Künstliche Intelligenz in der Bildbearbeitung ist nicht länger nur ein Gimmick in Smartphone-Apps. Viele Fotografen befürchten allerdings, bei der Nutzung von KI-Tools die Kontrolle über das individuelle Bildergebnis abzugeben.
Mit der Veröffentlichung von DxO PhotoLab 4, Luminar KI von Skylum und der von Adobe als „die weltweit fortschrittlichste KI-Anwendung für Kreative“ gepriesene, neue Version von Photoshop stellt sich die Frage, was KI für die Fotografie, die Bildbearbeitung und die Kreativität im Allgemeinen bedeutet.
Viele Fotografen stehen KI-basierten Werkzeugen eher misstrauisch entgegen. Skeptiker malen ein düsteres Bild von über-bearbeiteten Porträts und homogenen Landschaften, die nicht voneinander zu unterscheiden sind, weil jedes dieser Bilder mit demselben Werkzeug bearbeitet wurde, denselben Himmel zeigt, dieselbe Hautglättung und denselben, falschen Nebel. Vorbei die Zeiten, in denen die „manuelle“ Fotobearbeitung eine handwerkliche Fertigkeit war, die nur von einigen wenigen, versierten Könnern beherrscht wurde.
Währenddessen versprechen KI-Befürworter, dass die Technologie neue Freiräume für echte Kreativität schafft, indem sie sich wiederholende Routine-Aufgaben übernimmt.
Photoshop
So sollen die KI-gestützte Funktion „Sky Replacement“ in Adobe Photoshop sowie neuronale Filter Anwendern vielfältige Möglichkeiten schaffen, kreative Workflows effizienter zu gestalten. Möglich macht das Adobe Sensei, das Framework für KI und maschinelles Lernen. KI in Photoshop vereinfacht komplexe Arbeitsabläufe und gibt Nutzern Zugriff auf eine wachsende Bibliothek künstlerischer Filter, um Ideen umzusetzen und Bilder zu verbessern.
Das neuste Photoshop Update wartet mit gleich fünf KI Funktionen auf. Nicht-destruktive Filter erlauben innerhalb von Sekunden, verschiedene kreative Ideen durchzuspielen. Basis sind gängige – und bis dato komplexe – Workflows in Photoshop, die dank ML-Unterstützung auf wenige Klicks oder einfache Schieberegler verschlankt wurden. So gibt es mit „Hautglättung“ und „Stilübertragung“ Filter, die bei der Fotoretusche helfen. Zudem hat Adobe jüngst sechs Beta Filter und ein neues Feedback Tool zur Weiterentwicklung der Filter integriert.
Ein Beispiel ist Smart Portrait, ein Beta-Filter, mit dem sich Alter, Gesichtsausdruck, Pose, Farben und vieles mehr anpassen lassen. Klar ist aber auch: Nicht jeder Filter führt bei jedem Bild zu perfekten Ergebnissen. Für das Feintuning können Anwender die gewohnten Tools in Photoshop verwenden.
Mit der „Sky Replacement“ Funktion in Photoshop wird aus einem strahlenden Nachmittagshimmel ein golden leuchtendes Sonnenuntergangs-Szenario – das Maskieren und Überblenden übernimmt Adobe Sensei. Die Sensei-basierten Algorithmen können selbst komplexe Herausforderungen meistern, etwa fliegende Haare von einem detailreichen Hintergrund unterscheiden.
Lightroom kann mit der neuen KI-Funktion „beste Fotos“ aus hunderten Bildern die gelungensten auswählen. KI trifft dafür innerhalb der Alben eine Vorauswahl, indem ähnliche Fotos identifiziert, gruppiert und auf Basis technischer Aspekte ausgewählt werden. Nicht ausgewählte Fotos lassen sich zur Auswahl der besten Fotos hinzufügen und mit präferierten Lightroom-Tools weiterbearbeiten.
PhotoLab 4
In DxO PhotoLab 4 greift die Deep PRIME Technologie zum Demosaicing und zur Rauschminderung auf Deep Learning zurück, das auf künstlicher Intelligenz basiert. Dazu wurden Milliarden Beispielbilder eingespeist. Die farblichen Details der mit DeepPRIME bearbeiteten Bilddaten bleiben besser erhalten und die Übergänge sind natürlicher und regelmäßiger.
Luminar AI
Auch die neue Skylum-Software Luminar AI stellt den traditionellen Ansatz von Voreinstellungen und Schiebereglern in Bildbearbeitungsprogrammen in Frage, indem sie adaptive Vorlagen, aber auch manuelle Bearbeitungen auf Basis von künstlicher Intelligenz verwendet. Anders als beim Einsatz von Presets soll dies auch mit Bildern funktionieren, die nicht weitgehend identisch mit dem Original sind.
Durch 3D-Tiefenkartierungs- und Segmentierungstechnologien ist Luminar AI in der Lage, den Inhalt eines Fotos zu erkennen und Bearbeitungsempfehlungen auszusprechen, die sich verfeinern lassen. Alex Tsepko, CEO von Skylum: „Auf diese Weise können Nutzer ihren eigenen Stil in ihren Bearbeitungen ohne mühsame, manuelle Arbeit beibehalten und somit professionelle Ergebnisse erzielen – aber in einem Bruchteil der Zeit“.
In Luminar AI wird Künstliche Intelligenz von dem Moment an angewendet, in dem ein Foto zur Bearbeitung geöffnet wird. Der Bildinhalt wird identifiziert, Probleme analysiert und die Tiefe eines Fotos berechnet. Nach einer Analyse des Themas und der Bildeigenschaften macht Luminar AI Bearbeitungsvorschläge. Diese Verbesserungen erfolgen in kompletten Arbeitsabläufen – durch einen Ansatz, der Templates genannt wird sowie durch Vorschläge in den KI-Tools. Anstatt blind auf eine Liste von Voreinstellungen zu klicken, wählt der Benutzer aus einer Liste aus, die auf sein Bild zugeschnitten ist.
Luminar AI lernt, wie Nutzer Aspekte wie Licht, Komposition, Details und Farbe verändern. Sobald das erste Bild bearbeitet ist, lassen sich Anpassungen über eine Gruppe von Bildern hinweg synchronisieren.
KI kein Kreativitätsersatz
Alex Tsepko, CEO bei Skylum: „Bei der Bearbeitung von Fotos verbringen die Anwender 74 % ihrer Zeit mit sich wiederholenden Routineaufgaben. Künstliche Intelligenz kann einen Großteil dieser Routinearbeit automatisieren.“ Und Maria Yap von Adobe Systems ergänzt: „Ich glaube fest daran, dass KI, wenn sie richtig eingesetzt wird, die menschliche Kreativität und den kreativen Ausdruck fördert. Für Fotografen und Bildbearbeiter machen die KI-basierten Funktionen in Photoshop und Lightroom manuelle, sich wiederholende Aufgaben überflüssig und reduzieren komplexe Arbeitsabläufe. Wir arbeiten bei der Entwicklung unserer Sensei KI-basierten Funktionen eng mit professionellen Fotografen zusammen und haben festgestellt, dass die meisten diese Werkzeuge schnell in ihre alltäglichen Arbeitsabläufe integrieren. Photoshop ist aktuell die fortschrittlichste KI-Anwendung für Kreative, und wir stehen gerade erst am Anfang“.
Foto: Photoshop Sky Replacement