In diesem Herbst präsentiert der Gropius Bau Masculinities: Liberation through Photography, eine umfassende Gruppenausstellung, die untersucht, auf welche Weise Männlichkeit seit den 1960er Jahren durch Fotografie und Film erlebt, performativ hergestellt und sozial konstruiert wird.
In einer Zeit, in der sich klassische Männlichkeitsbilder in der Krise befinden und Begriffe wie „toxische“ und „fragile“ Männlichkeit gesellschaftliche Diskurse prägen, bieten über 300 Arbeiten von 50 internationalen Künstlern, darunter Laurie Anderson, Richard Avedon, Rotimi Fani-Kayode, Robert Mapplethorpe, Annette Messager und Wolfgang Tillmans ein Panorama der filmischen und fotografischen Auseinandersetzung mit dem Maskulinen in all seiner Widersprüchlichkeit und Komplexität. Die Ausstellung lenkt den Blick auch auf weniger bekannte und jüngere Künstler wie Cassils, Sam Contis, George Dureau, Elle Pérez, Paul Mpagi Sepuya, Hank Willis Thomas und Karlheinz Weinberger und viele andere. Zentrale Bezugspunkte der Ausstellung sind Themen wie Patriarchat, Macht, queere Identität, race und Klasse, Sexualität sowie die weibliche Wahrnehmung von Männlichkeit, welche als ein weitgehend fließendes, performatives Identitätskonzept ins Blickfeld rückt.
Masculinities: Liberation through Photography ist Teil des EMOP Berlin – European Month of Photography 2020, und knüpft an die Tradition des Gropius Bau als Plattform für wichtige Fotografen des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart an. Zuletzt wurden an gleicher Stelle Ausstellungen von Akinbode Akinbiyi (2020), Lee Miller, Berenice Abbott, Robert Doisneau und Thomas Struth (alle 2016) sowie von Diane Arbus (2012) gezeigt.
In sechs Abschnitten setzt sich die Ausstellung mit Männlichkeit in ihren vielfältigen Erscheinungsformen auseinander.
Das erste Kapitel „Die Erschütterung des Archetyps“ untersucht die Darstellung konventioneller und klischeehafter männlicher Subjekte wie Soldaten, Cowboys, Athleten, Stierkämpfer, Bodybuilder und Ringkämpfer.
Das zweite Kapitel „Männliche Ordnung: Macht, Patriarchat und Raum“ lädt die Betrachter*innen ein, über die Konstruktion männlicher Macht, Geschlecht und Klasse nachzudenken.
Im Gegensatz zu den Konventionen des traditionellen Familienporträts geht es den Künstlern, die im dritten Kapitel “ Zu Nah an Zuhause: Familie und Vaterschaft“ versammelt sind, darum, das „Chaos“ des Lebens zu dokumentieren. Ihre Bilder sind Reflexionen von Misogynie, Gewalt, Sexualität, Sterblichkeit, Intimität und sich entfaltenden Familiendramen, die eine komplexe und nicht immer angenehme Sicht von Vaterschaft und Maskulinität zeigen.
Den Vorurteilen und rechtlichen Beschränkungen zum Trotz, denen sich Homosexualität in Europa, den Vereinigten Staaten und darüber hinaus im Verlauf des letzten Jahrhunderts ausgesetzt gesehen hat, veranschaulichen die im vierten Kapitel „Männlichkeit queeren“ gezeigten Werke, wie Künstler*innen seit den 1960er Jahren eine neue, politisch aufgeladene, queere Ästhetik geschaffen haben.
Das fünfte Kapitel „Die Rückeroberung des Schwarzen Körpers“ rückt Künstler in den Vordergrund, die im Laufe der letzten fünf Jahrzehnte bewusst Erwartungen, die im Zusammenhang mit race, Gender und dem weißen Blick stehen, unterlaufen haben, indem sie die Macht zurückforderten, ihre eigenen Identitäten zu gestalten.
In den 1960er und 1970er Jahren versuchten Aktivisten mit dem Aufkommen der zweiten Welle des Feminismus, tief verwurzelte Vorstellungen von Maskulinität aufzudecken und zu kritisieren, um alternativen Sichtweisen auf Gender und Repräsentation Raum zu geben. Vor diesem Hintergrund werden im sechsten Kapitel „Frauen über Männer: Die Revidierung des männlichen Blicks“ Arbeiten versammelt, die Männer zu ihrem Sujet machen, Männlichkeit aus feministischer Perspektive untersuchen und die gesellschaftliche Konstruktion von binären Geschlechterzuordnungen aufbrechen.
Stephanie Rosenthal, Direktorin des Gropius Bau, erklärt: „Heute werden gängige Vorstellungen davon, was es bedeutet ein Mann zu sein oder zu werden, zunehmend hinterfragt. Besonders für jüngere Generationen, die auf eine ganz andere Weise mit diesen Fragen konfrontiert sind, bietet die Ausstellung Masculinities: Liberation through Photography eine nuancierte Auseinandersetzung mit Männlichkeiten in all ihren Facetten und Zwischentönen. Die in der Ausstellung gezeigten Arbeiten von über 50 internationalen Künstlern schlagen eine Brücke von klassischen Männlichkeitsbildern zu fluiden geschlechtlichen Identitäten und schaffen es so, einer komplexen Wirklichkeit gerecht zu werden.“