Im Süden Spaniens leben tausende, meist afrikanische Flüchtlinge in selbstgebauten Hütten, so genannten Chabolas. Die Immigranten kommen in der Hoffnung, in den riesigen Obstbauplantagen wenigstens tageweise Arbeit zu finden. Über 90 Prozent haben weder Einnahmen noch bekommen sie Unterstützung. Die Chabola-Siedlungen werden von den Behörden stillschweigend geduldet. Es sei denn, sie sind in Sichtweite von Touristenstraßen. Dann kommen Bulldozer und machen die Chabolas platt. Besser versteckt entstehen dann aus herumliegenden Abfallmaterialien des Obstanbaus neue Hüttensiedlungen – aus Plastikplanen, Obstkartons, Transportpaletten. Wasser muss oft von weither geholt werden, gebrauchte Pflanzenschutz- und Düngemittel-Behälter dienen als Kanister. Die Fotos der Chabolas entstanden im Winter 2012 in der Region von Huelva, dem größten Erdbeer-Anbaugebiet Europas. Die Ansiedlungen verstecken sich dort vorwiegend in den Pinienwäldern, in direkter Nachbarschaft zu den Plantagen. Um die Anonymität der meist illegal dort Lebenden zu schützen, wurden die Hütten menschenleer fotografiert – aber nicht klammheimlich, sondern im Einverständnis mit den Bewohnern und in enger Zusammenarbeit mit vor Ort tätigen afrikanischen Selbsthilfe-Organisationen.
Rainer Viertlböck, Jahrgang 1958, studierte Jazz und Komposition. Von 1984 bis 1998 komponierte er zahlreiche Filmmusiken. Seit 1998 arbeitet er als Fotograf (Landschaft, Architektur, Industrie). Seit 2005 arbeitet er häufig mit Helmut Jahn zusammen, dessen komplettes Werk er neu fotografiert hat. Rainer Viertlböck hat sich in mehreren Serien mit den Kehrsei-ten unserer hochindustrialisierten Welt auseinandergesetzt. Er fotografierte Minenanlagen, kontaminierte Landschaften, verlassene Dörfer bei Fuku-shima, Vernichtungslager, Bunkeranlagen in der Normandie, die gigantische KdF-Anlage in Prora und eben die Chabolas.
Foto: © Rainer Viertlböck