Die Alfred Ehrhardt Stiftung widmet dem Thema „Nautilus – Schnecken, Muscheln und andere Mollusken in der Fotografie“ eine eigene Ausstellung mit begleitendem Katalogbuch. Den Ausgangspunkt dafür bilden die im Nachlass des Fotografen erhaltenen Aufnahmen, die Alfred Ehrhardt in seinen Fotobüchern ›Muscheln und Schnecken‹ (1941) und ›Geprägte Form‹ (1968) veröffentlicht hat.
Neben Pflanzen und Kristallen gehören Gehäuse von Schnecken, Muscheln und anderen Mollusken (Conchylien) zu jenen ›Bauformen der Natur‹, die die Fotografen der Moderne besonders fasziniert haben.
Das Interesse der Menschheit an Muschelschalen und Schneckengehäusen geht bis in frühkulturelle Zeitenzurück und hat in der Kulturgeschichte viele Spuren hinterlassen. Conchylien waren für Künstler und Fotografen nicht nur aufgrund ihres faszinierenden Formenreichtums, ihrer Schönheit, ihrer skulpturalen Qualität sowie der Magie ihres mathematisch exakten Spiralwachstums ein beliebtes Motiv. Mehr als durch jedes andere künstlerische Medium wurde die Conchylie durch die Fotografie als kosmisches, religiöses, mythologisches oder sexuelles Symbol zum Bedeutungsträger einer Welt jenseits des Materialen von überzeitlicher Gültigkeit.
Mit der Erfindung der Fotografie ergab sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine neue Möglichkeit der wissenschaftlichen Dokumentation, für die gerade auch Muscheln und Schnecken als Motive dienten.
In den USA schuf Edward Weston mit seinen Muschelaufnahmen Ikonen der Fotomoderne, die 1929 auch auf der einflussreichen Ausstellung ›Film und Foto‹ in Stuttgart zu sehen waren. Seine Aufnahme ›Nautilus Shell‹ (1927) zählt heute zu den teuersten Fotos überhaupt. Unter den amerikanischen Fotografen haben sich u.a. auch Edward Steichen und Imogen Cunningham kreativ mit Muscheln und Schnecken beschäftigt.
Im deutschsprachigen Raum sind verschiedene Vertreter der sachlichen Fotografie durch Aufnahmen von Muscheln und Schnecken hervorgetreten. Eine Besonderheit bilden dabei die erst kürzlich wiederentdeckten Röntgenfotos des Hamburger Architekten und Fotografen Fritz Block. Einen Höhepunkt schließlich stellen die Aufnahmen dar, die Alfred Ehrhardt für sein Buch ›Muscheln und Schnecken‹ (1941) angefertigt hat.
Eine gänzlich andere Sicht auf diese Naturobjekte vermitteln hingegen Beispiele in surrealistischem Kontext mit Aufnahmen von Herbert Bayer, Man Ray oder Herbert List. Die Ausstellung schließt mit einem Ausblick auf fotografische Positionen, die sich nach 1945 auf unterschiedliche Weise mit dem Bildthema ›Muscheln und Schnecken‹ auseinandergesetzt haben – von Josef Sudek über Andreas Feininger zu Wols oder Otto Steinert. Zusätzlich wird Alfred Ehrhardts preisgekrönter Film ›Tanz der Muscheln‹ (1956) gezeigt.
Neben Originalfotografien werden auch reale Conchylien aus der Sammlung von Alfred Ehrhardt gezeigt, ergänzt um Leihgaben des Museums für Naturkunde Berlin.
Der 128-seitige Katalog, im Michael Imhof Verlag erschienen, zeigt 50 Farb- + 78 SW-Abbildungen
Preis 19,95 Euro
Bild oben: Herbert List, Fortsetzung im Irrealen, Ostsee Strand, Deutschland, 1934 © Herbert List Nachlass, Hamburg
Bild links: Edward Weston Shell 1927, Abzug 1970er-Jahre © VG Bild-Kunst, Bonn 2018
Bild rechts: Man Ray, L’Oeuf et Coquillage, 1931, Abzug 1991 für Griffelkunst © Man Ray Trust, Paris/VG Bild-Kunst, Bonn 2018