Jonathan Appleby von www.copytrack.com, dem Berliner Service für Fotografen zum Schutz gegen den Bilderklau, sprach mit der Foto-, Video- und Performance-Künstlerin Jocelyn Allen, über ihre Gedanken zur Fotografie und die Gefahr unrechtmäßiger Bildnutzungen.
Für Jocelyn Allen, Gewinnerin des BJP’s Graduate Single Image Awards, ist das Fotografieren ein Mittel, um besser mit ihren persönlichen Problemen umgehen zu können. Sie versteht die Fotografie als eine Art Therapie, die sie in ihrer persönlichen Entwicklung voranbringt. Unter einem Pseudonym präsentiert sie diese Art von Selbsttherapie auf Youtube – hier tanzt sie vor der Kamera und spricht über schmerzliche Erfahrungen in ihrer Vergangenheit.
Mit Copytrack hat Jocelyn Allen über ihre letzten Arbeiten sowie über ihre Erfahrungen mit Bilderklau gesprochen. Aber sie hat auch ein paar Hinweise für aufstrebende Fotografen/-innen verraten.
Jonathan Appleby: Hi Jocelyn, für Dich ist die Fotografie etwas ganz Besonderes. Du erforschst auf diesem Weg schwere Themen, wie Repräsentation, Selbstwertgefühl, Angst, Offenbarung und Identität. Kein Leichtes, wie wir denken – aber erzähl uns doch erstmal, wie bist du zur Fotografie gekommen?
Jocelyn Allen: Zu meinem 15. Geburtstag habe ich eine 1MP Digitalkamera geschenkt bekommen, mit der ich dann hauptsächlich Fotos von meiner jüngeren Schwester und von Musik-Konzerten gemacht habe. Später auf dem College konnte ich mich dann nicht entscheiden, welches Fach ich neben Geschichte und Englisch belegen sollte. Ich wollte nicht irgendein Fach nehmen, also wechselte ich das College, um Fotografie zu studieren.
Jonathan Appleby: Deine Arbeit ist sehr persönlich. In deiner Kunst sprichst du offen über sehr intime Erinnerungen, womit viele Menschen hadern würden. Gibt es einen Grund, warum du deine Kunst so sehr auf dich selbst fokussierst und bist du manchmal besorgt, dass du möglicherweise zu viel von dir preisgibst?
Jocelyn Allen: Es gab schon Zeiten, in denen ich mich von meinen Selbstportraits wegbewegte, da ich kein One-Trick-Pony sein wollte. Meine Arbeit ist für mich wie eine Therapie und hat mir sehr dabei geholfen, mich selbst und meine Fehler zu akzeptieren. Jedes meiner Projekte hat mich auf verschiedene Art und Weise aus meiner Komfortzone geholt, woran ich als Person gewachsen bin. Manchmal denke ich schon darüber nach, ob ich mich der Öffentlichkeit zu sehr offenbare. Ich hoffe nur, dass die von mir angesprochenen Themen anderen Menschen dabei helfen, mit ihren Problemen und ihrer Vergangenheit besser klarzukommen.
Jonathan Appleby: Auf Youtube gibt es 40 Stunden Videomaterial von dir, wie du vor der Kamera tanzt – du sagst, du machst das, um dein Selbstbewusstsein zu stärken. Wie bist du auf diese Idee gekommen?
Jocelyn Allen: Ich tanze ziemlich viel, wenn ich zuhause bin. Als ich einmal tanzend vor meinem Computer stand, kam mir die Idee, das Ganze aufzuzeichnen. Ich habe große Angst davor, von anderen beurteilt zu werden – vermutlich ist dieses auf meine Zeit als Teenager zurückführe. Die Videos haben mir definitiv dabei geholfen, diese Angst zu überwinden. Außerdem habe ich Impro-Comedy für mich entdeckt, wozu ich ohne die Videos und meine Selbstportraits niemals imstande gewesen wäre.
Jonathan Appleby: „Don’t Take Me Out My Melons“ ist eines deiner laufenden Projekte. Was genau ist dabei deine Zielsetzung?
Jocelyn Allen: „Don’t Take Me Out My Melons“ ist es ein therapeutisches Projekt für mich. Die Warteliste für eine klassische Therapie war so lang, dass ich 8 Monate auf meinen Termin warten musste. Ich brauchte irgendetwas, um meine negative Energie zu kanalisieren und mich abzulenken. Durch Impro-Comedy wurde mir bewusst, wie viel Angst ich im echten Leben vor meinen eigenen Worten hatte, davor falsch zu liegen und auf Widerstand von anderen Menschen zu stoßen. Irgendwie wusste ich das schon durch meine Hass-Liebe zu Social-Media, doch Impro-Comedy hat es mir noch einmal ganz deutlich vor Augen geführt. Viele meiner Fotos sind keine Meisterwerke, sondern eher langweilig und trist. Mein Ziel war es hier auch überhaupt nicht, eine visuell anspruchsvolle Fotoreihe zu produzieren. Es ist eine Art und Weise, mich selbst zu akzeptieren.
Jonathan Appleby: Was sind deine Gedanken zum Teilen deiner Kunst auf Social Media? Machst du dir manchmal Sorgen, dass deine Bilder geklaut werden könnten und tust du etwas, um dich davor zu schützen?
Jocelyn Allen: Die Bilder im Internet zu teilen ist in der heutigen Zeit, denke ich, ein wichtiger Teil der Arbeit eines jeden Fotografen. Der Großteil meiner Bilder wäre der Welt völlig unbekannt, hätte ich sie nicht online gestellt, also hat es für mich durchaus Vorteile. Dennoch muss man aufpassen, zum Beispiel teile ich meine Bilder nicht gerne in zu großer Dateigröße – vielen meiner Freunde wurden Bilder gestohlen. Auf deren Fotos sind jedoch oft berühmte Menschen zu sehen, was bei meinen ja nicht der Fall ist. Ich lade meine Bilder in möglichst niedriger Auflösung hoch und bringe auf all meinen Dateien Wasserzeichen an, obwohl ich weiß, dass diese ganz einfach gelöscht werden können.
Jonathan Appleby: Welchen Rat würdest du einem aufstrebenden Fotografen bzw. Fotografin geben, und von welchem Fotograf/Innen lässt du dich inspirieren?
Jocelyn Allen: Es gibt immer mehr Menschen auf der Welt, die sich selbst als Fotografen bezeichnen. Um dich von den anderen abzuheben musst du viel Leidenschaft und den Willen zu harter Arbeit mitbringen. Fotos zu schießen ist nur ein kleiner Teil des Jobs, daneben müssen viele administrative und langweilige Dinge erledigt werden. Diesen Dingen widme ich mich mehrere Tage pro Woche, um sicherzugehen, dass ich meine Miete bezahlen kann und genug zu essen habe. Hier in London sind die Mieten sehr hoch und wenn ich mich finanziell unsicher fühle, kann ich meiner persönlichen Arbeit nicht nachgehen. Macht das, was sich richtig anfühlt! Wenn ich nach Inspiration suche, gehe ich einfach auf Instagram und sehe mir die tollen Fotos meiner Freunde an. Das motiviert mich sehr für meine Arbeit.
Jonathan Appleby: Du hast kürzlich den Preis für den Graduate Single Image, BJP Breakthrough gewonnen. Wie hast du darauf reagiert was sind deine Pläne für die Zukunft?
Jocelyn Allen: Ich war geschockt! Sonst bin ich eher ablehnende Mails gewohnt. Aber natürlich habe ich mich unglaublich gefreut. Zurzeit arbeite ich an einem Auftrag für das Creative Black Country, Multistory and Delhi Photo Festival über Punjabi Frauen und Mädchen im Black Country (UK) und dem Punjab (Indien). Ich wollte nun schon eine ganze Weile eine Fotoreihe von anderen Frauen machen, daher trifft sich das ganz gut und ich bin sehr froh darüber, im Rahmen des Projekts viel mit anderen Menschen arbeiten zu können. Daneben mache ich dennoch weiterhin neue Selbstportraits und Videos.
Mehr von Jocelyn Allen finden Sie auf ihrer Website oder auf ihrem Instagram-Account.
Alle Fotos: Copyright Jocelyn Allen/ copytrack