Seit gut einem Jahr ist der ehemalige Sony-Manager Thilo Röhrig Geschäftsführer von Europas größtem Fotohändlerverbund Ringfoto. Mit ProfiFoto sprach er über die aktuelle Entwicklung am Fotomarkt.
ProfiFoto: Vor ein paar Jahren wurde dem Fotofachhandel keine positive Entwicklung vorhergesagt. Jetzt konnte er seinen Anteil am gesamten Fotomarkt nochmals steigern konnten und steht für fast 70% des Marktvolumens. Wo liegen hier die Ursachen?
Thilo Röhrig: Die sehr gute Entwicklung des Fotofachhandels liegt vor allem an dem Trend zu immer höherwertigen Kameraprodukten und damit verbundene System- und Zubehörumsätze. So machen zum Beispiel Objektive und Video-Zubehör heute einen wichtigen und wesentlich höheren Umsatzanteil aus als noch vor fünf Jahren.
ProfiFoto: Viele in der Fotobranche kennen Ringfoto als Einkaufsgenossenschaft für den Fotofachhandel. Wie definieren Sie die Rolle von Ringfoto?
Thilo Röhrig: Natürlich sind wir nach wie vor eine Kooperation, die sich auch um den bestmöglichen Einkauf von Waren für ihre Mitglieder kümmert. ABER: wir haben uns mittlerweile zum wesentlich breiteren Dienstleister entwicklet. Ringfoto ist für seine Mitglieder Partner im Bereich Einkauf, Logistik, Finanzdienstleistungen, Marketing und Trainings/Weiterbildungsunterstützung. Auch sagen wir, dass wir in beide Richtungen sowohl Ringfoto Händler wie auch Industrie immer einen Mehrwert liefern wollen.
ProfiFoto: Insgesamt gibt es seit einigen Jahren ein Wettrennen um die Übernahme traditioneller Fachhändler durch große Player. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Thilo Röhrig: Das ist nicht verwunderlich sondern ein ganz natürlicher Trend, der sich in vielen Branchen abzeichnet. Als Kooperation ist uns natürlich aber daran gelegen, möglichst viele eigenständige Partner und Gesellschafter mit flächendeckender nationaler Shop-Präsenz im Markt zu erhalten. Das ist bei Ringfoto auch nach wie vor die Mehrheit der Mitglieder. Im übrigen sind ja alle übernommenen Geschäfte auch weiterhin Ringfoto Mitglieder, so ist nichts „verloren“ gegangen und die Anzahl von Geschäftsschließungen/Aufgaben bewegt sich deutlich unter fünf Prozent im Jahr 2022.
ProfiFoto: Mitte Oktober hat die Ringfoto wieder zu seiner Fotomesse nach Heilbronn eingeladen. Wäre es nicht sinnvoll, stattdessen die PHOTOPIA dafür zu nutzen?
Thilo Röhrig: Das ist sicherlich eine Option für die Zukunft, die wir auch ernsthaft besprechen. Stand heute haben wir aber hier noch keine konkreten Pläne.
ProfiFoto: Während die Umsätze mit Digitalkameras von Januar bis September um 6,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zulegten, konnte der Fotofachhandel diese Entwicklung mit einem Plus von 15,3 Prozent noch toppen. Wie erklärt sich das?
Thilo Röhrig: Das hängt mit dem Trend zu immer höherwertigen Kameraprodukten zusammen, die eher beim Fachhandel als beim restlichen Handel erworben werden. Im Zusammenspiel mit Beratung, Mehrwertdiensten und Kundenbindung schaffen wir hier eine bessere Kundenakzeptanz als Wettbewerbskanäle.
ProfiFoto: Bei Objektiven wuchs der Gesamtmarkt im selben Zeitraum nur um 0,4 Prozent, im Fotohandel immerhin um 4,1 Prozent. Warum verkaufen sich Kameras aktuell besser als Objektive?
Thilo Röhrig: Im letzten Jahr war es in der Tat der Objektivmarkt, der mit fast 20 Prozent Wachstum stark zu unserem Erfolg beigetragen hat. In diesem Jahr gab es aber einige neue Kamera-Bodies, die wiederum den Kamera-Markt beflügelt haben.
ProfiFoto: Voigtländer als Ringfoto-Eigenmarke hat mit einem Plus von knapp 20% deutlich stärker zulegt als der Objektivmarkt insgesamt, und das mit MF-Objektiven. Wie kann das sein?
Thilo Röhrig: Wir haben noch viel vor mit unserer eigenen Marke Voigtländer und das Potenzial ist riesig. Ehrlich gesagt haben wir erstmals richtig Fokus auf unser Line-up gelegt und mit einem neuen Vertriebsvertrag sowie Unterstützung der Händler ein Konzept zur erfolgreichen Vermarktung geschaffen. Unsere Ziele liegen aber wesentlich höher! Wir wollen mittelfristig einen Marktanteil von fünf Prozent am Objektivmarkt erreichen. Der Trend zu mehr Individualismus und kreativem Arbeiten trägt hier sicher zu unserer positiven Entwicklung bei. Aber auch neue spannende Produkte wie das erste Voigtländer Canon RF-Objektiv eröffnet uns neue Märkte und Potenziale.
ProfiFoto: Ein noch größeres Mirakel ist der Zuwachs bei Kompaktkameras bei Ringfoto in Höhe von 31,6%. Jetzt fordern Sie sogar mehr Produkte in diesem eigentlich sterbenden Segment von den Herstellern?
Thilo Röhrig: Das „Sterben“ des Segmentes haben wir im Fotofachhandel immer bestritten. Natürlich haben Smartphones einen erheblichen Anteil an dem Rückgang von Kompaktkameras, keine Frage. Allerdings wurde von der Industrie viel zu früh hier entschieden, das Segment nicht mehr bedarfsgerecht zu bedienen – das ist der Grund, warum dieses Segment derzeit so aussieht, als würde es „sterben“. Wir sehen nach wie vor ein großes Marktpotential, durch die regelmäßigen Nachfragen der Kunden in unseren Geschäften. Im speziellen Travelzoom und höherwertige Kompakte mit klaren Mehrwerten gegenüber Smartphone Lösungen fragen wir regelmäßig bei der Industrie an. Wir sehen hier ein Jahrespotential von über 20 Millionen Euro Umsatz – andere Branchen würden sich wünschen, solche Potenzialmärkte zu haben.
ProfiFoto: Wachstum zeigen nach Ihren Angaben außerdem Videoprodukte (+30,5%) sowie Videozubehör (+11,3%). Welche Anteil haben diese Produktgruppen am Gesamtumsatz?
Thilo Röhrig: Ja, der Trend zum Bewegtbild ist klar erkennbar und schon jetzt ein wichtiges Wachstumsfeld für unsere Händler. Aber wir haben hier auch noch mehr Potenzial. Im Segment der Systemkameras/Foto haben wir mit 70 Prozent eine deutliche Marktdominanz. Bei Video sieht dies etwas anders aus. Zum einen können wir ja leider basierend auf GfK Zahlen keine Trennung im Hybrid-Kamera-Markt eindeutig definieren. Bezüglich der Nutzung als Kamera oder Videodevice wissen wir aber, dass zum Beispiel im Markt der Drohnen und Actioncams auch andere Kanäle derzeit eine wichtige Rolle spielen. Hier werden wir auch nochmals ansetzen, um unseren Anteil zu erhöhen.
ProfiFoto: Welche Erwartung haben Sie für das vierte Quartal des laufenden Jahres?
Thilo Röhrig: Das Feedback auf unserer Fotomesse war sehr positiv – aber natürlich können wir weltweiten Entwicklungen und neue Kriege und Krisen nicht komplett ausblenden. Das bleibt neben dem furchtbaren Schicksal für die direkt betroffenen Menschen natürlich auch ein Risiko für alle Märkte, welches wir derzeit schlecht einschätzen können.
ProfiFoto: Es gibt eine neue Ringfoto Academy. Was steckt dahinter?
Thilo Röhrig: Die Academy ist für uns ein wichtiges strategisches Element, das uns als Fachhandelsorganisation auch zukünftig im Markt den Know How Vorsprung der Verkäufer unserer Mitglieder sichern soll. Das wichtigste an einem Fachhandelsgeschäft ist der ausgebildete und bestinformierte Verkäufer hinter dem Tresen oder am Telefon. Um das sicherzustellen investieren wir in das Ringfoto Campus hier in Fürth und einen neuen breiteren Trainingsplan mit neuen Inhalten und noch regelmäßigeren Angeboten. Das ganze als Halbjahresplan zur besseren und langfristigen Planung für unsere Mitglieder.
ProfiFoto: Wo liegen Ihrer Einschätzung nach strategische Entwicklungsfelder für den Fotohandel?
Thilo Röhrig: Das Kamerageschäft bleibt unser Kerngeschäft. Darüber hinaus sehen wir aber Potenziale im Videomarkt, Bilderdienste (Fotobücher, Wand-Dekoration, Fun-Produkte) sowie dem Passbildgeschäft. Diese vier Säulen sind für 2024/2025 sichere Märkte mit Potenzial für Wachstum.
ProfiFoto: Das E-Passbild Konzept wird von einigen Fotostudios kritisch bewertet. Wie ist hier aktuell der Stand der Dinge?
Thilo Röhrig: Die vom Gesetzgeber geplante Einführung des E-Passbild war anfangs sicherlich für uns eine schwer einzuschätzende Veränderung für unser Geschäft. Heute, nachdem wir uns mit einem gesetzes-konformen Cloud-System auf die neue Situation eingestellt haben und auch andere Lösungen wie zum Beispiele Führerscheine über die gleiche Lösung abwickeln können, sehen wir darin eher eine Chance und wichtige Sicherung des Geschäfts für weitere Jahre im Fotofachhandel. Wir starten im kommenden Frühjahr mit der Pilotierung in ersten Geschäften und Behörden und haben somit ein gutes Jahr Zeit, unser System in den Markt zu bringen, bis das Gesetz und der neue Prozess offiziell in Kraft treten.