Der engagierte Realismus der Arbeiterfotografie der 1930er-Jahre begegnete den politischen Entwicklungen der Zeit mit aufklärerischem Impetus. Zur ersten Riege jener sozial motivierten Fotografen gehört neben Paul Strand oder Tina Modotti auch die Wiener Fotografin Edith Tudor-Hart (1908–1973), die der kommunistischen Partei nahestand. Die Jüdin belegte einen Vorkurs am Bauhaus in Dessau und heiratete 1933 einen Engländer, der die Arbeiterbewegung unterstützte und mit dem sie nach Großbritannien flüchtete. Hier gelangte Tudor-Hart posthum zu Berühmtheit, da sie dem sowjetischen Spionagering der Cambridge Five bis zu dessen Zerschlagung in den 1960er-Jahren Mitarbeiter zuführte.
Für ihre sensiblen Schwarzweiß-Fotografien nutzte Tudor-Hart eine mittelformatige Rolleiflex, mit der sie aus Hüfthöhe Bilder schießen konnte, was ihr erlaubte, mit ihren Modellen bei der Arbeit ungehindert zu kommunizieren. Der Band zeigt ihre unprätentiösen, dokumentarisch geprägten Fotografien zu sozialen Themen, die in Wien, London, Wales und Schottland entstanden.
Hatje Cantz Verlag, 152 Seiten, 120 Abb. in Duplex, 35 Euro, gebunden, Deutsch, ISBN 978-3-7757-3566-7.