design mit Wirklichkeitskonzeptionen indigener amerikanischer Gemeinschaften zeigt.
Auf einer LED-Wand am Kö-Bogen wird über die gesamte Laufzeit erstmals auch der öffentliche Raum bespielt: In den ersten vier Wochen wird die Arbeit „Infoscreen at Bus Station Somewhere Near Planet Greyhound“ von Julia Scher gezeigt.
„Fotografie Neu Denken“ wird für die Biennale wieder eine Sonderedition des gleichnamigen Podcasts produzieren. Andy Scholz wird in fünf Folgen in die Gedanken und Fragestellungen eintauchen, die Künstler, Kuratoren und Theoretiker während der düsseldorf photo+ Talks und des Symposiums entwickeln