Die Welt der analogen Fotografie gedeiht im Windschatten allfälliger digitaler Innovationen vor allem durch das Engagement von Enthusiasten, die sie lebendig erhalten. Das Team von Dora Goodman Cameras nutzt die Möglichkeiten von 3D-Druck, um selbst entwickelte Kameras herzustellen und der Analogfoto-Community zugänglich zu machen.
Dora Goodman Cameras ist ein Open-Source-Kamerahersteller in Budapest, das 3D-Drucktechnologie nutzt, um Systemkameras für die analoge Kleinbild-, Mittel- und Großformatfotografie anbieten zu können. Verkauft werden die Modelle über einen Online-Shop als Bausatz oder komplett montiert. Die Daten der meisten Kameramodelle können aber auch kostenlos heruntergeladen werden, einige sind nur für Patreon-Unterstützer verfügbar. Hinter Dora Goodman Cameras steht ein Team leidenschaftlicher Liebhaber der analogen Fotografie. Das Team, das als Ein-Frau-Betrieb startete, ist inzwischen auf sieben Mitarbeiter angewachsen und hat sich sogar international verzweigt – von Budapest über Bali bis nach Montreal.
Mit den vielfältigen Möglichkeiten und der Flexibilität, die die 3D-Drucktechnologie bietet, entstehen nicht nur neue Produkte, sondern kontinuierlich auch Verbesserungen bereits bewährter Entwürfe.
Basierend auf einer Reihe von Grundmodellen entwickeln die Produktdesigner ständig neue Varianten und Zubehör, die nicht nur funktional, sondern auch ansprechend aussehen sollen, ohne dabei die Präzision und die Liebe zum Detail aus den Augen zu verlieren.
Die Story
Dora Goodman (das Pseudonym einer jungen Ungarin, die in Österreich lebt) begann 2016 Filmkameras mit Holzfurnier umzugestalten und Kameragurte aus Leder zu fertigen. Ihre ersten Instagram-Posts lösten in der Community große Resonanz aus.
Dora Goodman: „Es sprach sich herum, und in meiner Werkstatt zu Hause herrschte schnell rege Betriebsamkeit, denn ich erfüllte viele Anfragen von Fotografen, die ihre eigenen Kameras personalisieren lassen wollten. Die Verwendung von edlen Materialien wie Holz, Leder und Glas gab mir unendliche Möglichkeiten, etwas Einzigartiges zu schaffen, etwas Langlebiges, das man zu schätzen weiß; keine Kamera ist wie die andere.“
Im Laufe der Zeit begann Dora Goodman, ihren Vollzeitjob als Account Director bei einer ungarischen Computerspielfirma aufzugeben und mehr Zeit in die Herstellung von Kameras und Zubehör zu investieren, und es dauerte nicht lange, bis sie vor Ort mit mehreren talentierten Kreativen zusammenarbeitete. Gemeinsam begannen sie, ihre eigenen Kameras zu entwerfen und in Handarbeit zu fertigen und die Marke weiterzuentwickeln.
Die ersten Kameras, die gebaut wurden, waren komplett aus Holz. „Wir konnten sie einfach nicht schnell genug auf den Markt bringen, um die wachsende Begeisterung der Community zu befriedigen“, so Goodman, „wir mussten eine andere Lösung finden. Zur gleichen Zeit wurde der 3D-Druck immer beliebter und weckte unser Interesse. Wenn die Menschheit in der Lage ist, mit dieser Technologie Häuser zu bauen und Organe zu drucken, dann können wir sicher auch etwas weitaus weniger Komplexes wie eine Kamera bauen!“.
Tatsächlich ermöglicht die 3D-Drucktechnologie, innerhalb weniger Stunden neue Produkte zu testen und gleichzeitig zeit- und kosteneffizient zu arbeiten. Mit viel Geschick entstehen so einzigartige Analogkameras, die nicht nur funktional und schön, sondern auch erschwinglich sind.
Längst hat das Team die Heimwerkstatt verlassen und eine Produktion in Budapest aufgezogen, die bis zum Rand mit Zubehör, Kameras und 3D-Druckern gefüllt ist. Das Open-Source-Modell ermöglicht es nicht nur, der ständig wachsenden Communitiy Dateien zur Verfügung zu stellen, sondern auch, die Produkte mit deren Input weiterzuentwickeln.
GoodLab
Die Plattform, auf der sich gleichgesinnte Kamerabauer, um ihr Wissen und ihre Erfahrungen auszutauschen, ist das GoodLab.
Diejenigen, die Zugang zu einem 3D-Drucker haben oder über die nötigen Fähigkeiten verfügen, um eine Kamera von Grund auf zu konstruieren, können die Basisdateien von Dora Goodman Camera kostenlos über diese Open-Source-Plattform herunterladen. „Wir ermutigen unsere GoodLab-Mitglieder, sie nach Belieben anzupassen und zu verändern und ihre eigenen Ideen und Kreationen für alle zugänglich zu machen“, so das Team.
In den Open-Source-Dateien finden User alles, was sie brauchen, um mit dem Drucken ihrer eigenen Kameras zu beginnen. Zugang zu Zubehör, Modifikationen, neuen Formaten und anderen Projekten bietet eine kostenpflichtige Patreon-Plattform. Komplett fertige Kamera können im Online-Shop bestellt werden.
Dora Goodman: „Patreon ist eine Plattform, in der wir Zugang zu exklusiven Dateien bieten, die nirgendwo anders zu finden sind. Über verschiedene Mitgliedsschaften erhalten Anwender jeden Monat neue Dateien, Updates, Entwicklungen und alles andere, was über die Basisdateien hinausgeht.“
Das Line up
Die Goodman Zone ist eine Mittelformatkamera, die mit Mamiya Press-Objektiven und dem Mamiya PRO-S-Magazin kompatibel ist. Sie verfügt über mehrere Zubehörteile, darunter einen Handgriff, ein 3D-gedrucktes Rollfilmmagazin und eine Handy-Halterung.
Scura ist eine Lochkamera, die entwender 35-mm-Film zur Herstellung von Panoramabildern oder 120er-Rollfilm zur Belichtung von 6×6-Negativen verwendet.
Wesentlich bei einer Lochkamera ist eine präzise gebohrte Blendenöffnung; sie muss perfekt rund sein und genau die richtige Größe haben, um die bestmögliche Bildqualität zu gewährleisten. Die von Goodman eingesetzte Laserbohrtechnologie arbeitet mit einem Hochfrequenz- und Niedrigenergiestrahl und führt zu einem makellos gleichmäßigen und glatten Schnitt.
Die SCURA unterscheidet sich von den meisten anderen Lochkameras durch ihre speziell gewölbte Rückseite, die dafür sorgt, dass das Licht gleichmäßig auf den Film fällt, was zu schönen, verzerrungsfreien Bildern von Rand zu Rand führt. Der Verschluss der SCURA arbeitet mit Hilfe von Magnetkraft.
Die Goodman Axis dagegen ist eine verstellbare Kamera mit Balgen, die sowohl Mamiya RB67 Filmmagazine als auch Planfilm-Kassetten verwenden kann. Die ebenfalls verstellbare Goodman One ist hingegen mit Mamiya Press-Objektiven und Mamiya RB67-Filmmagazinen kompatibel.
Um die Kameras nicht nur auf die Verwendung mit Mamiya Press-Objektiven zu beschränken, hat Dora Goodman außerdem einen Adapter entwickelt, der es ermöglicht, je nach Auflagemaß auch Großformatobjektive zu verwenden.
Zur Erleichterung der Fokussierung ist eine 3D-gedruckte, mit Magneten befestigte Einstellscheibe im Lieferumfang enthalten, die entweder mit dem Pro S-Rückteil oder dem Goodman 6×6-Magazin verwendet werden kann. In Vorbereitung sind außerdem 6×9- und 6×12-Magazine.
Ausblick
3D-Druck wird längst auch von bekannten Kameraherstellern eingesetzt, wenn es um Kleinserien sehr spezieller Zubehörteile oder um die Herstellung von Prototypen geht. Während Kameragehäuse relativ simpel gedruckt werden können, sind insbesondere feinmechanische Bauteile wie verstellbare Blenden oder Verschlüsse so noch nicht herstellbar, aber es gibt eine wachsende 3D-Druckszene, die sich vor allem online austauscht und immer neue Lösungen entwickelt. Nikon hat im Herbst 2022 den deutschen 3D-Druckhersteller SLM Solutions übernommen. Vor allem die additive Fertigung von Metallteilen mittels 3D-Druck wird nach Überzeugung von Experten die Massenproduktion revolutionieren, weil sie ermöglicht, auch hochkomplexe Teile zu fertigen.