Kazuto Yamaki ist als Sohn des Firmengründers der Inhaber und CEO von Sigma. Mit ProfiFoto spricht er in einem Exklusiv-Interview über Sigmas Rolle in der neuen L-Mount Alliance, und welche neuen Objektive und Kameras Sigma mit diesem Bajonett auf den Markt bringen wird.
ProfiFoto: Kazuto Yamaki, Sigma ist Teil der L-Mount Alliance. Welche Strategie verfolgt Sigma damit?
Kazuto Yamaki: Ursprünglich wollten wir für unsere künftige Vollformatkamera ein eigenes Bajonett entwickeln, aber dann kam Panasonic auf uns zu, um uns eine Kooperation vorzuschlagen. Wir haben zunächst gezögert, dem Vorschlag zuzustimmen, haben dann aber die Vorteile für die Anwender gesehen. Wenn wir unser eigenes Bajonett entwickelt hätten, wären Anwender an unser System gebunden gewesen. Im Rahmen der L-Mount Alliance haben Kamerakäufer aber die Möglichkeit, neben unseren Kameras auch die der anderen Anbieter zu nutzen. Leica, Panasonic und Sigma verfolgen jeweils eigene Konzepte mit ihren L-Mount Systemen, der Kunde hat also die Wahl. Für uns steht der Nutzen für Anwender unserer Kameras im Vordergrund.
ProfiFoto: Insbesondere Panasonic braucht aktuell Unterstützung beim Ausbau des Objektiv Sortiments für den L-Mount. Spielte das für die Einladung an Sigma eine Rolle?
Kazuto Yamaki: Ich kenne die interne Planung von Panasonic nicht, aber vorstellbar ist das sicherlich … Wir werden unsere L-Mount Produkte, eines nach dem anderen, ab Herbst in den Markt bringen. Die ersten Objektive kommen im vierten Quartal 2019. Neben den bereits angekündigten Festbrennweiten werden wir in diesem Jahr auch brandneue Zoomobjektive mit L-Mount bringen. Deren Spezifikationen kann ich zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht verraten.
ProfiFoto: Gibt es über den Ausbau der L-Mount Objektivpalette Absprachen mit Leica und Panasonic?
Kazuto Yamaki: Nein, das wäre aus rechtlichen Gründen auch nicht statthaft. Daher findet kein Austausch zwischen den beteiligen Herstellern über ihre Objektiv-Roadmaps für den L-Mount statt. Jeder Hersteller geht seinen eigenen Weg, unabhängig von den anderen. Jede Marke hat ihre eigene Philosophie. Leica produziert hervorragende Objektive und Kameras auf einem sehr hohen Preisniveau. Panasonic bedient eher den Mainstream, während Sigma sich wie immer um sehr eigenständige Produkte bemüht. Daher erwarte ich keine Kannibalisierung der drei Marken der L-Mount Alliance. Kunden haben einfach eine größere Auswahl.
ProfiFoto: Basieren die L-Mount Objektive von Sigma auf vorhandenen Konstruktionen, oder werden es komplett neue Objektive sein?
Kazuto Yamaki: Sowohl als auch. Wir entwickeln Objektive mit L-Mount unter Verwendung existierender Glassorten und Konstruktionen, gleichzeitig wird es aber auch komplett neu konstruierte L-Mount Objektive geben. Es kommt auf das einzelne Produkt an. So verfahren wir auch bei Objektiven für andere Systeme: wir entwickeln ein Objektiv, und adaptieren das dann an verschiedene Systeme. Für den L-Mount sind aber auch komplett eigenständige Neu-Konstruktionen angedacht, die eine große strategische Bedeutung für uns haben könnten. Aktuell adaptieren wir vorhandene Objektivkonstruktionen an das L Bajonett.
ProfiFoto: Ausschlaggebend für den Beitritt zur L-Mount-Alliance war aber der Ausbau des Sigma Kamerasystems?
Kazuto Yamaki: Ja, wir arbeiten an einer neuen Kamera mit L-Mount, die einen Vollformat Foveon Sensor verwendet. Wir planen, damit im nächsten Jahr auf den Markt zu kommen.
ProfiFoto: Warum hält Sigma an der Foveon Sensortechnologie fest, die sicher Vorteile, aber auch gewisse Einschränkungen mit sich bringt?
Kazuto Yamaki: Foveon ist bekanntlich eine 100% Tochter von Sigma, wir fühlen uns daher dafür verantwortlich, diese Sensortechnologie weiterzuentwickeln und zu nutzen. Wir bedienen damit sicher nur eine Nische, aber es gibt viele Anwender, die echte Fans der Foveon Sensortechnologie sind.
ProfiFoto: Ist denn angedacht, alternativ auch Sigma Kameras mit anderen Sensoren anzubieten?
Kazuto Yamaki: Das wäre denkbar. Auch wenn wir uns wie gesagt verantwortlich für die Weiterentwicklung der Foveon Technologie fühlen, bedeutet das nicht, dass wir nicht auch zusätzlich andere Sensoren einsetzen können. Sollten wir einen hervorragenden Sensor für den Einsatz in unserer zukünftigen Vollformatkamera finden, gibt es keinen Grund für uns, diesen nicht zu verwenden.
ProfiFoto: Der Kameramarkt ist weltweit unter Druck. Wie sehen Sie die weitere Entwicklung der Absatzzahlen?
Kazuto Yamaki: Schwere Frage, aber ich erwarte, dass die Mehrzahl der in Zukunft verkauften Systemkameras spiegellos sein wird. Das wird spätestens in circa zwei Jahren so sein. Schlussendlich wird der Marktanteil spiegelloser Systemkameras bei 80 bis 85% liegen. DSLRs werden nicht völlig verschwinden, solange es Fotografen gibt, deren Anforderungen danach verlangen, so wie zum Beispiel Sport- oder Wildlifefotografen. Der Systemkamera-Gesamtmarkt wird meiner Einschätzung jedoch um weitere 25 bis 30% zurückgehen. Andere erwarten eine Halbierung, aber dieses Szenario halte ich für übertrieben pesimistisch. Die weitere Entwicklung hängt nicht zuletzt von den Herstellern ab. Wenn diese durch Innovationen die Nachfrage ankurbeln, dann wird der Kameramarkt sich auch wieder positiv entwickeln.
ProfiFoto: Aktuell ist das Sigma Objektiv Line Up noch sehr DSLR-lastig …
Kazuto Yamaki: Wir entwickeln unser Line Up ständig weiter und bringen zukünftig verstärkt Objektive für spiegellose Systeme. Aber auch, wenn aktuell der am stärksten wachsende Bereich der der Spiegellosen ist, darf man die vielen DSLRs nicht außer Acht lassen, die von Fotografen weltweit genutzt werden. Daher verkaufen wir immer noch weitaus mehr Objektive für DSLRs als für Spiegellose, vor allem im Telebereich. Aber ja, im Bereich der CSC Brennweiten haben wir Aufholbedarf.
ProfiFoto: Sind daher weitere Objektiv-Adapter von Sigma geplant?
Kazuto Yamaki: Adapter sind durchaus interessant und lösen viele Probleme, aber ich denke, dass ihre Beliebtheit sich auf die aktuelle Übergangsphase von DSLRs hin zu spiegellosen Systemen beschränkt, vor allem bei Anwendern, die Kameras beider Bauarten parallel verwenden. Auf Dauer werden sich dedizierte CSC Objektive durchsetzen.
ProfiFoto: Seit 2016 bietet Sigma auch Cinema Objektive an. Wie sind da Ihre Erfahrungen?
Kazuto Yamaki: Wird sind recht zufrieden mit dem Erfolg unserer Cinema Objektive. In diesem Markt gibt es viele traditionsreiche Anbieter. Gemessen daran haben unsere Cinema Objektive eine gute Akzeptanz gefunden, speziell in den USA. Wir sehen aber noch gute Chancen auf weiteres Wachstum im High End Filmmarkt, der auch durch die vielen Online-Filmplattformen Potenzial bietet, auch wenn es ein Nischenmarkt ist.
ProfiFoto: Sigma Objektive haben oft sehr ausgefallene Spezifikationen. Warum kann Sigma solche Objektive konstruieren, die kein anderer Hersteller anbietet?
Kazuto Yamaki: Wir streben grundsätzlich danach, eigenständige Produkte auf den Markt zu bringen, weil nur dann der Anwender einen Grund hat, unsere Objektive zu kaufen, statt die Alternativen der Kamerahersteller. Es sei denn, wir sind preiswerter, aber wir wollen uns lieber durch die Qualität der Objektive und ihre Features differenzieren. Unsere Ingenieure sind selbst leidenschaftliche Fotografen, die auch aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen in der Lage sind, fortlaufend zu Produktverbesserungen beizutragen. Zu guter letzt verfügen wir über eine sehr fortschrittliche Fertigungsstätte für unsere Objektive in Japan. Unsere Ingenieure und Optik-Designer haben maximalen Freiraum für ihre Arbeit. Unsere Fertigungskapazitäten erlauben auch die Produktion sehr exotischer Objektive. Bei anderen Herstellern ist die Situation zuweilen anders, auch weil sie in einem höheren Maß als wir auf Zulieferer angewiesen sind.
ProfiFoto: Wie lange dauert die Entwicklung eines neuen Objektivs bei Sigma?
Kazuto Yamaki: Es kommt auf das Objektiv an, aber normalerweise benötigen wir dafür circa zwei Jahre. Ich ermutige unsere Entwickler stets, das bestmögliche Produkt anzustreben, und sich nicht allzu viele Gedanken über die Kosten zu machen. Bei uns ist alles der höchstmöglichen Qualität untergeordnet. Unsere Preise sind vor allem deshalb nicht entsprechend hoch, weil unsere Organisation sehr schlank ist und wir uns keinen riesigen Konzern-Overhead leisten. Von den rund 200 Mitarbeitern im Headquarter sind allein 80% Ingenieure für Research & Development. „Small office, big factory“ ist eine Maxime, die ich von meinem Vater übernommen habe.
ProfiFoto: Welche Sigma Objektive sind aktuell am beliebtesten?
Kazuto Yamaki: Der Erfolg eines Objektivs hängt sehr stark davon ab, wie Anwender darauf reagieren. Zum Beispiel hat uns der immense Erfolg unseres aktuellen 85mm F1.4 DG HSM | Art ehrlich überrascht. Die hervorragenden Testergebnisse unserer Objektive weltweit tragen natürlich zu unserem Erfolg bei. Unsere Objektive mit der derzeit höchsten Qualität sind das 40mm F1.4 DG HSM | Art und unser 105mm F1.4 DG HSM | Art. Unser Bestseller ist das 35mm F1,4 DG HSM | Art.
ProfiFoto: Für einige Anbieter sind derzeit Objektive mit f1,0 eine Prestigefrage. Wird es einen entsprechenden Lichtriesen auch von Sigma geben?
Kazuto Yamaki: Ich will das für die fernere Zukunft nicht ausschließen, möglich wäre das. Aber wie gesagt, wir suchen immer nach Möglichkeiten, uns von anderen Anbietern zu differenzieren, und eine hohe Lichtstärke ist dazu nur einer von verschiedenen Wegen. Es kann eine Option sein, es gibt aber noch andere Aspekte, die wir nutzen werden.
ProfiFoto: Es gibt am Objektivmarkt viele „new kids on the block“, die in China und Korea produzieren. Wie beurteilen Sie diese neuen Objektivmarken?
Kazuto Yamaki: Sie machen einen guten Job, und wir dürfen diese Hersteller und ihre Produkte keinesfalls unterschätzen. Zum Beispiel Laowa und Samyang bietet recht gute Objektive an. Wir respektieren diese neuen Hersteller durchaus und versuchen, von ihnen zu lernen.
ProfiFoto: Sigma fertigt auch für andere Hersteller Objektive. Produziert Sigma auch für Smartphones?
Kazuto Yamaki: Nein. Seit den späten 90er Jahren hatten wir viele Anfragen, Objektive für Smartphones herzustellen, aber wir haben stets abgelehnt, weil wir darin kein Geschäft für uns erkennen konnten. Wir fokussieren uns stattdessen auf High end Objektive. Zur Zeit nutzen wir rund zehn Prozent unserer Fertigungskapazität für die Herstellung von Objektiven anderer Hersteller.
ProfiFoto: Kazuto Yamaki, vielen Dank für das Gespräch!
Fotos: Yuskue Nishibe for SIGMA Corporation