„Sichtbar oder unsichtbar – Ein Sommer der Enthüllungen“, so lautet das Motto der Rencontres d’Arles 2022, die vom 4. Juli bis zum 25. September stattfinden. Christoph Wiesner, Direktor der Rencontres, widmet das Programm des international renommierten Fotofestivals in diesem Jahr dem jahrzehntelangen Emanzipationsprozess von Fotografinnen.
Arles bietet, wie in jedem Jahr, auch 2020 eine Vielzahl an Ausstellungen und Events an unterschiedlichsten Locations der Stadt und darüber hinaus der gesamten Region im Süden Frankreichs. Die Eröffnungswoche findet vom 4. Bis 10. Juli statt. Zentrales Thema des Programms sind Ausstellungen anerkannter, ebenso wie vergessener oder unbekannter Fotografinnen und nicht zuletzt auch jener junger Talente. So gibt die Präsentation der in Frankreich noch unveröffentlichten Sammlung Verbund im Atelier de la Mécanique Einblick in eine feministische Avantgarde der 1970er Jahre, für die die Fotografie eines der wichtigsten Ausdrucksmittel der Emanzipation war.
Fotokünstlerinnen wie Cindy Sherman,ORLAN, Helena Almeida und Martha Wilson stehen für eine ganze Generation, die den Weg zur Anerkennung weiblicher Fotografen ebneten. Tanz trifft in der Kirche St. Anne im Herzen der Stadt auf Performance im New York der 1970er Jahre, wo die Filmemacherin und Fotografin Babette Mangolte die vielfältige Szene dokumentierte, die von Trisha Brown, Richard Foreman, Lucinda Childs, Robert Wilson und Simon Forti geprägt wurde, um nur einige Namen zu nennen. Sie entwickelt eine Bildsprache, die auf der Subjektivität der Kamera beruht und in der der Zuschauer eine zentrale Rolle einnimmt.
Vor der Kamera von Susan Meiselas findet eine andere Performance statt: Körperfragmente treffen auf die musikalische Kompositionen von Marta Gentilucci. „Es ist die Geschichte eines vierhändigen Stücks, in dem Energie und Schönheit den Lauf der Zeit überwinden“, so Christoph Wiesner.
Im Saal Henri-Comte wird im Rahmen der Rencontres das einzigartige Werk von Bettina Grossman zu entdecken sein. Sie lebte ab 1970 im legendären Chelsea Hotel, baute ihr Werk auf einem komplexen System der Selbstreferenzierung auf, das Fotografien, Videos, Skulpturen, Gemälde und Textildesign umfasste.
Frida Orupabo prangert in ihren Bildern die Brutalität der bildlichen Darstellung schwarzer Körper im Laufe der Geschichte an und dekonstruiert Stereotypen in Bildern aus dem Internet und ihrem Familienarchiv. In Fortsetzung dieser kritischen Perspektive werfen die jungen Kuratoren von Untitled Duo in der Ausstellung Si un arbre tombe dans une forêt einen forschenden Blick auf das individuelle und kollektive Gedächtnis, das aus dem Kolonialismus und den Traumata der Andersartigkeit hervorgegangen ist.
Die Ausstellung über James Barnor in der LUMA zeigt zum ersten Mal in Frankreich eine Auswahl seiner ikonischen Bilder in Verbindung mit Zeitdokumenten. Die Karriere des Fotografen verlief zwischen seiner Heimatstadt Accra, wo er am Ende der Kolonialzeit sein erstes Studio eröffnete, und London, wohin er später zog, bevor er zwischen den beiden Kontinenten hin- und herpendelte.
Umweltthemen sind weitere Ausstellungen gewidmet. Während uns Ritual Inhabitual vor der schwindelerregenden Ausbreitung des industriellen Holzeinschlags in Chile warnt, dokumentiert Bruno Serralongue den noch immer andauernden Kampf des Volkes der Sioux um den Schutz ihres angestammten Landes vor der Expansion der Industrie.
Im Kloster Saint-Trophime wird in diesem Jahr zum ersten Mal der Gewinner des Stipendiums ausgestellt, das in Zusammenarbeit mit dem Serendipity-Festival in Goa vergeben, während der Prix Découverte Louis Roederer in der Kirche Frères-Prêcheurs im Herzen der Stadt zu sehen ist.
Gaëlle Morel wirft ein neues Licht auf das fotografische Schaffen von Lee Miller, einer Fotografin, die mehr war als nur die Muse, die man in ihr sah. Die Ausstellung zeigt sowohl ihre Studio- und Auftragsarbeiten von 1932 bis 1945, wie auch ihre Arbeit als Kriegsfotografin bei der Befreiung der deutschen Konzentrationslager.
Die Ausstellung Un Monde à Guérir, eine Koproduktion mit dem Internationalen Rotkreuz-Museum, wirft einen kritischen Blick auf 160 Jahre humanitäre Fotografie.
Das diesjährige Plakat des Festivals zeigt eine Fotografie von Mitch Epstein, dessen Ausstellung En Inde, 1978-1989, in der Abtei von Montmajour zu sehen ist.
Filmvorführungen, Konzerte, Performances finden während der Eröffnungwoche im antiken Theater der Stadt und anderen Orten wie der Industriebrache der Papierfabrik Etienne statt, wo am 9. Juli erstmals seit zwei Jahren wieder die NUIT DE L’ANNÉE zu einem visuellen Spaziergang durch etwa fünfzig fotografische Positionen einlädt, die in einer Endlosschleife auf mehreren Großbildschirmen gezeigt werden.
Seit über 15 Jahren bietet die Photo Folio Review & Gallery die Möglichketien zu Portfolio-Sichtung während der der Eröffnungswoche an. Die Veranstaltung richtet sich an Berufsfotografen, Studenten sowie Fotoenthusiasten. In diesem Jahr stehen rund 130 internationale Expertinnen und Experten für rund 300 Termine vor Ort zur Verfügung, die im Vorfeld über die Webseite der Rencontres vereinbart werden können. Dort finden sich auch Informationen zum umfangreichen Workshopprogramm und zu Festival-Tickets im Vorverkauf.
https://www.rencontres-arles.com/fr
Foto: Mitch Epstein. Ahmedabad, Gujarat, Inde, 1981.
Avec l’aimable autorisation de Black River Productions, Ltd., Galerie Thomas Zander et l’artiste.
Design : ABM Studio.