Linda Evangelista sagte im Interview mit der „Vogue“ den legendären Satz: „Für weniger als 10.000 US-Dollar pro Tag stehen wir noch nicht einmal auf“. Aussagen wie diese waren symptomatisch für die 1990er Jahre. Viele träumten davon, ebenso abgebrüht und erfolgreich wie die Supermodels zu sein. Nichts störte ihre makellose Glätte, was sich an den Covern der „Vogue“ ablesen lässt. In den 1990er Jahren dominierten High-Key-Fotos und zunehmend wächserne Gesichter. Deren Bedeutung offenbart die Zen-buddhistische Weisheit: „Das Wesentliche an einer Schale ist ihre Leere“. Erst aufgrund der totalen Leere, die hinter diesen Oberflächen herrschte, konnten sie als Gefäß für die Träume von Millionen dienen.
Das mag hämischer klingen, als es gemeint ist. Denn ein solches Gefäß herzustellen, erfordert meisterhafte Technik und das richtige Material. Das eine besaß etwa ein Künstler wie Herb Ritts reichlich, das andere stellten Musen wie Claudia Schiffer bereit. Über das zu Unrecht geschmähte Multitalent sagte Karl Lagerfeld: „Sie hat 10.000 Ausdrucksweisen und eine wirkliche Love-Story mit der Kamera“. Diese und andere Liebesgeschichten, die Publikum, Fotografen und Supermodels miteinander verbanden, entdeckt man in der Berliner Ausstellung.
Bild: Bruno Bisang, Claudia Schiffer, Paris 1997