Dank Crowdfunding und der Unterstützung verschiedener Stiftungen zeigt die Photobastei Zürich vom 1. November bis zum 22. Dezember die bisher umfassendste Retrospektive des Fotografen Karlheinz Weinberger (1921 bis 2006).
Weinberger ist vor allem bekannt für seine Portraits von Halbstarken. Die Ausstellung in Zürich zeigt sein gesamtes Werk, darunter Schlüsselwerke aus allen Perioden sowie noch unveröffentlichte Werkteile, die einen starken Bezug zu Zürich haben. Der kuratorische Ansatz folgt einer erotischen Spur, die sich von den frühesten bis zu den letzten Bildern zieht und die das künstlerisch-fotografische und erotische Selbstverständnis Weinbergers sichtbar macht. Die Ausstellung wird von Patrik Schedler konzipiert, der seit dem Jahr 2000 das Werk und später den Nachlass von Karlheinz Weinberger sicherte, sichtete und erschloss.
Mit Karlheinz Weinberg widmet sich die Photobastei nach Vivian Maier, Arnold Odermatt und Miroslav Tichy wieder einer fotografischen Position, die erst verspätet zu ihrer Adelung durch die Kunstwelt kam.
Dies mag bei Weinberger im Besonderen mit dem Gegenstand seiner Bilder, dem Außergewöhnlichen, wie er es selber nannte, im Zusammenhang stehen. Auf seinen Bildern sind fast ausschließlich Menschen zu sehen, mehr Männer als Frauen, und die meisten seiner bevorzugten Sujets fallen bereits auf den ersten Blick aus dem gutbürgerlichen Rahmen ihrer Zeit. Karlheinz Weinbergers Portraits der Halbstarken waren in mancherlei Hinsicht auch seine idealsten Sujets. Der einseitigen Reduktion auf diese Arbeiten trug eine bei den Rencontres d’Arles im letzten Jahr gezeigte und äußerst erfolgreiche Ausstellung erstmals Rechnung. Sie wurde von der Galerie Esther Woerdehoff, Paris, produziert und von François Cheval kuratiert. Der Kern der Ausstellung in der Photobastei sind Werke, die in dieser großen, auf ein internationales Publikum ausgerichteten Ausstellung gezeigt wurden. Allerdings wird die Auswahl durch weitere Schlüsselwerke aus allen Perioden und vor allem auch durch in Arles nicht gezeigte Werkteile, die einen starken Bezug zu Zürich haben, ergänzt. Die Ergänzungen und Erweiterungen betreffen dabei Arbeiten, die in den Magazinen ‚Der Kreis‘ und ‚Club68‘ publiziert wurden, außerdem das grosße Thema ‚Sport‘ und Fotografien im Kontext von Volkskultur und Zirkus.
Weinbergers lustvolle Männerporträts stechen hervor in ihrer eigenständigen Ästhetik. Sie sind bildstarke, freigeistige und selbstbewusste Antworten auf eine grundlegende gesellschaftliche Problemstellung der Nachkriegszeit: Wie (und wo) kann ein schwuler Fotograf in einer noch weitgehend homophoben, auf jeden Fall heteronormativen Gesellschaft, Männer fotografieren, die ihm gefallen? In der legendären, in Zürich beheimateten, aber international ausstrahlenden Schwulenorganisation „Der Kreis“ machte Weinberger den Hoffotografen, der die diversen Partys und Varieté-Abende und ihre Besucher dokumentierte, was ihn erklärtermaßen aber mäßig interessierte. Mit mehr Enthusiasmus steuerte er für das gleichnamige und an Abonnenten in der ganzen Welt verschickte Magazin des „Kreis“ homoerotische Portraits bei.
Weinberger hat dabei nie idealisierte Idole, sondern immer wirkliche, charaktervolle, lebendige, echte Typen fotografiert, die er auf der Straße getroffen hat. Die von Patrik Schedler konzipierte Ausstellung wird das künstlerisch-fotografische und erotische Selbstverständnis von Karlheinz Weinberger sichtbar machen, so wie der Künstler in seinen letzten sechs Lebensjahren den Kurator als Freund und Willensvollstrecker instruierte.