„Er fotografiert aus dem Bauch heraus, nicht mit dem Auge.“ So beschreibt Miriam Marzura, Managerin der Leica Galerie Wien, den einfühl- wie einprägsamen Stil des dänischen Fotografen Jacob Aue Sobol. Sein in Grönland entstandener Bildband „James‘ House“ widmet sich dem Leben einer Inuit-Familie; eine Auswahl der Fotografien ist vom 24. März bis 3. Juni bei freiem Eintritt in der Leica Galerie Wien zu sehen.
Eröffnet wird die Ausstellung am 23. März in Anwesenheit des Künstlers; Anfang Juni kommt Sobol ein weiteres Mal nach Wien, um eine Masterclass der Leica Akademie Austria zu leiten.
„James‘ House“ (2022) ist das zweite Buch in Jacob Aue Sobols „Greenland Trilogy“. Band eins – „Sabine“ (2004) – war eine Liebesgeschichte, „James‘ House“ ist es auch. Liebe schweißt die Familie des Inuits James zusammen, die in einer entlegenen Siedlung im ruralen Ostgrönland um ihre Existenz kämpft. Sie tritt in Sobols Schwarz-Weiß-Aufnahmen ebenso deutlich zutage wie die Liebe und Bewunderung, die den Fotografen selbst mit der Familie verbinden.
„Jacob nimmt nicht die Position eines externen Beobachters ein. Er porträtiert die Familie so, als wäre er schon immer ein Teil von ihr gewesen – und das macht den besonderen Reiz von ‚James‘ House‘, aber auch von Jacobs Arbeit im Allgemeinen aus“, erklärt Miriam Marzura und fährt fort: „Sein Stil ist intuitiv, bewegend, aus dem Bauch heraus. Er lädt uns ein, in die Geschichte von James‘ Familie einzutauchen und sie in all ihren Facetten kennenzulernen. Ermöglicht wird das durch Jacobs außergewöhnliche Methodik. Er verschmilzt mit seinen Projekten, investiert dabei Unmengen an Zeit und Herzblut und begegnet den Menschen, die er ablichtet, nicht als Fotograf, sondern als Freund und Wegbegleiter.“
Jacob Aue Sobol wurde 1976 in Kopenhagen geboren. Als Fotograf und Mitglied von Magnum Photos hat er mehrere Monografien seiner ausdrucksstarken Schwarz-Weiß-Fotografie veröffentlicht und seine Arbeiten vielfach ausgestellt. Seine Bilder konzentrieren sich auf die Universalität menschlicher Emotionen und die Suche nach Liebe in einer oft rauen Umgebung.
Ausgebildet wurde Sobol am European Film College und der dänschen Schule für Kunstfotografie Fatamorgana. „Ich habe in verschiedene Richtungen experimentiert, aber der prägende Moment, der meine Sichweise verändert hat, war ein einwöchiger Kurs von Anders Petersen“, sagt der Däne, der unter anderem in Kanada, Japan und Grönland lebte, über seinen Werdegang als Fotograf. Petersen, berühmt geworden durch seine Porträts von Kneipenbesuchern auf der Reeperbahn, „hat eine Tür für mich geöffnet. Ich habe entdeckt, dass es im Grunde nicht darum geht, Fotos zu schießen. Es geht nicht um die Projekte. Es geht ums Leben. Es geht darum, eine Verbindung mit den Leuten zu haben, die du fotografierst. Das ist nichts, das dir dort draußen begegnet; es ist ein Teil von dir. Und die Kamera ist nur ein Werkzeug, für das du dich entscheidest.“
In Grönland freundete sich Sobol mit dem Inuit James an. Dessen Haus erschien ihm wie das Zentrum des Universums: ein Zuhause voller Lachen, Weinen und Stille. Ein Ort der Wärme und Umarmung. Heute wohnt James nicht mehr im Haus. Seine Frau starb, und er zog mit seinen Kindern in die Stadt.
Was bedeutet es, zuhause sein? Was bedeutet es, Teil einer Familie zu sein und zu werden? Solche Fragen werden in der Ausstellung „James‘ House“ aus verschiedenen Perspektiven beantwortet. „Man sieht schon auf den ersten Blick, wie authentisch und wahr Jacobs Arbeit ist. Man spürt eine unglaubliche Leidenschaft in seinen Fotografien. Ab 24. März kann man sich davon in der Leica Galerie Wien überzeugen “, so Miriam Marzura.
Tiefere Einblicke in Jacob Aue Sobols Arbeitsweise bietet die Leica Akademie Austria zudem am 24. März im Rahmen eines Artist Talks mit dem Fotografen sowie am 3. und 4. Juni 2023 in einer von ihm geleiteten Masterclass. Beide Events finden in der Leica Galerie Wien statt.
https://store.leica-camera.com/at/de/jacob-aue-sobol-storytelling-master-class
Fotos: (c) from the Series James‘ House – Jacob Aue Sobol – Tiniteqilaaq, Greenland, 1999-2002