Die OM SYSTEM OM-1 ist das neue Micro Four Thirds Topmodell des bislang als Olympus bekannten Herstellers und übertrifft die Schwestermodelle in Sachen Geschwindigkeit, Bildqualität und Robustheit.
Nach der Anfang 2021 vollzogenen Abspaltung des Fotobereichs der Olympus Corporation hat das neu gegründete Unternehmen OM Digital Solutions das Imaging-Know-how – einschließlich der von Olympus entwickelten Technologien, Produkte und Dienstleistungen – übernommen. In den seither vergangenen 13 Monaten präsentierte der Hersteller mit der Olympus PEN E-P7 bislang erst ein neues Kameramodell. Mit der neuen OM-1 darf die (Ruhe-)Phase des Übergangs jetzt als beendet angesehen werden.
Mittelfristig sollen neu entwickelte Systemkameras, Objektive und kompakte Digitalkameras nicht mehr unter der Markenbezeichnung Olympus auf den Markt kommen. Erstes Beispiel ist das im Juni 2021 vorgestellte ED 8-25 mm F4.0 PRO, das als M.Zuiko Digital im Handel ist.
Eine Ausnahme macht OM SYSTEM allerdings bei der neuen OM-1, für die doch noch der Markenname Olympus verwendet wird, der in altbewährter Art und Weise auf dem Gehäuse prangt, als sei alles beim alten. Der Grund: OM Digital Solutions will mit der neuen Kamera an die vor genau 50 Jahren vom legendären Kamerakonstrukteur Yoshihisa Maitani entwickelte, klassische OM-1 anknüpfen, die damals die weltweit kleinste und leichteste 35-mm-SLR war. Aber hat die Neue das Zeug, einen neuen Meilenstein zu setzen?
Stacked-BSI-Sensor
Die von vielen erwartete Steigerung bei der Auslösung bleibt die Micro Four Thirds Kamera jedenfalls schuldig. Die OM-1 bietet 20 Megapixel, die allerdings von einem neuen Stacked-BSI-Live-MOS-Sensor geliefert werden. Die Verarbeitung erfolgt durch den ebenfalls neuen TruePic X Bildprozessor, der dreimal so schnell ist wie seine Vorgänger.
Durch diese Kombination bietet die OM-1 eine Bildqualität, die über das aufgrund der Sensorgröße zu erwartende Niveau hinausgeht. Wem die Auflösung nicht ausreicht, kann die High Res Shot Funktion der OM-1 nutzen, deren Verarbeitungszeit deutlich verkürzt wurde. So wird der 50-MP-Handheld-High-Res-Shot, ebenso wie der 80-MP-Tripod-High-Res, in nur fünf Sekunden zusammengesetzt. Die Composite Processing-Technologie reduziert dabei das Bildrauschen um rund zwei Stufen. Neu ist, dass die Kamera über eine eigene Taste zum schnellen Wechseln zwischen normalen Aufnahmemodi und High-Res-Shots verfügt, man hierfür also nicht mehr das Menü bemühen muss.
Dank der neuen Rauschunterdrückungsverfahren konnte die maximale Empfindlichkeit auf ISO 25600 beziehungsweise ISO 102400 im erweiterten Modus gesteigert werden. Zusätzlich wurde der Dynamikbereich optimiert und die Bandbreite an Tonwerten von Schatten bis hin zu Spitzlichtern erweitert.
Die OM-1 bietet außerdem die in anderen Olympus-Modellen bekannte 5-Achsen-Sync-Bildstabilisation, die in der neuen Kamera eine Kompensation von bis zu 8,0 Stufen ermöglicht. Rein kameraseitig kompensiert die Bildstabilisation bis zu sieben Stufen. Falls dies dennoch nicht ausreicht, warnt der neue „Freihandassistent“. Frei von Staub hält den Sensor der integrierte Supersonic Wave Filter, der mehr als 30.000-mal pro Sekunde vibriert, um Schmutz zu entfernen.
Cross Quad AF
Deutlich verbessert hat OM Digital Solutions den Autofokus bei der OM-1. Die Konfiguration mit einer Quadrantenfotodiode ermöglicht eine On-Chip-Phasenerkennung sowohl in vertikaler als auch in horizontaler Richtung. Der Cross Quad Pixel-Autofokus mit 1.053 Fokuspunkten vom Typ Kreuzsensor fokussiert unter Einbezug aller Pixel über das gesamte Bildfeld. Die Rechenleistung des neuen TruePic X Prozessors und der neue AF-Algorithmus erlauben eine schnelle und präzise Fokussierung des Motivs, egal wo es sich im Bildfeld befindet. Darüber hinaus verfügt die OM SYSTEM OM-1 über einen KI-Erkennungs-AF, der unter Verwendung von Deep-Learning-Technologie entwickelt wurde.
Motiverkennung und -Tracking sind daher nicht nur schneller und präziser als zuvor, die Kamera erkennt außerdem Rennwagen, Motorräder, Flugzeuge, Helikopter, Züge und Vögel sowie Hunde und Katzen. Diese Funktion wird nicht nur beim C-AF sondern auch beim S-AF unterstützt. Bei der Gesichts-/Augenerkennung wurden Präzision, Tracking-Genauigkeit und Reaktionsschnelligkeit deutlich verbessert. Der Sternenhimmel-AF erleichtert das Fokussieren des Nachthimmels.
120 fps
Der mechanische Verschluss der OM-1 ist für 400.000 Auslösungen ausgelegt. Die volle Serienbildgeschwindigkeit erreicht die Kamera aber nur mit dem optional zur Verfügung stehenden elektronischen Verschluss. Bei voller Auflösung sind bei der OM-1 damit bis zu 50 fps ohne Blackout-Unterbrechungen im Sucher und inklusive AF-/AE-Tracking möglich. Ultra-High-Speed-Serienaufnahmen sind sogar mit bis zu 120 fps machbar, allerdings nur bei Verwendung des AF-/AE-Speichers. Dafür bietet die OM-1 übrigens zwei separate Tasten an der Rückseite des Gehäuses.
Beim Einsatz von Pro Capture werden erste Bilder bereits vor dem vollständigen Auslösen aufgenommen. Gespeichert wird über zwei UHS-II-kompatible SD- Speicherkarten-Steckplätze. Gerade bei Serienaufnahmen hilfreich: Bilder können bereits in der Kamera mit bis zu bis zu fünf Sternen bewertet werden. Diese Vorauswahl wird beim Download der Bilddaten auf einen Computer von der Software übernommen.
Videofunktionen
Dank der kompakten, leichten Bauweise und der Bildstabilisation sind auch verwacklungsfreie Videoaufnahmen mit der OM-1 ohne Stativ möglich. Zur Verfügung stehen unter anderem 4K 60p für HD-Videos und High-Speed-Video für Full HD-Videos bei maximal 240p. Die Kamera unterstützt außerdem H.264 (8 Bit), H.265 (10Bit) und Multi Frame Rate für die Aufnahme von Videoclips mit einer Länge von mehr als 30 Minuten. Neben der Ausgabe von RAW-Daten mit bis zu 12 Bit 4:4:4 an externe Geräte für die Nachbearbeitung unterstützt die OM SYSTEM OM-1 auch das Format OM-Log, das dank Farbkorrekturoptionen das Spiel mit Lichtern und Schatten ohne störende Über- oder Unterbelichtungen erlaubt. Der neue Videobildmodus HLG (Hybrid Log Gamma) eignet sich für die Aufnahme von HDR-Videos.
Aufnahmefunktionen
Ansonsten bietet die OM SYSTEM OM-1, wie auch andere OM-Kameras, eine Reihe an Aufnahmefunktionen auf Basis der auch von Smartphones genutzten Möglichkeiten der Computational Photography. Mit Live-ND beispielsweise gelingen Langzeitbelichtungen ohne den Einsatz eines entsprechenden Filters. Insgesamt stehen sechs Stufen von ND2 bis ND64 zu Auswahl. Bei Aktivierung der Funktion „LV-Simulation“ lassen sich die Effekte vor der Aufnahme im Sucher und auf dem LCD überprüfen. So werden Langzeitbelichtungen auch mit Ultraweitwinkelobjektiven, an denen sich kein ND-Filter anbringen lässt, möglich.
Bei der Funktion „Light Composite“ werden während einer Langzeitbelichtung nur die helleren Bereiche zum zusammengesetzten Bild hinzugefügt und so die Problematik insgesamt zu heller Bilder umgangen. Diese auch aus anderen OM Modellen bekannte Funktion ist bei der OM-1 erstmals mit der Bildstabilisation kompatibel und kann so auch für Freihandaufnahmen verwendet werden.
Beim Focus Stacking konnte bei der Kamera die Verarbeitungszeit deutlich erhöht werden. Mit dieser Funktion lassen sich mehrere Einzelbilder mit jeweils verschobenem Fokus zu einem Bild zusammensetzen, um so Aufnahmen mit größerem Schärferaum zu erhalten, was vor allem bei Nahaufnahmen sinnvoll ist.
Im HDR-Modus werden ebenfalls mehrere Aufnahmen zu einer kombiniert, hier aber mit unterschiedlicher Belichtung. Heraus kommen Bilddaten mit größerem Dynamikbereich, also mit mehr Zeichnung in Spitzlichtern und Schatten.
Robust
Das leichte und robuste Kameragehäuse der OM-1 aus einer Magnesiumlegierung ist an den entscheidenden Stellen mit Dichtungen ausgestattet, die den IP53- Standard in Sachen Staub- und Spritzwasserschutz erfüllen. Die Kamera ist außerdem bis -10 °C frostsicher.
Ihr elektronische OLED Sucher mit einer Auflösung von circa 5,76 Millionen Bildpunkten, einer bis zu 1,65-fachen Vergrößerung und einer Anzeigeverzögerung von nur 0,005 Sekunden, hat eine Bildwechselfrequenz von 120 fps. Mithilfe des Nachtmodus sind Motive auch in dunklen Umgebungen erkennbar.
Komplett neugestaltet wurde das Menü der OM SYSTEM OM-1. Die Struktur wurde überarbeitet und Erläuterungen vereinfacht, damit Anwender die gewünschten Funktionen intuitiver finden können. Steht aufgrund aktueller Einstellungen eine Menüfunktion nicht zur Verfügung, verweist die Kamera auf die Ursache, so dass schnell Abhilfe geschaffen werden kann. Zur Aufzeichnung von Positionsdaten muss während der Aufnahmen allerdings parallel die kostenlos verfügbare OM-App auf einem Smartphone aktiviert und die Kamera mit ihr verbunden sein, denn die OM-1 verfügt über keinen eigenen GPS-Tracker, sondern übernimmt die entsprechenden Daten in die EXIF-Daten.
Zubehör
Separat erhältlich sein wird der Power-Akkugriff HLD-10. Er bietet in senkrechter Anordnung dieselben Bedienelemente wie in waagerechter Anordnung. In Kombination mit der OM-1 werden die IP53-Anforderungen zum Staub- und Spritzwasserschutz erfüllt. Bei gleichzeitiger Verwendung von zwei Lithium-Ionen-Akkus vom Typ BLX-1 in der Kamera und dem HLD-10 können circa 1.000 Fotos pro Ladung aufgenommen werden. Ist der Power-Akkugriff an der OM SYSTEM OM-1 angebracht, lässt sich ein Lithium-Ionen-Akku vom Typ BLX-1 im HLD-10 laden. Die neuen Akkus bieten mit 2.280 mAh rund 25 Prozent mehr Kapazität, sind jedoch etwas größer als die der übrigen OM-Kameras und daher zu diesen nicht kompatibel.
Mit der ebenfalls staub- und spritzwassergeschützten Fernbedienung RM-WR1 lassen sich der Verschluss auslösen, der Autofokus bedienen, zwischen Foto- und Videomodus wechseln sowie bei Langzeitbelichtungen der Auslöser deaktivieren. Dabei kann die OM-1 bis zu fünf Meter entfernt stehen. Dank der Bluetooth Low Energy Funktechnik ist die Fernbedienung akkuschonend. Mit dem im Lieferumfang enthaltenen Kabel wird sie zur Kabelfernbedienung und ist auch mit der Olympus OM-D E-M1X oder der Olympus OM-D E-M1 Mark III kompatibel.
Nicht im Lieferumfang der OM-1 enthalten ist übrigens ein Ladegerät, da ihr Akku dank USB Power Delivery-Standard unter anderem auch über eine Powerbank (Ausgangsspannung von 9 V/3 A) geladen werden kann, und zwar auch während die Kamera benutzt wird. Wer auf eine externe Möglichkeit zum Laden nicht verzichten will, kann als Zubehör auf das passende Ladegerät BCX-1 für zwei Lithium-Ionen-Akkus vom Typ BLX-1 zurückgreifen. Die Akkus sind damit nach circa 150 Minuten vollständig geladen.
Fazit
Was würde der bereits im Jahr 2009 verstorbene Yoshihisa Maitani zur neuen OM-1 sagen? Das O stand zu seiner Zeit übrigens für Olympus, das M für Maitani. Seine Karriere verlief vom Kameraentwickler bis zum Geschäftsführer von Olympus. Als er 1996 das Unternehmen verließ, begann die Ära der Digitalfotografie für Olympus. Seine OM-1 galt bei ihrer Vorstellung im Jahr 1972 nicht nur als leichteste SLR-Kamera der Welt, sondern unterschied sich im Handling teilweise erheblich von Kameras anderer Hersteller. So hatte die Kamera kein Zeitenrad auf der Oberseite, sondern eines für die Filmempfindlichkeit, während die Zeiten am Bajonett eingestellt wurden. Solche Extravaganzen leistet sich die neue OM-1 nicht. Eher im Gegenteil: Sie orientiert sich weitgehend am Standard professioneller Vollformatkameras, ist mit einem Preis von 2.199 Euro aber deutlich preiswerter als diese.Vor allem ihre Autofokus- und Serienaufnahmefunktionen heben sie von anderen Micro Four Thirds Kameras ab. Digitale Bildverarbeitungsalgorithmen in der Kamerasoftware sind die Grundlage für Funktionen wie Live Composite und High Res Shot. Während die Strategie von OM SYSTEM mittelfristig einen Marktanteil von fünf bis zehn Prozent anstrebt und als Zielgruppe vor allem Outdoor- und Vogelfotografen vorsieht, hat die OM-1 durchaus das Zeug, breitere Anwenderkreise zu überzeugen. Das hätte Yoshihisa Maitani sicher genauso gesehen.
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