ProfiFoto im Gespräch mit Guido Krebs, Canon Deutschland, über die Strategie und die Zukunft des Canon EOS R-Systems.
ProfiFoto: Das neue RF 24-105mm F2.8 L IS USM Z ist nicht nur das erste und einzige Zoom mit diesem Brennweitenspektrum und Lichtstärke 2,8, sondern auch das erste Hybrid-Objektiv für Foto und Video. Was steckt hinter diesem Konzept?
Guido Krebs: Mit dem RF 24-105mm F2.8 L IS USM Z starten wir eine neue Produktlinie, die sowohl für fotografische, als auch für filmische Anwendung gleichermaßen optimal geeignet ist. Das ist neu! Denn bislang mussten Filmschaffende, die Foto-Objektive nutzen, technische und optische Kompromisse eingehen. Das ist hier jetzt nicht mehr der Fall. Es gibt keine Einschränkungen in den Fotoeigenschaften – Autofokus, Bildstabilisator, der Brennweitenbereich und das Handling sind perfekt für fotografische Einsätze. Aber durch die parfokale und Focus-Breathing-freie Konstruktion ist dieses Objektiv eben auch für das Filmen optimal geeignet. Und das in einer Preisklasse, die bislang für Filmschaffende undenkbar war. Und damit werden wir den jetzigen und zukünftigen Anforderungen in der professionellen bildschaffenden Welt gerecht. Es werden immer mehr hybride Aufträge vergeben, im Bereich der Hochzeitsfotografie beispielsweise, aber auch in der Modewelt oder im Corporate-Bereich werden mehr und mehr filmische Inhalte gefordert. Das neue Objektiv macht es jetzt einfacher und bezahlbarer, diese Aufgaben mit nur einem Equipment abzudecken. Das ist die Stärke und Intention dieses Objektiv-, aber auch unseres Kamerakonzeptes. Ähnlich wie mit der Einführung der Videofunktionen bei DSLRs damals, kann man nun deutlich professionellere (hybride) Produktionen bei vergleichbar kleinen Budgets anbieten. Das ist auch eine Chance für den professionellen Imaging Markt.
ProfiFoto: Wird es zukünftig nur noch solche Hybrid-Objektive von Canon geben?
Guido Krebs: Nein, natürlich nicht. Das Optimieren von Objektiven auf den filmischen Einsatz, mit parfokalen und Focus-Breathing-freien Eigenschaften, ist aufwändig und kann sich in Größe und Preis niederschlagen. Das R-System steht aber auch für besonders kompakte Objektive, oder auch für sehr preiswerte, aber leistungsstarke Objektive. Die beiden RF 70-200mm Zooms der L-Serie und das RF 16mm F2.8 STM sind nur drei Beispiele dafür. Wir werden daher weiterhin „ganz normale“ Objektive auf den Markt bringen, die keine expliziten hybriden Eigenschaften haben. Schließlich möchten wir potenziell allen Nutzerinnen und Nutzern eine optimale Lösung anbieten.
ProfiFoto: Für wen ist welcher der beiden Power Zoom Adapter gedacht?
Guido Krebs: Hier gibt es zwei Gruppen. Die eine möchte Zoomfahrten als gestalterisches Element im Film nutzen. Hier bieten die Power Zoom Adapter eine gleichmäßige, regelbare und reproduzierbare Zoomfahrt. Die zweite Gruppe möchte ein fernsteuerbares Zoomen ermöglichen, zum Beispiel innerhalb einer Produktionsumgebung, wo die Bildregie mehrere Kameras gleichzeitig steuert, wie es in PTZ-Umgebungen üblich ist. Das setzt sich zum Beispiel im Bereich der Eventaufzeichnung/Übertragung und bei Konzerten immer mehr durch.
ProfiFoto: Werden neue Hybrid-Objektive alle mit diesen Power Zoom Adaptern kompatibel sein?
Guido Krebs: Wenn es sich um Zooms handelt, ist davon auszugehen. Auch im traditionellen Broadcast-Bereich sind die sogenannten Servo-Adapter mit ganzen Objektivserien kompatibel. Zum einen möchten wir damit Investitionen schonen, aber auch ein durchgängiges Handling garantieren.
ProfiFoto: Macht das EOS R System das Cinema EOS System überflüssig?
Guido Krebs: Nein, das Cinema EOS System ist klar auf den professionellen Filmeinsatz konzipiert. Aber Teile des Cinema EOS Systems sind schon jetzt auch Teil des R-Systems. Die EOS R5 C und EOS C70 verfügen ja bereits über das RF-Bajonett und nutzen auch die Vorteile. Es ist ja genau das Potential des RF-Bajonett-Konzeptes, dass Anwender innerhalb des Systems sich kompatibel bewegen können und die richtigen Produkte für die Lösung ihrer Aufgaben finden. Sei es durch Kauf oder auch durch Mieten, falls bestimmte Produkte nur selten gebraucht werden. Aber man bleibt im System, kennt sich mit der Bedienung aus und ist sofort „drin“. Canon wird die Strategie eines umspannenden Systems weiter ausbauen. Das kann man auch daran sehen, dass wir im Herbst auch die ersten Cine Festbrennweiten mit RF-Bajonett vorgestellt haben.
ProfiFoto: Ist die neue Hybrid-Objektiv-Linie die Ablösung der Cine- und Broadcast-Objektive?
Guido Krebs: Nein, auf keinen Fall. Im Bereich der News-Produktionen und auch der cineastischen Filmproduktionen gibt es etablierte Arbeitsweisen und Setups, die die Hybrid-Objektive nicht leisten können und sollen. Sehr große Zoombereiche, mechanische Vorgaben für das Bedienen und Riggen von Objektiven, spezifische Kommunikationsprotokolle, Sichtbarkeit von Markierungen im Dunkeln sind nur einige Kriterien, die hier gestellt werden und nur von den klassischen Cine- und Broadcast-Objektiven geleistet werden können.
ProfiFoto: Aber das EF/PL Bajonett bietet deutlich weniger als das RF-Bajonett?
Guido Krebs: Das RF-Bajonett ermöglicht deutlich mehr Automatisierungen, wie etwa eine Verzeichnungskorrektur in Echtzeit bei den RF-Cine-Primes. Auch können wir zum Beispiel die Unterdrückung von Focus-Breathing elektronisch-optisch unterstützen. Das ist aber nicht in allen Anwendungsfeldern gewünscht oder notwendig. Das PL-Bajonett beispielsweise ist ein Quasi-Industriestandard, dem viele Hersteller folgen und der so eine große Kompatibilität in professionellen Produktionsumgebungen ermöglicht. Ähnliches gilt derzeit für den EF-Anschluss. Daher bieten wir nun alle Optionen an, um möglichst flexibel die Anforderungen zu erfüllen.
ProfiFoto: Die EOS R5 C und die C70 sind derzeit die Video-zentrischen Modelle im R-System. Gleichzeitig bieten auch andere R-System-Kameras umfassende Video-Optionen. Für wen ist welche die richtige Wahl?
Guido Krebs: Wir haben ja die unterschiedlichsten Anwendergruppen. Wer ausschließlich fotografiert, braucht sich um Video-features nicht zu kümmern. Wer ausschließlich filmt, findet in der EOS C70 oder R5C seine Heimat. Dazwischen ist eine unglaubliche Flexibilität möglich. Und selbst in der Einstiegsklasse sind sowohl professionelle Foto-, als auch professionelle Videoqualität möglich. Es ist eher eine Frage der spezifischen Ausstattung, des Workflows und des Sensorformates, die zu der richtigen Kamera führt. Tatsache ist aber, dass man sich im Canon System weiterentwickeln kann, ohne das System verlassen zu müssen. Wer weiß schon wirklich, was man in zehn Jahren kreativ machen möchte?
ProfiFoto: Wie ist die Canon Strategie für die nächsten zehn bis zwanzig Jahre, was die Weiterentwicklung des EOS R-Systems angeht?
Guido Krebs: Schon vor fünf Jahren, als wir das R-System eingeführt hatten, war das Ziel, ein System zu schaffen, das auch in den kommenden 20 Jahren Bestand hat und auch zukünftige Anforderungen abdecken kann. Das war damals noch nicht so sichtbar, aber jetzt ergibt sich schon ein klares Bild. Der nahtlose Übergang zwischen Foto und Film aber auch der Weg in die Virtual Reality Welt sind jetzt schon möglich. Und genau das wird Canon auch weiter verfolgen und ausbauen. Das Ziel ist es, ein Imaging-System anzubieten, das praktisch grenzenlos ist.