Die von Ludger Derenthal und Frank Seehausen kuratierte Retrospektive zeigt im Berliner Museum für Fotografie einen Überblick des Werkes von Sigrid Neubert, eine der bekanntesten Architekturfotografinnen Deutschlands.
Rund 30 Jahre lang arbeitete Sigrid Neubert (*1927) für bedeutende Architekturbüros und entwickelte dabei mit ihren kontrastreichen, die Strukturen der Bauten klar herausarbeitenden Aufnahmen einen eigenen Stil. Seit den 1970er-Jahren schuf sie ebenso eindrucksvolle Naturbilder, denen sie sich ab 1990 ausschließlich widmete.
1954 machte Sigrid Neubert an der Bayerischen Staatslehranstalt für Lichtbildwesen in München ihre Meisterprüfung. Nach einer Zeit als Werbefotografin für die Glas- und Keramikindustrie konzentrierte sie sich in der zweiten Hälfte der 1950er-Jahre ganz auf die Architekturfotografie. Stilistisch orientierte sie sich dabei zunächst an US-amerikanischen Vorbildern und entwickelte aber eine eigene durch ungewöhnliche Perspektiven gekennzeichnete Bildsprache.
Sigrid Neubert Bomarzo, 1974 copyright Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek / Sigrid Neubert
Neubert arbeitete rund 30 Jahre vor allem in München und Bayern, aber auch in Österreich mit vielen bedeutenden Architekten zusammen. Sie fotografierte unter anderem für Kurt Ackermann, Alexander von Branca, Walther und Bea Betz und Hans-Busso von Busse. Direktaufträge führten sie unter anderem nach Mauretanien, Tansania und Brasilien.
Mit ihren einprägsamen Fotografien, die weltweite Verbreitung erfuhren, machte Sigrid Neubert die ikonische Wirkung vieler bekannter Bauwerke überhaupt erst publik. Ihre hochästhetischen Fotografien verankerten diese Bauwerke entscheidend in den Diskursen um Form, Funktion und Bauweisen. Neubert fand Standorte, die gleichermaßen erklären wie (auch) neugierig machen. Der intensive Dialog mit den Architekten war für Neubert Grundlage ihrer fotografischen Interpretation, und so sind neben ihren Bildern auch Zeichnungen einzelner Architekten zu sehen, unter anderem von Kurt Ackermann, Günther Behnisch, Bea Betz, Detlef Schreiber und Gerd Wiegand.
Besonders interessant ist Neuberts Werk nicht zuletzt aus architekturgeschichtlichen Gründen, da sie den Übergang von der Nachkriegsmoderne in die Spät- und Postmoderne begleitet hat und einen einzigartigen Einblick in die faszinierende und wenig bekannte Vielschichtigkeit moderner Architektur in Bayern und Franken gibt. Zahlreiche Bauten sind mittlerweile stark verändert oder abgerissen und nur noch in ihren Aufnahmen zu erleben.
Im zweiten Teil zeigt die Ausstellung jene Werkgruppen, die Sigrid Neubert der fotografischen Erfassung und schöpferischen Gestaltung natürlicher Phänomene widmete. Damit schließt das Vorhaben an die zahlreichen Ausstellungen im Museum für Fotografie an, die das Medium Fotografie in seiner ganzen Vielfalt zeigten. Ihre Ansichten des Nymphenburger Parks, der urtümlichen und geheimnisvollen Megalithbauten auf Malta oder Gozo und der farbenprächtigen Blumenblüten hat Sigrid Neubert nicht nur in Ausstellungen, sondern auch in Bildbänden veröffentlicht. Die prononciert subjektive Bildsprache dieser Naturaufnahmen fußt auf dem Einsatz von sensibel gesetzter Unschärfe, steilen Perspektiven und unkonventionellen Motivausschnitten.
Zur Sonderausstellung erscheint eine Publikation von Frank Seehausen im Hirmer Verlag: „Sigrid Neubert. Architekturfotografie der Nachkriegs- moderne“, ca. 336 Seiten, ca. 570 Abbildungen Preis: 45 Euro.
Bild oben: Sigrid Neuwert Hans Maurer Erdfunkstelle Raisting 2 um 1971 copyright Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek / Sigrid Neubert