Am 19. September 2018 eröffnet die Ausstellung „CORPUS DELICTI – Drei zeitgenössische Statements zur Aktfotografie und Körperinszenierung“ in der Galerie The Ballery in Berlin-Schöneberg. Mit Werken der Fotografen Sonia Szóstak (*1990, Polen), Steven Kohlstock (*1982, Deutschland) und Simon Lohmeyer (*1989, Deutschland) zeigt die Ausstellung den Status Quo der Aktfotografie und Körperinszenierungen.
Darüber hinaus lädt sie zum Diskurs über Nacktheit und Öffentlichkeit ein: Wie viel Haut ist in der Öffentlichkeit im Allgemeinen und den Sozialen Netzwerken im
Besonderen angebracht, welche Positionen nehmen die Fotografen zu dieser Frage ein, wie
nutzen sie die Nacktheit in ihren Arbeiten, wie gehen Leser bzw. Follower damit um?
Aktmalerei gehört zu den ältesten Genres der Kunstwelt, die ersten erotischen Fotos wurden 1845 mit dem Durchbruch Daguerreotypien möglich. Vertrieben wurden diese u. a. von Eugène Delacroix, Eugène Durieu und Bruno Braquehais aufgenommenen Werke durch Kunsthändler in Paris. Die Unikate, oftmals handkoloriert, zeigten Prostituierte oder promiskuitive Frauen, mal in Rückenansicht aufgenommen (Oscar Gustave Rejlander, Nude, 1857, oder Paul Berthier, Nude, 1865), mal durch einen Schleier verdeckt (Oscar Gustave Rejlander, Two Ways of Life, 1857).
Die nachfolgenden Pictorialisten ließen den weiblichen Körper durch die Linse wie eine verschwommene, auratische Traumsequenz erscheinen (Edward Steichen, Figure with Iris, 1902). Ab den 1920er-Jahren entstanden dann ikonische Werke wie Le Violon d’Ingres von Man Ray (1924) sowie zahlreiche experimentelle Körperstudien von Martin Munkácsi und László Moholy-Nagy oder später Herbert List und Edward Weston. Rasch durchlief die Aktfotografie eine Entwicklung vom verpönten Schmuddelfoto mit fragwürdigem Personal hin zur angesehenen Kunstform, die auch in Adels- und Prominentenkreisen beliebt war. Während der Körper um die Jahrhundertwende noch mit abgetönten, vagen Konturen inszeniert wurde, arbeiteten Fotografen wie Leni Riefenstahl und George Hurrell oder später auch Herb Ritts mit einer magischen Ausleuchtung und einer erotisierenden Sportlichkeit. Mit Hilfe von archaischer Architektur und strikten geometrischen Linien erreichte die Aktfotografie eine neue Qualität.
Aber wie wird die Aktfotografie heute bewertet und rezipiert? Während die älteren Generationen vor der öffentlichen Nackheit zurückschrecken und ihr kritisch gegenüberstehen, zeigt die heutige Jugend tendenziell eher alles. Das Internet wird mit nackten Selfies und pornografischen Bildern auf allen möglichen Plattformen geflutet; der Wille, den eigenen Körper zu zeigen und diesen für die 24/7-Zurschaustellung noch zu optimieren, war nie so populär wie heute.
Dabei geht es weniger darum, Tabus zu brechen, als um die Frage, wie viele Likes, neue Follower oder Kommentare man für die Fotos erhalten kann.
Die Ausstellung CORPUS DELICTI untersucht, wie zeitgenössische Fotografen den Körper Anderer wahrnehmen und diesen inszenieren, jeweils unter den Gesichtspunkten von Intimität, Geschlecht und Sexualität.
So wirft Sonia Szóstak einen weiblichen Blick auf den femininen Körper. www.soniaszostak.com
Steven Kohlstocks Fotografien zeigen die maskuline Sicht auf den männlichen Körper. www.stevenkohlstock.com
Simon Lohmeyer inszeniert und bildet sowohl Selbstporträts als auch Paare ab. www.dirtydirty.me
Kuratiert von Nadine Dinter
Eröffnung: Mittwoch, 19. September 2018, 19.00 Uhr
Laufzeit: 20. September – 21. Oktober 2018
Ort: The Ballery, Nollendorfstraße 11-12, 10777 Berlin
www.theballery.com
Bild oben: Orange County, 2017, Copyright: Simon Lohmeyer
Bild 1: Eva, 2015 © Sonia Szóstak
Bild 2: Carbonara I, 2018 © Simon Lohmeyer
Bild 3: Héctor, Madrid 2018 © Steven Kohlstock
Bild 4: Héctor, Madrid, 2018 © Steven Kohlstock
Bild 5: Eva, 2015 © Sonia Szóstak
Bild 6: Allegory of women, 2016 © Sonia Szóstak