Die Alfred Ehrhardt Stiftung zeigt vom 16. September bis 23. Dezember 2023 die von Hans Bunge kuratierte Ausstellung „Fritz Schleifer – Küstenland“.
Die erstmals ausgestellten oder publizierten Fotografien des am Bauhaus ausgebildeten Architekten, Zeichners und Fotografen Fritz Schleifer (1903-1977) sind im wahrsten Sinne des Wortes eine echte Entdeckung! Denn 2020 entdeckte der Hamburger Kurator Hans Bunge im Zuge seiner Recherchen zu Fritz Schleifer im Keller des Sohnes ein Paket mit 128 Vintageprints.
Der Fund des Konvoluts küstenland mit Aufnahmen der nordfriesischen und dänischen Seeküsten aus den 1930/194oer Jahren ist ein absoluter Glücksfall, da Schleifers fotografisches Werk zum großen Teil nicht mehr erhalten ist. Die bestechende Qualität seiner Fotografien bezeugen, dass der Architekt Fritz Schleifer als Fotograf in die erste Riege der Avantgarde-Fotografen der 1930/40er Jahre aufgenommen werden muss.
Ein weiterer Glücksfall war auch der Fund von Schleifers Taschenkalender. So konnte Hans Bunge durch akribische Transkriptionsarbeit rekonstruieren, dass es sich bei dem gefundenen Konvolut von Fotografien um ein fertiges Projekt für ein Fotobuch handelte, das 1939 im renommierten Heinrich Ellermann Verlag veröffentlicht werden sollte, wozu es vermutlich aufgrund des Ausbruchs des 2. Weltkriegs nicht kam.
Die Alfred Ehrhardt Stiftung zeigt in der Ausstellung eine Auswahl von 48 Vintageprints, die sich durch eine ungewöhnliche Bildkomposition sowie eine prägnante Motivwahl auszeichnen. In diesen Aufnahmen wählt Schleifer menschengemachte, durchaus untypische und beiläufige Sujets wie die Lorenbahn zur Hallig Oland, Deiche, Entwässerungskanäle und Wagenspuren, aber auch natürliche Priele und Wattrinnen, die er als grafische Linien rasterartig über das Bildgefüge legt. Seine Komposition basiert auffallend oft auf starken Fluchten. Die Deiche oder Wege werden als dominierende Linien eingesetzt, die die Landschaft prägen, als seien sie mit einem fetten Kohlestift gezeichnet. Schleifer ist fasziniert vom menschlichen Eingriff in die Natur. Er zeigt das vom Menschen gestaltete Land, das der Brandung und Sturmflut abgerungen wird. Seine Aufnahmen bezeugen, wie sich der Mensch in der Landschaft abbildet. Dessen Spuren wirken mitunter wie Verletzungen, die der Natur zugefügt und in den Vordergrund gerückt werden.
Seine Fotografien tragen die Handschrift eines Konstrukteurs, der seinem zentralen Credo folgend „ideen geometrischer abwandlungen mit grafischen mitteln sichtbar“ machen möchte. Er denkt analog zum Vorkurs und zu seinen Architekturentwürfen von der Fläche in den Raum. Die Modernität seiner Aufnahmen beruht auf der Formierung räumlicher Konstruktionsprinzipien. Sein ästhetischer Wille begnügt sich nicht mit der dokumentarischen oder atmosphärischen Wiedergabe einer bestimmten Landschafts region. Bei Fritz Schleifers Aufnahmen liegt die Schönheit mehr in der Konstruktion des Bildes selbst als in der Schönheit des Motivs.
Als ehemaliger Student am Bauhaus konnte Fritz Schleifer ab 1930 Erfahrungen aus dem Vorkurs in seine Lehrtätigkeit an der Landeskunstschule Hamburg einbringen, bevor er wie sein Kollege Alfred Ehrhardt 1933 von den Nationalsozialisten aufgrund seiner modernen Kunstauffassung entlassen wurde. Die signifikante Bildregie seiner Aufnahmen weisen ihn als Vertreter des »neuen sehens« und der Avantgarde-Fotografie der 193oer Jahre aus. In der Folge von Albert Renger-Patzsch, Arvid Gutschow und Alfred Ehrhardt richtet er seinen bildarchitektonisch geschulten Blick auf die grafischen Strukturen dieser von Meer, Strand und Dünen geprägten Küstenlandschaften, wobei er als Architekt anders als seine Vorbilder den Menschen und seine Häuser mit einbezieht.
Es erscheint die Monografie Fritz Schleifer, hrsg. von Hans Bunge, mit Texten von Norbert Baues, Hans Bunge, Martin Engler, Ulrich Höhns, Rüdiger Joppien, Christiane Stahl, Band 42 der Schriftenreihe des Hamburgischen Architekturarchivs, hrsg. von Ullrich Schwarz und Hartmut Frank, Dölling & Galitz Verlag, München/ Hamburg 2023.