Mit rund 35 Ausstellungen wollen die Rencontres d’Arles vom 29. Juni bis September trotz Coronarkise zum 51. Mal einen Überblick des zeitgenössischen fotografischen Schaffens bieten.
Nachdem die Rencontres d’Arles im Jahr 2019 ihr 50-jähriges Bestehen gefeiert haben, sind die Organisatoren derzeit optimistisch, dass es im Juli die 51. Ausgabe des Festivals geben wird, auch wenn angesichts der Coronakrise zumindest leise Zweifel angebracht wären.
Sam Stourdzé, seit 2014 Festival Direktor, ist in diesem Jahr letztmals für das Programm verantwortlich, bevor er seiner Berufung zum Leiter der Französischen Akademie der Villa Medici in Rom folgen wird. In den letzten sechs Jahren hat er den Dialog zwischen Fotografie und zeitgenössischer Kunst, Musik, Kino und Literatur gefördert und damit immer mehr Menschen in die Ausstellungen gelockt.
Als übergeordnetes Thema einer letzten Rencontres hat Stourdzé in diesem Jahr den Begriff “Widerstand” gewählt: „Denn es gibt eine Fotografie, die Widerstand leistet, aufsteht, sich widersetzt, anprangert, befreit, neu spielt, neu erfindet und neu verzaubert”, so der Festival-Direktor.
Auf dem Programm steht unter anderem Charlotte Perriand, eine Architektin, die an ein besseres Zusammenleben glaubte und sich der Fotografie bediente, um ihren Standpunkt zu verdeutlichen. Ihre Sammlung wird in Arles erstmals der Öffentlichkeit in großem Umfang präsentiert.
Ebenfalls zu sehen: Chow und Lins zeitgenössische Arbeiten über Armut – ein Treffen zwischen einem Ökonomen und einem Fotografen mit unterschiedlichen geographischen und historischen Standpunkten.
Die Kuratorin Justinien Tribillon und das Offshore Studio (Isabel Seiffert und Christoph Miler) nehmen mit der Ausstellung „Infrastruktur“ eine Neubewertung vor, in der sieben junge Fotografen die Relevanz unserer Vermögensindikatoren in Frage stellen.
Aber das diesjährige Festival lässt auch Raum für Träume, vor allem in Katrien De Blauwers zarten Collagen, und die Bilder heraufbeschwören wie die von Raymond Cauchetier.
Dieses Jahr feiert der Fotograf seinen 100. Geburtstag, indem er die Türen seines Archivs öffnet. Im Jahr 1959 verewigte er Godards Meisterwerk Atemlos und fotografierte Stars wie Jean-Paul Belmondo und Jean Seberg. Sam Stourdzé: “Das Nachkriegs-Frankreich boomte, produzierte und konsumierte, keine Fragen wurden gestellt. Das Fernsehen war noch nicht in die Haushalte eingedrungen, und um mit der steigenden Nachfrage nach billigen, illustrierten Publikationen Schritt zu halten, fotografierte Cauchetier in zügigem Tempo Fotoromane. Aus Italien importiert, fesselten diese kurzen Geschichten, die wie ein Film in Dutzende von Standbildern zerlegt wurden, jede Woche Millionen von Lesern”, so der Film-affine Kurator.
Arles ist aber nicht nur eine Reise durch die Zeit, in diesem Jahr lüften die Rencontres außerdem den Schleier zweier wenig bekannter Orte: Nordkorea und Sudan, von denen wir kaum Bilder haben und keine Fotografen kennen. Nordkorea ist sicherlich das am meisten verschlossene Land der Welt, doch der in Arles in diesem Jahr zu sehende Fotograf Stéphan Gladieu war seit 2017 fünf Mal dort.
Der Sudan hat sich gerade nach einer 30-jährigen Diktatur geöffnet und die Pressefreiheit wieder hergestellt. In Arles werden acht Fotografen ausgestellt, die mit ihren Bildern diese Revolution dokumentiert haben.
Sam Stourdzé: „In den letzten sechs Jahren mussten wir kämpfen, uns neu erfinden, und dabei trotzdem für einen reibungslosen Ablauf des Festivals sorgen. Aber angetrieben von der Energie eines außergewöhnlichen Teams, dem unermüdlichen Enthusiasmus der Künstler und der außergewöhnlichen Unterstützung des Publikums, war die Organisation der Rencontres jeden Tag eine Quelle der Freude. Ich verlasse Sie schweren Herzens.”
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