Mitte März musste Calumet Photographic in den USA überraschend das Insolvenzverfahren eröffnen. Warum dies keine Auswirkungen auf Calumet Europa hat, erklärt Calumet Geschäftsführer Christof Bergmann im ProfiFoto Interview.
Christof Bergmann, wie ist aktuell die Situation bei Calumet USA und was hat dazu geführt?
Das operative Geschäft von Calumet in den USA hat am 13. März das sogenannte Chapter 7 Verfahren beantragt, das mit der Schließung des Geschäftes einhergegangen ist.
Calumet wurde vor 75 Jahren in Chicago gegründet und hat die Basis in der professionellen Fotografie. Über Jahrzehnte hinweg war Calumet in USA die Quelle für alle Fotografen, wenn es um die Investitionen in Equipment oder um den Materialeinkauf ging.
Durch den Technologiewechsel hat sich der Markt dermaßen verändert, dass bisher erfolgreiche Wege nicht gleichermaßen auch für die Zukunft erfolgreich sind. In den letzten 20 Jahren hat Calumet durch Zukäufe auch nach Europa expandiert und hat heute ein erfolgreiches Geschäft in Deutschland, Holland, Belgien und UK.
Als weltweite Gruppe hat Calumet vor einigen Jahren die Strategie entwickelt, sich zusätzlich zu den professionellen Fotografen auch den Kunden stark zu widmen, die eine Passion für Fotografie haben und für ihr Hobby ähnliche Ansprüche an ihren Händler stellen wie die Profis. Dazu gehören erstklassige Fachberatung, ansprechende Shops mit einer unglaublichen Produktauswahl rund um die Fotografie und natürlich eine exzellente Verbindung der Vertriebskanäle mit lokalen Shops, einem Webshop und Fachberatern am Telefon.
Wir sehen heute, dass wir dieses Konzept mit einem klaren Focus hier in Europa umgesetzt haben. Wer heute einen unserer Shops in Deutschland besucht, erkennt das Leitbild des Unternehmens, alles rund um die Fotografie anzubieten.
Ich sehe aus heutiger Sicht, dass die Umsetzung in USA nicht so konsequent durchgeführt wurde. Über einige Jahre wurde das USA Geschäft im Gegensatz zu Europa von einem Management geführt, dass keine Branchenkenntnisse hatte und dadurch oft nach Gefühl entschieden hat, was der Kunde in der Zukunft erwartet.
Mit Hilfestellung aus Europa haben wir versucht, dem in den letzten Monten gegenzusteuern, und das in einer Zeit, in der die gesamte Branche heftig durchgeschüttelt wurde. Wir konnten viele positive Entwicklungen in Gang setzen und insbesondere durch die Einstellung eines neuen Managements sahen wir Schritt für Schritt die Dinge umgesetzt, die uns auch hier in Europa erfolgreich gemacht haben.
Dennoch erfordern solche Restrukturierungen eine unglaubliche Menge an finanziellen Mitteln durch einen engagierten Eigentümer, aber auch durch eine finanzierende Bank.
Der Eigentümer des Unternehmens war und ist entsprechend engagiert, jedoch eine zuletzt von der lokalen Bank in USA zurückgezogene Finanzierungszusage hat leider allen Planungen ein Ende bereitet.
Aber es gibt eine große Hoffnung, dass es einen Neustart geben wird. Wir versuchen, so schnell wie möglich eine Wiedereröffnung einiger Shops und natürlich des Webshops.
Wir sehen eine große Loyalität bei Kunden und Mitarbeitern und sind sicher mit dieser Basis auch in USA ein neues Geschäft nach Europa-Vorbild aufbauen zu können.
Wieso ist Calumet Europa beziehungsweise Deutschland davon nicht betroffen?
Rechtlich sind die Europäischen Unternehmen eigenständige Gesellschaften.
Jede Einheit hat ihr eigenes Management und das berichtet an die Zentrale in Hamburg, wo ein branchenerfahrenes Management Team das Geschäft steuert.
Die Zusammenarbeit mit Banken ist regional organisiert, das heißt jedes Land hat seine eigenen Verträge mit lokalen Banken.
Betroffen ist das Europa Geschäft nur dadurch, dass in der heutigen Zeit online Medien ungesteuert über solche Vorgänge berichten. Da ist es manchmal gar nicht so leicht, Fehlinformationen richtig zu stellen. Umso mehr bedanken wir uns bei der Redaktion für die Chance, korrekte Informationen durch dieses Interview zu geben.
Wie ist die aktuelle Geschäftsentwicklung bei Calumet in Deutschland?
Mit Stolz können wir sagen, Calumet in Deutschland ist eine Erfolgsgeschichte.
In den letzten Jahren konnten wir kontinuierlich die Umsätze des Unternehmens steigern. Um nur mal ein paar Beispiel zu nennen: 2012 ist laut GFK der Fotomarkt um 4,4% gewachsen. Gewonnen hatte insbesondere der Fotofachhandel mit einer Steigerung von 13,9%, ein tolles Ergebnis für die gesamte Branche. Calumet in Deutschland konnte dieses Branchenwachstum mit einem Umsatzplus von 33,8% deutlich übertreffen. 2013 war ein schwierigeres Jahr für die Fotobranche. Hier berichtet die GFK von einem Umsatzminus von 9,4% für den Gesamtmarkt, minus 12,1% für die Fotofachhändler. Calumet konnte einen Umsatz auf dem gleichen Niveau wie im Vorjahr vorweisen. Das neue Jahr 2014 ist sehr gut gestartet mit einem bisherigen Umsatzzuwachs von 8,8% zum Vorjahr. Und wir erwarten viele positive Trends durch die photokina dieses Jahr.
Ein nächster Schritt für Calumet entsteht durch die Planung einer weiteren Filiale in Frankfurt. Hierfür suchen wir derzeit mit Maklern nach dem richtigen Standort.
Calumet in Deutschland ist ein profitables Unternehmen, das seine Gewinne in das Unternehmen reinvestiert, in regelmäßige Erneuerung der Shopausstattung, aber insbesondere auch in die Mitarbeiter. Wir schaffen regelmäßig neue sichere Arbeitsplätze und investieren sehr stark in die bestehende Belegschaft. In 2013 wurde ein nahezu sechsstelliger Betrag in ein umfassendes Trainingsprogramm investiert und wir würden uns freuen, wenn das auch unsere Mitbewerber tun würden. Denn die Mitarbeiter sind das Kapital der Unternehmen und erforderlich für die Zukunft von Fachgeschäften, wie der Kunde sie in der Zukunft erwartet.
Der heutige Fachverkäufer in einem Calumet Shop muss Fachkenntnisse haben in der Kameratechnik, der Lichttechnik und dem digitalen Workflow. Er ist Consultant, Berater in Technik- und Anwendungsfragen, aber auch in Fragen der Finanzierung.
Ein unglaubliches Spektrum, dass ein Unternehmen seinen Mitarbeitern aneignen muss, aber auch ein einzigartig interessantes Berufsbild.
Der stationäre Handel klagt auf breiter Front. Was muss sich ändern, damit die Situation sich verbessert?
Klagen hat noch nie geholfen, in keiner Branche der Welt. Alles verändert sich und man muss sich mit den Veränderungen rechtzeitig befassen. Das Ziel muss sein, Trends zu gestalten, statt sich gegebenen Trends anzupassen. Und genau da sehe ich zur Zeit ein Problem vieler stationärer Händler.
Oft wird angenommen, was vor 20 Jahren gut war, ist auch heute noch gut, und Warten auf den Kunden reicht, wenn die Produkte attraktiv sind und die Preise gut.
Das kann aber mitnichten die Zukunft des Handels sein.
In Zukunft müssen in allen Branchen Erlebniswelten entstehen, also in unserer Branche eine Erlebniswelt rund um die Fotografie. Der Kunde ist heute in einer sehr komfortablen Lage, er kann sich über jedes Produkt online informieren, wenn er es schnell haben möchte mit einem Klick bestellen und bekommt es in der Regel am Folgetag bequem nach Hause geliefert. Warum soll sich der Kunde also den Stress antun, einen Fachhändler aufzusuchen, dessen Verkäufer an der Theke vor seiner Vitrine mit Produkte wartet? Genau diese Frage muss sich jeder Einzelhändler stellen und für sich beantworten. Denn in der Beantwortung liegt die Zukunft eines jeden Fachhändlers.
Unsere Sicht zu dieser Frage ist, dass der Kunde ein erstklassiges Einkaufserlebnis erwartet. Er möchte die Produkte in die Hand nehmen, er möchte Dinge live erleben, die nicht alltäglich überall verfügbar sind. Und er möchte das Gefühl haben, mit Fachleuten zu sprechen, die wissen wovon zu reden.
Dann bei einer kostenlosen Tasse Kaffee in angenehmer Atmosphäre fachsimpeln oder sein gerade gekauftes Produkt begutachten. Ich kenne Händlerkollegen, die sich dann die Frage stellen, wer bezahlt denn dann den Kaffee und ich glaube, wer sich diese Frage stellt, der erkennt den Weg in die Zukunft bestimmt nicht.
Ich habe in einem Unternehmen gearbeitet, dass von einem erfolgreichen Modefotografen gegründet wurde, und da stand in der niedergeschriebenen Unternehmensphilosophie „Fotografieren ist Malen mit Licht“. Das war für uns immer ein Leitbild. Wir bieten in unseren Shops das Malen mit Licht in allen Facetten. Während viele Fachhändler die Kamera als das Maß der Dinge ansehen, glauben wir, der heutige, engagierte Hobbyfotograf erwartet von seinem Verkäufer nicht einfach die Erklärung der Kamera. Er möchte die Anwendung lernen, er möchte wissen, wie Bilder in der richtigen Qualität und der richtigen Farbe per Wifi auf sein Tablet, seinen Monitor oder seinen Drucker kommen. Er möchte ebenso wissen, wie eine geschickte Lichtführung Bildergebnisse verbessert. Das kann in gewissem Umfang der Verkäufer im Verkaufsgespräch machen und wenn es noch weiter gehen soll durch unser umfangreiches Seminarprogramm ergänzt werden.
Die Landschaft der Fachhändler allgemein und die Branche Foto insbesondere steht vor vielen weiteren Herausforderungen und Veränderungen, die einige mit Sorgen betrachten, wir aber als positive Signale sehen. Smartphones sind heute die Immer-Dabei-Kamera, das sehen viele als das Ende an, wir sehen es als den Start in eine ganz neue Zeit. Noch nie wurden so viele Fotos gemacht wie heute. Und Ansprüche wachsen. So landen viele Nutzer von Smartphones automatisch bei höherwertigen Kameras und auch für sie gilt das oben Geschriebene. Diese Anwender können umso mehr begeistert werden, wenn sie sehen, mit welchen einfachen Mitteln die Qualität der Bilder gesteigert werden kann.
Diese Entwicklung werden nicht alle Fachhändler mitmachen können und so sehen wir, dass es eine ganz enge Partnerschaft zwischen den Herstellern und den aktiven Händlern geben muss. Gemeinsame Aufgabe wird sein, solche Erlebniswelten an attraktiven Standorten zu ermöglichen.
Wir sehen die Zukunft als sehr spannend an und sehen uns ebenso gut gerüstet mit dem, was wir bisher geschaffen haben. Wer einen unserer Shops besucht, bekommt einen Geschmack davon, wie wir die Zukunft gestalten wollen.