Otto Steinert wäre im Juli 100 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass ist im Essener Folkwang Museum vom 16. Oktober bis zum 24. Januar eine umfangreiche Ausstellung aus dem Nachlass des großen Fotografen und Fotolehrers zu sehen. Sie umfasst Highlights, aber auch bisher selten gezeigte Arbeiten.
Wie kaum ein anderer prägte Otto Steinert, der 1915 in Saarbrücken zur Welt kam und 1978 nach 18jähriger Lehrtätigkeit in Essen verstarb, die deutsche Fotografie der 1950er und 1960er Jahre. Dienen Jubiläen und Jahrestage oftmals dazu, Figuren aus der Vergessenheit zu holen, so ist Otto Steinerts Werk bis heute in Essen auf vielfältige Weise präsent. Als Lehrer an der Essener Folkwangschule für Gestaltung prägte er ab 1959 eine ganze Generation von Studierenden und festigte den herausragenden Ruf der fotografischen Ausbildung, der sich mit dem Namen Essen verbindet. Nach seinem Tod 1978 ging seine Studiensammlung an das Museum Folkwang über – sie bildete den Grundstock der Fotografischen Sammlung, die heute Weltruf genießt. Ein Jahr später folgte der fotografische Nachlass Otto Steinerts. In zahlreichen Ausstellungen wurde seither sein Werk als Fotograf, Lehrer und Sammler vorgestellt. Mittelpunkt der Jubiläums-Ausstellung ist Steinerts eigenes fotografisches Schaffen, beleuchtet aus der Perspektive seiner einflussreichen Schrift „Über die Gestaltungsmöglichkeiten der Fotografie“, die er im Katalog zur 2. Ausstellung der Subjektiven Fotografie 1955 veröffentlichte. Darin formuliert er vier Vollendungsstufen des fotografischen Schaffens, die in einer darstellenden fotografischen Gestaltung und einer absoluten fotografischen Gestaltung ihren künstlerischen Höhepunkt finden. Die Ausstellung macht anhand von Steinerts Meisterwerken, aber auch unbekannteren Bildern deutlich, wie sehr der Wortführer der westdeutschen Nachkriegsfotografie das große unvollendete Kapitel der fotografischen Abstraktion zum Fluchtpunkt seines Schaffens machte: An die Stelle der Abbildung von Wirklichkeit setzte Steinert die Autonomie einer eigenen Bildwirklichkeit. In Fortführung der formalen Experimente des Neuen Sehens der 1920er und 30er Jahre werden nun die kameralose Fotografie, die Reduktion auf strenges Schwarzweiß, enge Ausschnitte, Langzeitbelichtungen, die Umkehrung von Tonwerten sowie Mehrfachbelichtungen in der Dunkelkammer zu den bevorzugten fotografischen Gestaltungsmitteln. Aufnahmen des jungen Otto Steinert zeichnen zudem den praktischen und theoretischen Weg seines Schaffens nach. Ergänzt wird die Auswahl durch Werke des abstrakten Expressionismus der Malerei dieser Jahre. Am 27. und 28. November ergänzt ein international besetztes Symposium mit dem Titel „Arbeit am Bild: Otto Steinert und die Felder des Fotografischen“ die Ausstellung. Die Veranstaltung ist eine Kooperation der Folkwang Universität der Künste und des Museum Folkwang in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Photographie.
Foto: Ein-Fuß-Gänger, 1950 © Nachlass Otto Steinert, Museum Folkwang, Essen