Unter der Ägide des chinesischen Technologieunternehmens DJI besinnt sich der schwedische Kamerahersteller Hasselblad auf sein klassisches Erbe und schlägt mit der 907X 50C die Brücke zwischen Tradition und Moderne. Deren Tragfähigkeit hat ProfiFoto in der Praxis getestet.
Bis in die 90er Jahre waren die klassischen Hasselblad Modelle mit dem quadratischen 6×6-Format (tatsächlich 56 mm x 56 mm) der später V-System genannten Produktfamilie über Jahrzehnte viel genutzte Profi-Werkzeuge. Ihr aus den 50er Jahren stammendes Design gilt als ikonografisch und stand in stilisierter Form als Logo für die Marke. Noch immer sind weltweit tausende V-System Kameras funktionsfähig erhalten und werden zu Preisen zwischen einigen hundert und wenigen tausend Euro gehandelt.
Aber auch, wenn sich die Kameras äußerlich gleichen, gab es im Verlauf der langen Modellgeschichte zahllose Änderungen. Während die Kameras der 500er-Serie mit Zentralverschluss-Objektiven arbeiten, verwenden die der 200-/2000-Serie einen Schlitzverschluss. Der Name „V-Serie“ wird übrigens erst genutzt, seitdem Hasselblad bei Einführung der H-Serie im Jahr 2002 zur Unterscheidung der beiden Systeme eine solche Bezeichnung brauchte.
Das V-System zeichnet sich durch jahrzehntelange Kompatibilität und Zeiss-Objektive aus, wurde 2013 allerdings offiziell eingestellt. Es gibt aber weiterhin Zubehör, darunter das aktuelle Digitalrückteil CFV II 50C, das im Set mit der 907X angeboten wird.
CFV II 50C
Digitalrückteile für das V-System gab es schon ab den frühen 90er Jahren, damals allerdings nicht von Hasselblad, sondern von Drittherstellern wie Phase One. Wer die Kameraklassiker heute mit dem aktuellen CFV II 50C ins digitale Zeitalter hinüberretten will, sollte idealerweise eine der jüngeren Modellvarianten des V-Systems wählen.
Im CFV II 50C arbeitet ein 43,8 x 32,9 mm großer 50-Megapixel-CMOS-Sensor von Sony, wie er auch in den Hasselblad Spiegelreflexmodellen H5D-50c und H6D-50c und der spiegellosen X1D verwendet wird. Hasselblad verspricht einen Dynamikumfang der 16-bit Dateien von 14 Blendenstufen. Die 8.272 x 6.200 Pixel messen 5.3 x 5.3 μm und sind damit größer als die vergleichbar hoch auflösender Vollformatkameras. Die Lichtempfindlichkeit des Sensors reicht im CFV II 50C von ISO 100 bis 25600.
Neben Fotos ermöglicht das Back auch die Aufzeichnung von Videos, für die der Sensor über die komplette Diagonale mit einem Seitenverhältnis von 16:9 ausgelesen wird (2.7K (2.720 x 1.530) und HD (1.920 x 1.080), max. 29:59 Minuten pro Sequenz). Gespeichert werden Videos als H.264 Compressed (29,97 fps).
Was Fans des V-Systems an dem Back jedoch besonders bezaubert, ist sein den Klassikern mit deren verchromten Leisten angepasstes Design, das sich nahtlos an die Kamera-bodies anpasst und auf den ersten Blick wie ein Rollfilm-Magazin aussieht. Mit wenigen Handgriffen kann man ein solches Magazin mit dem Digitalback austauschen, so dass das V-System das einzige ist, mit dem man heute noch sowohl analog als auch digital fotografieren kann.
CFV am V-System
So reiz- und stilvoll die Option erscheinen mag, wer aktuelle Digitaltechnik mit den Klassikern verbinden will, sollte sich der damit einhergehenden Einschränkungen bewusst sein. Denn konzipiert wurde das Hasselblad V System für die analoge 6×6 Mittelformat-Fotografie. Dieses große Aufnahmeformat bot Reserven für Ausschnittvergrößerungen, aus denen im Nachhinein optional rechteckige Hoch- oder Querformate gecroppt wurden. Der Sensor des CFV II 50C ist jedoch nicht quadratisch, sondern rechteckig. Infolgedessen muss die Kamera für Aufnahmen im Hochformat entsprechend gedreht werden, was mit angesetztem Lichtschachtsucher nur bedingt praktikabel ist. Abhilfe schafft hier ein Prismensucher, doch selbst dann wird das Handling im Hochformat schnell unhandlich.
Im Lieferumfang des CFV II 50C enthalten ist übrigens eine Suchermaske, die den vom Sensor erfassten Bildausschnitt auf der Mattscheibe markiert.
Alternativ zum Fokussieren beziehungsweise Komponieren über den optischen Sucher kann man natürlich auch den Live View des Rückteils verwenden. In der Praxis muss dazu allerdings der im V-Gehäuse befindliche Hilfsverschluss geöffnet werden. Der Workflow wird dadurch recht komplex: An einer vollmechanischen 500 C/M beispielweise muss man die Verschlusszeit zuerst auf B, dann den Auslöser auf T stellen und gedrückt halten; der Hilfsverschluss öffnet sich, und der Live View zeigt den aktuellen Bildausschnitt (wenn er denn vorher aktiviert wurde, sonst erfolgt eine Belichtung). Nach erfolgter Einstellung muss dann der Auslöser wieder auf 0 gestellt, die gewünschte Verschlusszeit am Zentralverschluss-Objektiv einstellt und ausgelöst werden. Mithin ein Vorgang, der eher für das Arbeiten vom Stativ als aus der Hand spricht. Spontane Schnappschüsse sind mithin ausgeschlossen.
Alternativ zum Zentralverschluss der Objektive kann man übrigens auch den elektronischen Verschluss des Rückteils nutzen, aufgrund der Größe des Mittelformatsensors darf man hier aber den schnell auftretenden Rolling Shutter Effekt nicht unterschätzen. Außerdem ermöglicht der elektronische Verschluss nicht die Verwendung von Blitzgeräten.
Jahrzehnte alte Analog-Technik mit aktueller Digitaltechnik zu matchen, ist im Übrigen auch deshalb nicht unheikel, weil mechanische Kameras im Alter an vielen Stellen die dafür erforderliche Präzision vermissen lassen. So empfiehlt sich in jedem Fall, die Kamera vorab im Hasselblad Service überholen zu lassen. Hasselblad Deutschland ersetzt zum überschaubaren Pauschalpreis von 170 Euro zum Beispiel die Schaumstofflager der Sucher-Mattscheibe, die im Laufe der Jahre an Volumen einbüßen, so dass der Sweetspot beim Fokussieren nicht mehr exakt mit dem in der Sensorebene übereinstimmt. Die Folge sind Bilder, die alle „slightly out of Focus“ sind.
907X
Angesichts dieser Trade offs wird schnell klar, warum Hasselbald bei Eintritt ins Digitalzeitalter dem V- das H-System zur Seite stellte, das unter anderem mit Prismensucher, Handgriff und Autofokus deutliche Vorteile bietet. Noch einen Schritt weiter geht das 2016 eingeführte, spiegellose X System mit der integrierten X1D II 50C, deren Design zumindest in der Frontansicht bereits an die klassischen V-Modelle anknüpfte.
Wesentlich deutlicher nimmt die 907X Bezug darauf. Sie ist der bislang fehlende Link zwischen Tradition und Moderne im Hasselblad Baukasten und verbindet das CFV II 50 C Digitalrückteil nicht nur mit den modernen XCD Autofokus Objektiven mit 21 mm bis 120 mm Brennweite, sondern über diverse Adapter auch mit V- und H-Bajonett Objektiven sowie solchen diverser anderer Hersteller.
Wer Autofokus nutzen will, greift jedoch idealerweise zu den kleinen und leichten XCD Objektiven von Hasselblad, deren Zentralverschluss vollsynchronisierbare Zeiten bis zur 1/2.000 s bietet. Bei manuell zu fokussierenden Objektiven wie denen des V-Systems hilft Focus Peaking, den richtigen Schärfepunkt zu finden.
Rein äußerlich erinnert die Hassel- blad 907X alte Hasen und Analogtechnik-Nerds an die legendäre Hasselbad SWA mit ihrem fest eingebauten Carl Zeiss Biogon 4,5/38-mm, die ebenfalls ohne Spiegel und mit Aufstecksucher kam, wie es einen jetzt auch für die 907X gibt.
Empfehlenswerter als dieser erscheint der ebenfalls als Zubehör erhältliche Handgriff zu der Kamera, denn die ist zwar kompakt, deren glattes Gehäuse bietet aber kaum Halt.
Außerdem sind in dem Handgriff manuelle Bedienelemente, Einstellräder und ein Joystick für die Menü- und Kamerasteuerung integriert, die am Gehäuse weitgehend fehlen. An der 907X gibt es neben dem Knopf zur Bajonettentriegelung und dem Auslöser lediglich ein einziges Einstellrad, das über das Menü am Rückteil mit unterschiedlichen Funktionen belegt werden kann. Der Rest der Kamerasteuerung erfolgt über das 3,2 Zoll große Touch-Display des Backs und fünf Bedienknöpfe auf der Rückseite des CFV II 50C.
Dessen Menüführung und Bedienlogik weicht in Teilen vom sonst üblichen Standard ab, aber wenn man das Konzept einmal verstanden hat, ist das Handling schnell und einfach. Geboten werden unter anderem Fokus- und Belichtungsreihen.
Ähnlich wie die Arbeit mit einem klassischen Lichtschachtsucher erfolgt die Bildkomposition an der 907X über das um 90° nach oben schwenkbare 3.2-Zoll-TFT Display des Rückteils.
Rechts am CFV II 50C befindet sich eine solide und gut gestaltete Abdeckung, unter der sich der Akku und zwei Steckplätze für SD-Karten verbergen, links eine USB 3 Typ-C Schnittstelle zum Anschluss an einen Computer. Gespeichert werden die Bilddaten wahlweise im Hasselblad 3FR RAW oder JPEG Format.
In das Back integriert ist außerdem eine Wi-Fi Schnittstelle, über die unter anderem eine Verbindung zu Smart Devices hergestellt werden kann, um zum Beispiel die für iOS verfügbare Hasselblad Phocus Mo-bile 2-App für einen mobilen Workflow zu nutzen.
Unter einer Abdeckung unterhalb des Displays verbergen sich Mikrofon-, Kopfhörer- und Blitzsynchronanschlüsse. Einen Mittenkontaktanschluss für Funkfernauslöser hat die 907X allerdings keinen. Den könnte man theoretisch an der Halterung des optischen Aufstecksuchers anbringen, müsste ihn dann aber mit einem Kabel mit der Anschlussbuchse unten am Rückteil verbinden – elegant geht anders.
Eine Besonderheit der Hasselblad ist übrigens die Möglichkeit, Bilder in der Kamera mit ein bis fünf Sternen zu bewerten. Diese Bewertung wird in die Metadaten der Bilddatei geschrieben.
Fazit
Mit dem CFV II 50C bietet Hasselblad nicht nur die Option, seine teils Jahrzehnte alten Kameraklassiker der V-Serie mit aktueller Digitaltechnik zu nutzen, sondern in Kombination mit der 907X für zusammen 6.590 Euro auch die derzeit kleinste digitale Mittelformatkamera am Markt. Der Charme dieser Kombination liegt vor allem in deren Retro-Design im Stil der klassischen Hasselblads. Deren formaler Charme leidet allerdings nicht unerheblich, wird der optionale Handgriff angesetzt, der andererseits die Bedienbarkeit deutlich verbessert. Wer professionell mit Mittelformatkameras fotografiert, ist sicher mit dem Hasselblad H-System am besten bedient. Und wer eine handliche und gleichzeitig stylische Mittelformatkamera will, sollte die 6.000 Euro teure X1D in Betracht ziehen. Technologisch ist keine der aktuellen Hasselblads mit aktuellen, hochauflösenden Vollformatkameras vergleichbar. Wer das CFV II 50C Back in Kombination mit einem V-Modell oder der 907X nutzt, will der „gepflegten“ Fotografie frönen, ist Ästhet und/oder Traditionalist. Und ja, nicht allein das Auslösegeräusch einer Hasselblad 500 C/M lässt die Herzen all jener höher schlagen, die die Hochzeit der Analogfotografie noch miterlebt haben, auch der Blick auf deren Suchermattscheibe zieht einen in den Bann längst vergangener Tage, die man mit dem CFV II 50C ein Stück weit wieder aufleben lassen kann.