Christof Bergmann ist seit Jahrzehnten einer der profiliertesten Macher im Fotohandel. Mitten im Corona-Lockdown stieg er in die Geschäftsführung der FOTOPROFI GmbH ein. Mit ProfiFoto sprach er über die aktuelle Lage im Fotobusiness.
ProfiFoto: Die Coronakrise hat nicht zuletzt die Fotobranche schwer getroffen. Wie beurteilst Du die Auswirkungen auf Fotoindustrie und -handel?
Christof Bergmann: Über alle Branchen hinweg sehe ich, dass wer krank in die Corona Krise gelaufen ist, durch deren Auswirkungen nicht gesund herauskommen wird. Als erstes prominentes, wenn auch branchenfremdes Beispiel, möchte ich hier die Restaurantkette Vapiano nennen. Da gab es vorher schon Probleme, und Corona war hier wie ein Brandbeschleuniger, aber nicht die Ursache.
Die Fotobranche ist sicher in vielen Bereichen auch nicht gesund. Über Jahre rückläufige Umsätze zeigen ihre Folgen und so sehe ich, dass wir auch in unserer Branche Auswirkungen erleben werden, sowohl auf Händler-, als auch auf Herstellerseite.
Manche Auswirkungen sind heute bereits spürbar. So sehen wir reduzierte Aktivitäten einiger Hersteller und Händler, was ich persönlich für kontraproduktiv halte und was zu Langzeitschäden führt.
ProfiFoto: Du warst maßgeblich an der Bildung der United Imaging Group beteiligt. Wird Europas größter Fotohandelsverbund die Krise überstehen?
Christof Bergmann: Um das vorweg zu sagen, ja da bin ich fest davon überzeugt. Ich möchte mir allerdings gar nicht vorstellen, wie es aussähe, wenn wir das nicht gemacht hätten und wenn die beiden bisherigen Verbundgruppen Fotoco und Ringfoto separat in die Krise gelaufen wären. Als eine große Gruppe konnte man gestärkt gemeinsam mit den Herstellern in der Corona Zeit Lösungen finden und Aktivitäten vorbereiten.
Ich war seit vielen Jahren überzeugt, dass in irgendeiner Form ein Zusammenschluss der Gruppen notwendig war. Das habe ich bereits während meiner Zeit als Calumet Geschäftsführer immer wieder kommuniziert. Als ich dann in 2018 die Chance hatte, diesen Schritt aktiv mitzugestalten, habe ich diese genutzt. Das war keine leichte und oft auch keine angenehme Aufgabe. Es war in einigen Fälle ein Kampf gegen harte Widerstände, denn es gibt immer Menschen, die sich Veränderungen gegenüber verschließen und nicht wahrhaben wollen, dass die Marktentwicklung und die Änderungen im Kaufverhalten eine andere Arbeitsweise erfordern als in einer Zeit, als Foto ein wachsender Massenmarkt war. Wer da heute noch anders denkt, versteht die Entwicklung der Branche nicht.
ProfiFoto: Olympus will seine Imagingsparte verkaufen. Wie schätzt Du die Erfolgsaussichten einer Fortführung ein?
Christof Bergmann: Ich bin schon sehr lange in der Branche und Olympus war einfach immer ein Teil dessen. Man kann sich schwer vorstellen, dass eine solche Marke nicht mehr da ist. Aber auch das ist eine Folge der Marktentwicklung in den letzten Jahren und hat aus meiner Sicht nichts mit der aktuellen Corona Krise zu tun.
Ob die Fortführung in der Hand von Investoren gut ausgeht, hängt von mehreren Faktoren ab. Ein wichtiger Faktor wird sein, ob eine solche Gruppe Zugang zu der notwendigen Technologie haben wird. Dazu wird wichtig sein, dass eine solche Gruppe den Markennamen Olympus weiter nutzen darf. Und der wichtigste Punkt ist, dass eine solche Gruppe mit einer ganz anderen Denkweise rangeht, als ein Hersteller, der technologiegetrieben Produkte entwickelt und dann sieht, wer die Zielgruppe ist. Der ideale Weg wäre, unter sehr früher Einbindung des Handels, der die Kunden und Zielgruppen am besten kennt, Vertriebskonzepte zu entwickeln.
Unter den Voraussetzungen hat ein solches Projekt durchaus eine Chance. Einfach wird es nicht. Ich wünsche hier allen Beteiligten viel Erfolg dabei, auch weil viele der Ansprechpartner hier und in der Olympus Zentrale langjährige Geschäftspartner sind, die auch jetzt sehr engagiert sind.
ProfiFoto: Die Verkaufszahlen bei Systemkameras waren schon vor der Krise unter Druck. Welche Marken haben aus Deiner Sicht das größte Zukunfts-Potential?
Christof Bergmann: Zukunft haben insbesondere die, die selbst über eigene Technologie verfügen. Idealerweise sollten diese zusätzlich eine gewisse Diversifikation in andere Branchen haben, um nicht nur von der Fotografie finanziell abhängig zu sein und um auch aus anderen Geschäftsbereichen Technologien zur Verfügung gestellt bekommen.
Dazu kommt aus meiner Handelssicht das Vertriebskonzept. Nur wer den Handel in seine Aktivitäten einbindet und dem Handel entsprechende Margen ermöglicht, wird dort erfolgreich vertreten. Speziell das wird bei einigen Herstellern unterschätzt, während andere genau das verstanden haben und man sieht, dass deren Zahlen sich besser entwickeln.
ProfiFoto: Du selbst bist einer der Geschäftsführer der FOTOPROFI GmbH, dem umsatzstärksten Fotofachhändler in Baden-Württemberg mit aktuell acht Filialen. Welche Strategie verfolgt der Zusammenschluss südwest-deutscher Fachhändler und gehört die Zukunft im Fotohandel eher den kleinen, inhabergeführten Händlern oder großen Ketten?
Christof Bergmann: Die Fotoprofi GmbH ist ein sehr junges Unternehmen, das 2018 durch den Zusammenschluss mehrerer Fotofachhändler in Baden-Württemberg entstanden ist und heute den umsatzstärksten Fotofachhändler in Baden-Württemberg bildet. Wir beschäftigen derzeit ca. 120 Mitarbeiter. Diese lokalen erfolgreichen Fotofachhändler Hobby-Foto Ludwigsburg, Fotomarkt Tübingen, Foto Frenzel in Ulm, Foto-Planet Stuttgart und die Filialen waren im Eigentum von insgesamt vier Familien und haben bereits über viele Jahre Projekte in einer gemeinsamen Kooperation gemacht. Das älteste Unternehmen, Foto Frenzel, baut hierbei auf einer 100-jährigen Firmenhistorie auf.
Jetzt ist die nächste Generation der Familienmitglieder angetreten. Die Fotoprofi GmbH ist im Eigentum von zwei Familien, die jeweils aus der neuen Generation einen Geschäftsführer stellen. Gemeinsam mit den Kollegen David Primm und Julius Raether sind wir drei die Geschäftsführer der Fotoprofi GmbH.
Die Kollegen haben sehr schnell erkannt, dass man in Zukunft eine gewisse Unternehmensgröße braucht, um bei Herstellern und Kunden relevant zu sein. Auch braucht es eine einheitliche Marke. Die Marke Fotoprofi soll zeigen: hier sind Profis am Werk, die ihr Business verstehen, hier wird seriöser Fotofachhandel betrieben, mit guten Ladenlokalen, die zum Einkauf einladen, mit gut ausgebildeten Fachverkäufern und einem umfangreichen Produktsortiment, das sofort zum Mitnehmen vor Ort ist. Neben acht attraktiven Ladenlokalen wurde selbstverständlich ein professioneller Webshop in das Gesamtkonzept integriert.
Unser interner Arbeitstitel ist `Startup mit 100-jähriger Tradition´, und das spiegelt sehr gut unsere Arbeitsweise wider. Einerseits jung mit neuen Ideen, andererseits sehr erfahren, um die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Meine bisherige berufliche Laufbahn als Geschäftsführer in Handelsunternehmen fand in Unternehmen statt, die in der Hand von Finanzinvestoren waren. Das war eine sehr interessante Zeit. Heute aber in einem wirklich mittelständischen Familienbetrieb das Unternehmen weiterzuentwickeln, ist in vielen Dingen eine ganz andere Arbeitsweise, bei der sich meine unternehmerische Denkweise mit der langfristigen Denkweise eines Familienbetriebs absolut deckt.
ProfiFoto: In diesem Sommer sind viele Kameraneuheiten vorgestellt worden, allen voran die neuen Canon EOS R-Modelle. Sind diese Innovation das, was Kunden überzeugt?
Christof Bergmann: Mir hat die Art der Einführung der Neuheiten der Canon EOS R-Modelle sehr gefallen. Über Monate wurden immer weiter News an die Kunden gegeben, die Kunden heiß machen sollten auf die neuen Produkte. Dann mit sehr viel Aufwand eine sehr gut koordinierte Online-Produkteinführung. Wir haben uns sehr gerne an diesen Aktivitäten zum Beispiel mit unserem Produktvideo beteiligt, das bereits am Vorstellungstag zur Verfügung stand.
Die Quoten der Vorbestellungen zeigen, dass diese Modelle den Erfordernissen des Marktes entsprechen, sie treffen den Nerv des Marktes. Weitere Neuheiten wie Kameramodelle beziehungsweise Kits für die sogenannten Vlogger sind ebenfalls genau das, was der Markt braucht, auch wenn es eine ganz andere Zielgruppe ist als für die vorgenannten Kameras.
Grundsätzlich gilt, bei Produkteinführungen ist es sehr wichtig, dass die Hersteller gemeinsam mit den relevanten Händlern die Produkteinführung planen und durchführen. Nur so schlägt der Erfolg umgehend bis zum Endkunden durch.
ProfiFoto: Nach den photokina-Absagen 2019 und – coronabedingt – 2020: Welche Art von Messen und Events braucht die Fotobranche zukünftig?
Christof Bergmann: Die Fotobranche muss sich bei allen Messen und Aktivitäten auf fotografische Anwendungen konzentrieren, um relevant für die Endkunden zu sein. Einer reiner Technikauftritt der Hersteller wird Kunden nicht auf teure Messen treiben.
Der Erfolg von zielgerichteten Veranstaltungen, als Beispiel sei der Naturfotoevent in Zingst genannt, zeigt genau das. Kunden denken in ihren Anwendungen und sie gehen dahin, wo sie meinen, dass man dort diese Anwendung versteht und man dafür das Fachwissen hat.
Eine Messe wie die photokina in der bisherigen Form verursacht immense Kosten und alle Hersteller stehen massiv unter Kostendruck. Dagegen standen nie direkte Verkäufe. Ein geschicktes System, dass gemeinsam von Handel und Industrie getragen würde und einen direkten Verkauf auf der Messe ermöglicht würde der photokina helfen, attraktiver zu werden und den Verantwortlichen etwas Druck auf der Kostenseite nehmen.
ProfiFoto: Fünf Monate vor Jahresende: Was muss passieren, damit 2020 für die Fotobranche positiv endet?
Christof Bergmann: Wie sagt man, jeder ist seines Glückes Schmied. Jeder für sich muss aktiv am Markt sein und das gilt jetzt mehr denn je. Ich habe viele Marktteilnehmer während des Lockdowns gesehen, die in einer Art Schockstarre jegliche Aktivitäten eingestellt haben. Wer das gemacht hat, wird das nur sehr schwer aufholen können.
Um das Jahr halbwegs gut zu Ende zu bringen, ist eine gute Lieferlage der Hersteller erforderlich, insbesondere bei den Neuheiten. Derzeit spürt der Handel durch den Corona Effekt große Lieferschwierigkeiten aufgrund von direkten Kapazitätsproblemen bei den Herstellern oder durch fehlende Möglichkeiten des Transports wegen der Behinderungen im Flugverkehr.
ProfiFoto: Der stationäre Fotohandel war bis zum Lockdown eine Erfolgsgeschichte der Fotobranche. Hat er das Potenzial, jetzt wieder daran anzuknüpfen?
Christof Bergmann: Der Fotofachhandel in Deutschland war in der Tat eine Erfolgsgeschichte. Wie die GFK berichtet hat, ist der Marktanteil des Fotofachhandels stetig gestiegen. Der Lockdown hat das natürlich unterbrochen, und auch die Auswirkungen der derzeitigen Vorschriften helfen nicht unbedingt, ein Kauferlebnis im stationären Fachhandel zu gewährleisten. Maskierte Kunden reden mit maskierten Verkäufern, maskierte Kunden haben nicht unbedingt Lust, durch das Sortiment im Laden zu stöbern. Damit müssen alle leben, und unter diesen Umständen läuft das Geschäft derzeit auch gar nicht so schlecht.
Das Potential ist da, an die bisherigen Erfolge anzuknüpfen, es ist nur eine Frage der Zeit. Retail hat aus meiner Sicht eine Daseinsberechtigung, die sogar steigt. Nur muss sich der Fachhandel weiter verändern, um den Bedürfnissen der anspruchsvollen Kunden gerecht zu werden.