Ab dem 10. September präsentiert das Berliner ZAK – Zentrum für Aktuelle Kunst – in der Zitadelle Spandau die Gruppenausstellung „Ausnahmezustand. Polnische Fotokunst heute“ und gewährt einen Einblick in die zeitgenössische Fotografie Polens.
Vorgestellt werden 26 Stellvertreter der jüngeren und der mittleren Generation polnischer Fotografen und Fotokünstler, von denen viele bisher kaum oder gar nicht in Deutschland bekannt sind. Neben vielen Formen einer ästhetisch und formal frischen Dokumentarfotografie reicht das Spektrum des Gezeigten von der Porträt- und Selbstporträtfotografie über Stillleben und Landschaftsfotografie bis hin zu freien künstlerischen Ansätzen in der Abstraktion. Präsentiert werden die Werke als klassische Tafelbilder, in Projektionen sowie in objekthaften Installationen.
Unter anderem werden Rafal Milachs Fotografien von den Protesten gegen die Ende 2020 verabschiedete Abtreibungsgesetzgebung zu sehen sein, die es Polinnen praktisch unmöglich macht, einen Schwangerschaftsabbruch im eigenen Land vornehmen zu lassen (Straijk), sowie Aneta Grzeszykowskas Annäherung an ihren eigenen Körper, indem sie Teile von ihm aus Schweinehaut nachbildet (Selfie).
Von der interdisziplinär arbeitenden Diana Lelonek wird es Bilder aus ihrem jüngst erschienenen Buch Wasteplants Atlas geben, in der sie pflanzliche Lebensformen auf illegal entsorgtem Wohlstandsmüll untersucht und kategorisiert. Und Pawel Jaszczuk widmet sich in seiner Serie ¥€$U$ der Kommerzialisierung der Muttergottes und Jesus in seinem katholischen Heimatland.
Ein Leseraum mit zahlreichen Fotobüchern und Katalogen von Ausstellungsteilnehmern und -teilnehmerinnen als auch zahlreicher nicht direkt an der Ausstellung Beteiligter wird Besuchern die Möglichkeit geben, noch tiefer in die polnische Fotoszene einzutauchen, die sich anschickt, auch international stärker Fuß zu fassen.
Wie wichtig dieses nach Außen gerichtete Engagement für polnische Fotografen ist, soll in den parallel zur Ausstellung angebotenen Vorträgen und Podiumsgesprächen deutlich werden, in denen es u.a. um die schlechter werdenden Arbeits- und Ausstellungsbedingungen für Kreative in Polen geht. Die unter der aktuellen nationalkonservativen Regierung, oftmals im Zusammenspiel mit Teilen des katholischen Klerus, eingeleiteten Maßnahmen zur Schwächung rechtsstaatlicher Strukturen sowie geschürte Ressentiments gegen Minderheiten wie nichteuropäische Flüchtlinge und LGBT+-Mitbürger, ebenso wie der wachsende Nationalismus sind Themen, die viele Fotografen in ihren Arbeiten aufnehmen. Dies jedoch birgt inzwischen tatsächlich das Risiko, von Stipendien und anderen staatlichen Unterstützungen sowie von Ausstellungsmöglichkeiten in einer Vielzahl von staatlich subventionierten Museen und Institutionen ausgeschlossen zu werden.
Die nun geplante Ausstellung, die die bisher größte Schau polnischer Fotografie in Deutschland sein wird, soll einen Beitrag zur Vertiefung der deutsch-polnischen Nachbarschaftsverhältnisse darstellen. Ein Interesse an dem östlichen Nachbarn Deutschlands und seiner Kultur ist hierzulande in den vergangenen Jahren größer geworden. Hier möchte die Ausstellung einen verbindenden Beitrag leisten.
Die Kuratoren sind der in Berlin lebende Autor und Fotograf Jens Pepper und Grażyna Siedlecka, Autorin und Gründerin der Stiftung Fresh From Poland. Seit 2013 erforscht sie die polnische Fotoszene und sucht nach jungen Talenten. Für seine Forschungen zur zeitgenössischen polnischen Fotografie hat Pepper 2016/2017 knapp zwei Jahre in Warschau verbracht, von wo aus er die Galerien, Festivals und Sammlungen des Landes sowie zahlreiche Künstler, Fotografen, Kuratoren, Redakteure und Sammler besuchte.
Zur Ausstellung erscheint ein gleichnamiges Buch im Mitteldeutschen Verlag mit voraussichtlich 160 Seiten in Deutsch und Englisch nebst einem Beileger in polnischer Sprache.
https://www.zitadelle-berlin.de
Foto oben: Aneta Grzeszykowska, Selfie # 07 b
Courtesy the Artist, Raster, Lyles and King Gallery