Das Festival zeigte in 400 Ausstellungen von 2.100 Fotografen mit 20.000 Bildern eine beeindruckende Vielfalt der Fotografie. Die Veranstalter schafften einen großartigen Spagat zwischen populärer, angewandter und künstlerischer Fotografie, so wie zwischen ganz jungen Positionen und historischer Aufarbeitung ganzer Archive. An circa zehn verschiedenen Orten, vom Kloster bis zu Fabrikbrachen, wurden im alten Stadtzentrum, welches zum UNESCO Weltkulturerbe gehört, Bilderschauen installiert. Auffällig war, dass trotz eines immer weiter fortschreitenden Gigantismus auch viele kleine Arbeiten gezeigt wurden. Zum Konzept des künstlerischen Leiters Zhang Guotian gehört die internationale Präsenz dezidiert künstlerischer Ansätze. Jedes Jahr werden circa 40-50 internationale Gäste eingeflogen. Alasdair Foster aus Australien zeichnete in diesem Jahr für eine hervorragende Auswahl lateinamerikanischer Fotografie und ihrer exzellenten Präsentation verantwortlich. Cecilia Paredes Serie „Background Stories“ führt den Betrachter in Suchbilder von Akten vor floralen Tapeten oder Wandteppichen. Die in Philadelphia lebende Künstlerin versteht es auf clevere Weise, südamerikanischen Dschungel, Farbenpracht und Blumenduft mit einer Bildsprache malerischer Naivität so mit dem Abbild des Körpers zu verweben, dass man selbst im Farben- und Blumenrausch versinkt. Zu Recht erhielt sie dafür einen der begehrten fünf Preise des chinesischen Festivals. Ebenfalls aus Australien kam eine Präsentation von Moshe Rosenzveig vom Headon Festival, Sidney. Die Auswahl des jährlich stattfindenden Porträtpreises ließ erkennen, welch Qualitäten es in der australischen Fotografie zu entdecken gibt. Importiert wurde auch eine Ausstellung baltischer und nordischer Fotografie aus dem Programm der Kulturhauptstadt Riga.
Bei den Chinesen zeigte Wu Zhengzhong in seiner formal angelegten Serie einen neuen Badetrend Chinas: Frauen gehen schwimmen, wollen aber entweder nicht erkannt werden oder folgen der Idee der Maskierung, wie man sie aus der Pekingoper, modernen Cosplays oder auch aus anderen Kulturen kennt. In der stringenten Serie der Masques treffen Badekappen als Latexmasken auf den leicht diesigen Horizonts des Chinesischen Meers. Manchmal musste man jedoch auch in Pingyao etwas „graben“ um die spannenden Sachen zu finden. Auf dem fast unübersichtlichen Gelände einer Baumwollfabrik konnte man in vielen kleinen Räumen Schätze wie den fast humorvollen Patriotismus der Xiaoujun Guoentdecken, oder die intelligenten Bilder von Fanshun Zan. Fan stellt Fotoleinwandhintergründe her und arrangiert seine Protagonisten passend dazu.
Von Thomas Kellner
Fotos (von oben nach unten): Cecilia Paredes ‘Paradise’ 2009; Rosanna Hanson