Juergen Tellers Arbeiten bewegen sich an der Schnittstelle zwischen Kunst und kommerzieller Fotografie. Zahlreiche Werke stellt der Martin-Gropius-Bau in der Ausstellung „Enjoy Your Life” vor.
Mit dem im eigenen Gespür für Personen, Situationen, Milieus und Klischees gelingt es Juergen Teller ganz individuelle Bildkompositionen zu schaffen. Durch gezielte Brüche unserer Sehgewohnheiten und Erwartungen scheinen seine Bilder an die Substanz des Motivs zu reichen und die Idee einer nicht perfekten Schönheit steht im Vordergrund. Juergen Teller hält die von ihm Abgebildeten oft in privaten, intimen Momente fest, grenzüberschreitend und distanzlos, aber nie bloßstellend. Viele seiner Arbeiten sind autobiografisch geprägt und zeigen als subjektive Dokumentationen die Auseinandersetzung mit seiner Jugend und Heimat. Darunter sind auch ungeschönte Selbstinszenierungen – direkt, ehrlich, oft mit einem Schuss humorvoll.
‚I love my Mum, I love Germany
Winter/Spring 2017 No.8
Irene, Ilka, Karoline & Gisela Teller
at Bundeskunsthalle Bonn 2016
© Juergen Teller
In bewusster Distanz zum immerwährenden Glamour im Bereich der Mode- und People-Fotografie erreicht Juergen Teller Mitte der 1990er Jahre eine exponierte Stellung: In Modekampagnen für namhafte Label versetzt er Schauspieler, Supermodels, Popstars oder andere Prominente in neue, teils irritierende visuelle Zusammenhänge.
Nachdem er – aus einer Instrumentenbauerfamilie stammend – seine Bogenmacherlehre aus gesundheitlichen Gründen abbrechen musste, studierte er an der Bayerischen Staatslehranstalt für Photographie in München und zog 1986 als freier Fotograf nach London. Dort begann er für Musik-, Zeitgeist- und Modemagazine zu fotografieren und wurde 1991 bekannt, als er die Band Nirvana auf ihrer Nevermind Release-Tour begleitete und seine Fotos des schüchternen Frontmannes Kurt Cobain veröffentlicht wurden.
Juergen Tellers Arbeiten, oft umfangreiche Serien, werden in Büchern, Zeitschriften, Magazinen und Ausstellungen veröffentlicht.
Teller macht Dinge zu ‚Stars‘, die selten so gekonnt und metaphorisch dargestellt werden: Das opulente Buch Eating at Hotel Il Pellicano. Juergen Teller, Antonio Guida, Will Self zeigt Aufnahmen, für die Teller 2013 die Kreationen des Sternekochs Antonio Guidas in dem toskanischen Hotel in Szene setzt. Dieses künstlerische Prinzip überträgt er auch auf die nicht kommerziellen Arbeiten.
„Was mich letztlich einzig und allein interessiert, ist die Interaktion zwischen zwei Menschen. Einer von denen bin ich, der Fotograf. Und wenn mich diese Begegnungen berühren, dann ist es gut,“ erklärt Juergen Teller.
Tellers Neugierde und ‚Spielfreude‘ und vor allem seine Haltung, mit großer Selbstverständlichkeit Dinge/Motive zusammenzubringen, die scheinbar nicht zusammen gehören, zeichnen viele Arbeiten aus und so gibt es eben Aufnahmen von Modellen im heimatlichen Haus oder von Tante Gisela und Catherine Deneuve, die in Paris gemeinsam vor der Tür eine Zigarette rauchen.
Juergen Teller gibt in seinen Fotografien viel von sich preis, öffnet den Blick auf seine privatesten Momente und zeigt seine Kinder, die Ehefrau, seine Mutter und sich selbst. Er fordert von seinen Modellen die Bereitschaft zum Unverfälschten und Ungeschönten, so, wie sein unermüdlicher, ehrlicher, neugieriger, offener und unverstellter Blick auf das Motiv auch beim Betrachter Toleranz und Neugier voraussetzt.
„Alles ist im weitesten Sinne eine Art Selbstporträt. Es ist einfach die Art, wie Du die Dinge siehst, und wie gewisse Dinge Dich neugierig machen und Dich einfach mitreißen“, so Teller.
20. April bis 3. Juli 2017
Bild ganz oben: Juergen Teller, Self-portrait, Plates/Teller, No.175, 2016 © Juergen Teller