Während einer Reise in sein Heimatland Guatemala entdeckte Antonio Rodriguez vor zwei Jahren Fotografien seines ihm unbekannten Großvaters. Für ihn der Auftakt zu einer fotografischen Spurensuche und zur Auseinandersetzung mit der Geschichte des Landes.
Antonio Rodriguez: „Mein Vater war noch ein Kind, als mein Großvater starb und hat kaum Erinnerungen an ihn. Mit etwas Klebeband waren die Fotos an einem alten Ausweis befestigt. Mein Interesse war geweckt. Es wurde noch viel stärker, als ich bei einem Familientreffen ganz nebenbei erfuhr, dass mein Großvater aufgrund der politischen Situation in Guatemala während der Diktatur unter Jorge Ubico (1931-1944) ins Exil nach Mexiko fliehen musste“, so der Fotograf.
Zurück in Deutschland wollte er den historischen Kontext der Militärdiktatur und somit die Lebenssituation seines Großvaters zu jener Zeit verstehen lernen. „Das alltägliche Leben war geprägt von Gewalt, Unterdrückung, Militarisierung und Machtmissbrauch“, so Antonio Rodriguez.
Mit dem Ziel, die Flucht seines Großvaters nach Mexiko zu rekonstruieren, reiste er etwa ein Jahr später erneut nach Guatemala, befragte nahe Familienangehörige und alte Freunde seines Großvaters. „Meine Ergebnisse waren eine Reihe von oberflächlichen Interviews – leere Stimmen der Angst und Zurückhaltung, die Anekdoten erzählten und Ausflüchte suchten, ohne tatsächlich ins Detail der Diktatur oder des Exils zu gehen“, so Rodriguez. Darüber hinaus suchte er in offiziellen Archiven in Mexiko sowie im Geburtsort seines Großvaters, Tacaná, nach weiteren Informationen, stieß aber lediglich auf einige wenige Fragmente.
Das Fotoprojekt „Tacaná“ ist sein persönlicher Weg, um die Mechanismen der Erinnerung in einem Kontext permanenter Unterdrückung sowie die Prägung der Identität durch Ideale, Zeit, Verlust und Abwesenheit zu verstehen.
Antonio Rodriguez: „Auf der Suche nach meinen eigenen Wurzeln enthält dieses Projekt autobiografische Komponenten. Zudem spiegelt es die Notwendigkeit wider, Familienerinnerungen zu retten und das vorhandene Schweigen zu durchbrechen. Auf einer übergeordneten Ebene soll das Projekt ebenso zum Aufbau einer historischen Erinnerung in der guatemaltekischen Gesellschaft beitragen und einem „Unbekannten“ meiner eigenen Familie eine Stimme geben: Mein Großvater steht in diesem Falle stellvertretend für viele weitere Menschen, die das Regime des Terrors in Guatemala hinterfragten, sich dazu gezwungen sahen, unterzutauchen und schon eine Generation später in Vergessenheit geraten waren“, so der Fotograf. Antonio Rodriguez lebt und arbeitet in Berlin. Nach seinem Designstudium folgte eine Ausbildung zum professionellen Dokumentarfotografen in Spanien. Parallel arbeitete er weiter in den Bereichen Beauty-, Wedding-, Food-, und Produktfotografie. Für sein Projekt TACANÁ wurde er mit dem ProfiFoto New Talent Award 20/2 ausgezeichnet.
New Talent Award
Zweimal jährlich bietet der von Canon und ProfiFoto in Kooperation mit der Bildagentur Laif und Whitewall ausgeschriebene New Talent Award Fotografinnen und Fotografen die Chance, bei der Umsetzung ihrer „Bilder im Kopf“ Unterstützung zu finden. Das aus dem >Canon Profifoto Förderpreis< weiterentwickelte Konzept öffnet den Wettbewerb für die zahlreichen Quereinsteiger in die professionelle Fotografie. Teilnehmen können alle, die professionell in der Fotografie oder artverwandten Berufsgruppen tätig sind, gleich welchen Alters und egal ob haupt- oder nebenberuflich. Die mit 3.500 Euro jährlich dotierte Auszeichnung wird alle sechs Monate von einer renommierten Jury an fünf Bewerber vergeben, deren fotografische Handschrift überzeugt und die mit ihren Konzepten neugierig machen auf mehr. Unter den insgesamt zehn Siegerarbeiten der jährlich zwei Wettbewerbs-Abschnitte ermittelt die Jury die drei besten Arbeiten. Diese erhalten Geldpreise in Höhe von insgesamt 3.500 Euro (1. Platz 2.000, 2. Platz 1.000, 3. Platz 500 Euro).
Weitere Informationen und Teilnahmebedingungen: https://www.profifoto.de/canon-profifoto-foerderpreis/