Anlässlich des 100. Geburtstags von Robert Frank bietet die Ausstellung THE AMERICANS: A CLOSER LOOK in der Zander Galerie noch bis zum 17. Januar 2025 einen vertiefenden Einblick in seine ikonische Werkgruppe.
Robert Frank gilt als einer der einflussreichsten Künstler in der Geschichte der Fotografie. Mit seinen Bildern und Filmen hat er die Ästhetik des unbewegten und des bewegten Bildes neu definiert. In der Ausstellung gezeigt werden alle 83 Fotografien der Serie sowie eine weitere, die ihr der Künstler später als Abschlussbild hinzugefügt hat. Dazugehörige Kontaktbögen und drei spätere Filme des Künstlers beleuchten die Entstehungsgeschichte von The Americans und dessen Nachklang in seinem Œuvre. Seit 2023 vertritt die Zander Galerie Robert Frank in Europa in Zusammenarbeit mit der June Leaf and Robert Frank Foundation sowie Pace Gallery. Dies ist die erste Ausstellung von Franks Arbeiten in der Zander Galerie in Köln.
Robert Frank wurde 1924 in Zürich geboren und wanderte 1947 nach New York aus, wo er bald eine Anstellung als Fotograf für die Zeitschrift Harper’s Bazaar fand. Nachdem er 1955 sein erstes Guggenheim-Stipendium erhalten hatte, unternahm Frank eine Reihe von Road-Trips durch die Vereinigten Staaten. Von über 28.000 Aufnahmen, die er auf seinen Reisen machte, veröffentlichte er eine Auswahl von 83 Bildern in seiner bahnbrechenden Monografie The Americans.
Die Fotografien in The Americans, aufgenommen zwischen 1954 und 1957, gewähren einen Blick unter die Oberfläche des amerikanischen Lebens und halten sowohl die dunklen Seiten wie auch die Schönheit des Landes fest. Die Bilder vermitteln ein kollektives Porträt amerikanischer Identität, Kultur und Politik, das von wirtschaftlichen und regionalen Unterschieden sowie Ungleichheiten zwischen der Schwarzen und weißen Bevölkerung geprägt ist. Nicht nur die Thematik machte Franks Projekt so innovativ. Seine unorthodoxen Bildausschnitte sowie sein Umgang mit Licht und Schärfe liefen dem damals weit verbreiteten ästhetischen Empfinden zuwider. Heute zählt The Americans zu den einflussreichsten Fotobüchern, die je erschienen sind. Seine Wirkung auf nachfolgende Künstlergenerationen – von Fotografen, Filmemachern und Malern bis hin zu Musikern und Schriftstellern – kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Das ausgestellte Set von Silbergelatineabzügen, das 1983 angefertigt wurde, stammt aus dem Archiv des Künstlers in der June Leaf and Robert Frank Foundation. Es ist eines von drei vollständigen Sets mit je 84 Abzügen in dieser Größe und das einzige, das noch verfügbar ist. Die beiden übrigen Sätze befinden sich in Museumssammlungen. Franks einzige Ergänzung zur ursprünglichen Sequenz von The Americans ist ein dreiteiliges Bild aus dem Jahr 1978, das in der neuen Buchauflage zum 20-jährigen Jubiläum von Aperture ganz am Ende platziert ist. Es ist zusammengesetzt aus zwei Aufnahmen von Franks Kindern und seiner Frau in ihrem Auto am Straßenrand und einer Fotografie von einem Truckstop-Schild, die den handgeschriebenen Titel „Andrea, Mary and Pablo, Texas 1956“ trägt.
In der Ausstellung beleuchten zwölf Kontaktbögen die Chronologie der Aufnahmen und Robert Franks Bildauswahl für The Americans. Die ausgestellten Abzüge der Kontaktbögen entstanden in den 1970er Jahren. Es handelt sich um einen von nur zwei existierenden Sätzen, der zweite befindet sich in der Sammlung der Tate Modern, London.
Nach Abschluss seiner Arbeit an The Americans erweiterte Frank seine Praxis und wandte sich dem Film zu. Seine Filmarbeiten zeichnen sich durch eine improvisierte Anmutung aus, die über ihre sorgfältige Planung hinwegtäuscht. Die drei in der Ausstellung gezeigten Filme haben auf die eine oder andere Weise Berührungspunkte mit The Americans: This Song for Jack (1983), gedreht auf 16mm-Film, ist eine Hommage an den Beat-Schriftsteller Jack Kerouac, der das Vorwort zu The Americans verfasst hat. Der Film dokumentiert die Zusammenkunft einiger seiner Zeitgenossen, darunter William Burroughs und Allen Ginsberg, die in einem Akt der Trauer aus Kerouacs Werk lesen. Der Videofilm Home Improvements (1985) ist eine Art filmisches Tagebuch über einen Zeitabschnitt in Franks Familienleben. In einer Szene spricht der Künstler über The Americans, während jemand buchstäblich ein Loch in die Fotografien bohrt. Eben diesen Stapel durchbohrter Abzüge verwendete Frank später für ein Werk, welches sich mittlerweile in der Sammlung der National Gallery befindet. Der Videofilm Moving Pictures von 1994 nimmt ebenfalls Bezug auf The Americans und thematisiert Erinnerung und Vergangenheit. In einer fragmentarischen Sequenz sehen wir, wie Franks Fotos und Fotoalben durchgeblättert werden. Die letzte Szene des Films ist mit der Aufforderung „Keep busy“ betitelt.
Durch Collage, Montage und die Verwendung von Text entwickelte Robert Frank seine eigene Hybridform zwischen dem unbewegten und dem bewegten Bild und kehrte oft zu Künstlerbüchern mit seinen Fotografien und Worten zurück. Seit 1970 lebte er teilweise in Nova Scotia, zusammen mit seiner Ehefrau, der Künstlerin June Leaf. Frank starb 2019 in Inverness, Kanada, im Alter von 94 Jahren. In seiner mehr als fünf Jahrzehnte währenden Karriere hat er ein einzigartiges experimentelles Werk geschaffen, das sich einer einfachen Klassifizierung entzieht.
Anlässlich des 100. Geburtstags von Robert Frank sind Ausstellungen seines Werks im Museum of Modern Art, New York, Museum Folkwang, Essen, und Museum of Fine Arts, Boston, zu sehen. Seine Arbeiten waren bereits Gegenstand bedeutender Ausstellungen im Philadelphia Museum of Art, im Museum of Fine Arts Houston, in der National Gallery of Art, Washington D.C., im Reina Sofía, Madrid, im Centro Cultural de Belém, Lissabon, in der Corcoran Gallery of Art, Washington D.C., in der Tate Modern, London, im Museu d’Art Contemporani, Barcelona, im Fotomuseum und in der Fotostiftung Schweiz, Winterthur, im San Francisco Museum of Modern Art, im Metropolitan Museum of Art, New York, und in der Albertina in Wien.
Frank erhielt zwei Guggenheim-Stipendien, ein Stipendium des American Film Institute, den Hasselblad Award, den International Center of Photography Award, Ehrendoktortitel der Göteborgs Universitet und des Nova Scotia College of Art and Design University, Halifax, sowie die Edward MacDowell Medal und andere Auszeichnungen.
Seine Werke sind weltweit in institutionellen Sammlungen vertreten, unter anderem im Art Institute of Chicago; Detroit Institute of Arts; Fotomuseum Winterthur; George Eastman House, Rochester; Maison Européene de la Photographie, Paris; Metropolitan Museum of Art, New York; Museum Folkwang, Essen; Museum of Modern Art, New York; in der National Gallery of Canada, Ottawa; im San Francisco Museum of Modern Art; in der Yale University Art Gallery, New Haven; Tate Modern, London; im Victoria and Albert Museum, London; und im Whitney Museum of American Art, New York. 1990 richtete die National Gallery of Art in Washington, D.C., die Robert Frank Collection ein, die hauptsächlich Abzüge, Negative und Kontaktbögen beinhaltet.
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