2024 feiert die Deutsche Fotothek an der Sächsischen Landesbibliothek Dresden mit insgesamt vier großen Ausstellungen ihr 100-jahriges Bestehen. Die dritte Ausstellung #MODERN ist vom 26. Juli bis zum 12. Oktober 2024 im Buchmuseum zu sehen.
Die Ausstellung begibt sich anhand von Werken Lala Aufsbergs, Fritz Blocks und Karl Theodor Gremmlers auf die Spuren der fotografischen Moderne in den 1930er Jahren.
#MODERN geht der Frage nach, was in der deutschen Fotografie der 1930er Jahre – in der Zeit zwischen Weltwirtschafskrise und Zweitem Weltkrieg – passierte. Was wurde aus der radikal neuen Formensprache der 1920er Jahre, die in kurzer Zeit Werbung, Zeitschriften und lllustrierte dominiert hatte? Neues Sehen und Neue Sachlichkeit waren die Schlagworte dieser neuen Bildästhetik, Fortschritt und Modernität die Botschaften. Doch wie passt dies in die Zeit des Nationalsozialismus?
Die in #MODERN präsentierten Fotografien von Lala Aufsberg (1907-1976), Fritz Block (1889- 1955) und Karl Theodor Gremmler (1909-1941) zeigen auf sehr unterschiedliche Weise, dass die neuen Sehweisen nach 1933 fast bruchlos übernommen worden sind. Anders als die zur „entarteten Kunst“ deklarierte Moderne in den Bildenden Künsten hatte sich die Moderne in der Fotografie bereits so fest etabliert, dass ihre gestalterischen Grundmuster selbst noch im gleichgeschalteten Staat für Fortschrittlichkeit stehen konnten.
Jens Bove, Leiter der Deutschen Fotothek: „Scheinbar unbeirrt setzten die Fotograf:innen der Ausstellung auf dynamische Diagonalen, Schrägsichten, extreme Auf- oder Untersichten, besondere Bildausschnitte oder die Betonung von Strukturen. Mich begeistern viele der fotografischen Bildleistungen der 193oer Jahre. Dabei ist es oft überraschend, was für die einen noch Ende der 1930er Jahre formal möglich war, während andere längst jeder Perspektive beraubt waren. Begleitend zu den historischen Originalabzügen aufzuzeigen, in welche ganz konkreten Kontexte die Aufnahmen eingebettet waren, ist mitunter ernüchternd, aber notwendig und aufschlussreich.“
Ob als Amateurfotografin, als Bildjournalist oder als Werbefotograf- alle drei in #MODERN vertretenen Fotografen haben auf unterschiedlichen Wegen und mit individuellen Mitteln die fotografische Moderne fortgeschrieben. Zugleich stehen ihre Karrieren zwischen Anpassung und Emigration, freiwillig oder unfreiwillig, prototypisch für gegebene und nicht gegebene fotografische Entwicklungsmöglichkeiten in der NS-Zeit.
Die später als außerordentlich erfolgreiche Architekturfotografin bekannte Lala Aufsberg hat insbesondere als junge Amateurin immer wieder mit den Stilmitteln des Neuen Sehens experimentiert. Durch Beteiligung an zahlreichen Fotowettbewerben und Veröffentlichung ihrer Aufnahmen in der Zeitschrift Photofreund avancierte sie zum Star der Amateurfotografenszene. Noch vor Abschluss ihrer Meisterprüfung 1938 kam sie in Kontakt mit der modernen ungarischen Fotoszene und veränderte ihre Bildgestaltung von eher malerischer, stimmungsvoller Fotografie hin zu einer verstärkt sachlichen Gestaltung ihrer Bilder. lhre bewusste Rezeption der Bildsprache des Neuen Sehens entstand im Spagat zwischen Fortschritt und Tradition, der für ihr eigenes Werk ebenso kennzeichnend ist, wie für die Fotografie im Nationalsozialismus.
Als Architekt gehörte Fritz Block, aktives Mitglied im Bund Deutscher Architekten und im Deutschen Werkbund, zu den engagierten Vertretern des Neuen Bauens. Ab 1929 setzte er auch als Fotograf ganz auf den lmpuls der Moderne. Mit Publikationen in Zeitschriften wie Die Form, Baugilde oder Der Querschnitt gelang dem Fotografen innerhalb von drei Jahren die Aufnahme in den Kreis der internationalen fotografischen Avantgarde. Nach Berufsverbot aufgrund seiner jüdischen Herkunft entstanden seine Bilder vor allem auf zahlreichen privaten Reisen durch das In- und Ausland. Nachdem Block für einige Tage im Konzentrationslager Oranienburg inhaftiert worden war, gelang ihm 1938 die Emigration nach Los Angeles, wo er seinen beruflichen Schwerpunkt auf die Farbfotografie verlagerte.
Karl Theodor Gremmlers bemerkenswertes, erst jüngst wiederentdecktes Werk scheint typisch für die Situation ambitionierter Fotografen der 1930er Jahre. Auf der einen Seite stehen herausragende Bildleistungen, auf der anderen die nahezu zwangsläufige lndienstnahme durch Wirtschaft und NS-Staat, der sich auch Freigeister wie Gremmler nicht entziehen konnten oder wollten. Als Bildautor verfolgte er konsequent die Bildstrategien der Moderne, steht dabei jedoch, wie die meisten Fotografen seiner Generation, für eine eher moderate Modernität jenseits der experimentellen Verfahren von Avantgarde und Bauhaus. Mit seinem Fotobuch Männer am Netz schuf Gremmler einen späten Höhepunkt der Neuen Fotografíe mit dezidiert modernem Layout und 1939 geradezu provokanter Bildsprache.