Bis zum 1. Juni zeigt der Düsseldorfer Kunstpalast die von Peter Lindbergh noch vor seinem Tod im September 2019 selbst kuratierte Werkschau „Untold Stories“. Parallel präsentiert die noir blanche Galerie für Fotografie Arbeiten von Lindberghs fotografischem „Lehrherrn“ Hans Lux. Im ProfiFoto Interview teilt er seine Erinnerungen.
ProfiFoto: Hans Lux, ist Ihr Name eigentlich echt?
Hans Lux: Und ob der echt ist. Der Name war quasi die Verpflichtung für mich, Fotograf zu werden …
Sie gelten als fotografisches Urgestein der Düsseldorfer Fotoszene. Wie waren Ihre Anfänge als Fotograf?
Angefangen zu fotografieren habe ich mit 16. Mit 18 habe ich dann eine Lehre bei Foto Leistenschneider gemacht und dort vor allem im Labor gearbeitet, weil ich ursprünglich im Anschluss daran auf die Folkwangschule in Essen wollte. Das war in den 60er Jahren. Damals hatte Leistenschneider noch ein eigenes Fotostudio, wo ich mir alles beigebracht habe. Dann habe ich mich beim Fotostudio der damaligen Modezeitschrift Constanze in Hamburg beworben. Der dortige Studioleiter wollte mich stattdessen für sein eigenes Werbestudio in Sennestadt anheuern. Da wollte ich aber nicht „tot über dem Zaun“ hängen. So musste er dann eigens für mich ein Studio in Düsseldorf einrichten. Das war für mich der Anfang als junger Fotograf. Mein Studium an der Folkwangschule war dann passé. Anschließend habe ich für die Zeitschrift „Elegante Welt“ gearbeitet, bevor ich mein eigenes Studio gründete. Da war ich 23.
Und wie haben Sie damals Peter Lindbergh getroffen?
Ich war immer ein Autonarr. Anfang der 70er hatte ich einen Lotus Super 7, den ich an den Galeristen Hans Mayer verkauft habe. Mit dem war Pit befreundet.
Damals hieß er noch Brodbeck, hatte lange Haare und trug immer einen weißen Overall. Das war die Zeit, als er Kunst gemacht hat und sich Sultan nannte. Ich fand ihn auf Anhieb sympathisch. Er meinte, er wolle gerne fotografieren, aber hätte noch nie eine Kamera in der Hand gehabt. Daraufhin lud ich ihn in mein Studio ein. Am nächsten Tag stand er vor der Tür. Nach rund zwei Monaten hatte er verstanden, worauf es beim Fotografieren ankommt, und wir haben die folgenden zwei Jahre zusammengearbeitet. Mein größter Kunde damals war C&A, für den ich hauptsächlich Kinder- und Jugendmode fotografiert
habe.
Wie kann man sich das Fotografen-Business Anfang der 70er Jahre vorstellen?
Total anders als heute. Wir haben alles fotografiert, was Geld brachte. Für Kunden und Agenturen zählte damals die persönliche Ansprache und die Sympathie. Ich brauchte nie eine Repräsentantin. Das waren die Pionierzeiten der Werbeagentur-Szene, und die waren viel persönlicher als heute.
Der Tagessatz damals lag bei rund 800 bis 1.000 Mark. Vorbilder waren damals Fotografen wie Irving Penn oder Richard Avedon.
Und die Fotografenszene zu der Zeit, wie sah die aus?
Zu der Zeit gab es im Grunde nur drei Fotografen in Düsseldorf: Charles Wilp, Willy Gursky, der Vater von Andreas Gursky, und mich. Dann fällt mir noch Werner Scholten ein, der wegen Mordes aus Eifersucht angeklagt war. Zu meinen damaligen Assistenten zählten unter anderem Beate Hansen, damals noch Borowsky, Peter Godry, Holger Eckstein und viele andere …
Wie wurde aus Peter Brodbeck eigentlich Peter Lindbergh?
Es gab damals in Düsseldorf noch einen anderen Fotografen namens Brodbeck. Immer, wenn Peter Filme für mich zum Labor gebracht hat, gab es Ärger, weil beide verwechselt wurden. Der andere Brodbeck war überall als Kunde auf der roten Liste, weil er seine Rechnungen nicht bezahlt hat. Das war der Grund, weshalb Peter Brodbeck seinen Namen geändert hat, von da an hieß er offiziell Lindbergh. Der Name Brodbeck erschien ihm möglicherweise aber auch zu profan.
Wenn man Peter Lindbergh erlebte, war seine Herkunft aus dem Ruhrgebiet Zeit seines Lebens nicht zu verkennen…
Das war ja gerade das Gute an ihm. Peter hat nie seine Herkunft verleugnet und blieb durch und durch gerade. 50 Prozent an seinem Erfolg machte er als Mensch aus, 50 Prozent seine fotografischen Fähigkeiten. Beides war bei Peter zu gleichen Teilen vorhanden, was in der professionellen Fotoszene damals wie heute eine Seltenheit ist. Die meisten Fotografen waren eher schwierige Persönlichkeiten.
Bei seiner Arbeit mit Fotomodellen kam ihm zugute, dass er ein wirklich netter Kerl war. Im Gegensatz zu vielen anderen Fotografen in der Zeit wäre Peter den Modellen nie an die Wäsche gegangen. Er hat sie geliebt, aber niemals angefasst. Nur so konnte er das Vertrauensverhältnis zu seinen Modellen aufbauen, das er brauchte, um diese Bilder entstehen zu lassen. Außerdem hat Peter nie Angst vor großen Namen gehabt. Peter war meistens gut gelaunt. Menschlich war er ein Sonderfall in der Szene, zumal für einen Fotografen, der so weit oben stand wie er. Und das hat er ja auch zurückbekommen. Bei seiner Beerdigung waren viele prominente Freunde zugegen, Charlotte Rampling, viele seiner Fotomodelle. Peter war es wichtig, anständig mit Menschen umzugehen.
Und hat sich später dann Ihr persönliches Verhältnis zu ihm entwickelt?
Peter und ich sind über all die Jahrzehnte freundschaftlich verbunden geblieben. Wir haben uns oft gesehen, ich war bei jeder seiner Ausstellungen zur Eröffnung. Anlässlich einer Pressekonferenz hat er einmal mit Blick auf mich gesagt: „Da sitzt der Mann, ohne den ich nicht Fotografieren würde“. Das ist natürlich Quatsch, denn eigentlich habe ich gar keinen Anteil an seinem späteren Erfolg. Was er bei mir vielleicht gelernt hat, war Respekt im Umgang mit Fotomodellen. Peter hat erst sehr spät angefangen, digital zu fotografieren.
Arles war einer seiner Lieblingsorte, viele seiner Fotos sind auch in Deauville entstanden. Im Labor hat Peter übrigens nie gestanden, das lief schon zu unserer gemeinsamen Zeit über Fachlabore.
Aber wie ist aus dem Assistenten dann der internationale Starfotograf geworden?
Peter war damals mit seiner ersten Frau Astrid verheiratet, die kam aus Krefeld und Peter bekanntlich aus Duisburg-Rheinhausen. Astrid war später Repräsentantin, und mit ihr hat er sein erstes Studio auf der Düsseldorfer Ackerstraße eröffnet. Das war ein großer Raum mit schwarz gestrichenen Wänden. Er hat mit Kinderfotos angefangen. Am Anfang hat er als Werbefotograf auch nur mit Wasser gekocht. Astrid und Peter wollten nach Paris und kannten Christa Ritter, die heute mit Reiner Langhans in München lebt. Damals war sie Repräsentantin und hat ihnen die Türen geöffnet.
Es ist einfach zu schade und macht mich sehr traurig, so einen sympathischen und netten Menschen und Freund zu verlieren. Ich denke sehr oft an ihn.
noir blanche Galerie
without words
Die noir blanche Galerie für Fotografie zeigt in der Ausstellung „Hans Lux – without words“ vom 13. März (Vernissage) bis 23. Mai im Rahmen des Fotofestivals duesseldorf photo+ Arbeiten des Fotografen aus 50 Jahren.
noir blanche Galerie für Fotografie, Rather Str. 34, Düsseldorf, Mi-Fr 15-19 Uhr, Sa 11-16 Uhr und nach Vereinbarung
www.noirblanche.de