Leonore Maus Werk vereint künstlerische Auffassung mit ethnografischer Bestandsaufnahme und wurde in allen großen deutschen Zeitschriften veröffentlicht. Mit ihren Aufnahmen von heiligen Orten und Handlungen schlägt sie eine Brücke zwischen ihrem Lebensthema – den afroamerikanischen Religionen – und der menschlichen Erlebniswelt.
Die Ausstellung gibt Einblick in Leonore Maus Porträtfotografie, ein Genre, welches die Fotografin über ihr gesamtes Werk und auf den gemeinsamen Reisen mit dem Schriftsteller Hubert Fichte begleitete. Die Porträts aus der Anfangsphase ihres fotografischen Schaffens stammen vor allem aus dem Wirkungsumfeld von Hubert Fichte. Sie zeigen Schriftsteller wie Ingeborg Bachmann und Jean Genet. Auf einer Reise in die Schweiz entsteht 1964 für Merian eine Porträtreihe des Malers Oscar Kokoschka. Die Abbilder von Künstlern und Autoren wirken als Assoziationsgeflecht aus Angesicht und Psyche, Werk und Berufung der Porträtierten. Einsicht in das Unsichtbare und Visualisierung verborgener Tabus geben auch die Porträts der Geweihten aus den Ritualen der Santerìa, des Candomblé und der Macumba. Hier verzerren sich die Gesichter in Trance und erleuchten in Hingabe angesichts der Götterpräsenz in Körper und Geist. Unter dem Titel „Das Zweite Gesicht“ zeigt die Ausstellung die vom Geiste Gezeichneten, von Göttern und Dämonen Besessenen und die unter Masken verbogenen Porträts. Ein Schlüsselbild zeigt Hubert Fichte, sein Gesicht ist zur Hälfte mit einer Dan-Maske bedeckt. Er selbst schreibt dazu: „Mit nichts entblößt man sich so wie mit Masken. Nackt, um zu entschlüpfen“. Exemplarisch eröffnet diese ungewöhnliche Porträt-Ausstellung den Blick auf die Entwicklung eines Oeuvres und die Entfaltung von Leonore Maus einzigartiger Motivwelt. Leonore Mau wurde 1916 in Leipzig geboren. Sie studierte Bühnenbildnerei und absolvierte eine Ausbildung zur Pressefotografin. Seit 1953 war sie als Fotografin tätig, zunächst im Bereich Architekturfotografie. Ab 1962 lebte und arbeitete sie zusammen mit Hubert Fichte. 1969 reisten sie erstmals gemeinsam nach Brasilien und erforschten in den folgenden Jahren die afroamerikanischen Religionen in der Karibik, in Lateinamerika und Afrika. In Korrespondenz mit Hubert Fichte hat Leonore Mau ihre Fotografien unter anderem in zwei Bildbänden zu Xangô, 1976, und Petersilie, 1980, publiziert.
Foto: Lil Picard, Hamburg 1963 © Nachlass Leonore Mau, S. Fischer Stiftung