Nachdem Canon im Oktober 2019 die Entwicklung der EOS-1D X Mark III angekündigt hatte, feiert das neue Flaggschiff jetzt offiziell Premiere. ProfiFoto Chefredakteur Thomas Gerwers hatte bereits Gelegenheit zu einem Praxistest.
Mitte Dezember auf dem privaten Ascari Auto-Rennkurs in Andalusien: Mit einem Vorserienmodell der neuen Canon EOS-1D X Mark III gilt es, Rennwagen zu fotografieren. Zur Auswahl stehen die neuen 400er und 600er Supertele sowie verschiedene Zoomobjektive.
Schon beim ersten Ausprobieren wird klar: Das neue Flaggschiff von Canon zeichnet sich durch eine schier unglaubliche Geschwindigkeit bei Serienaufnahmen aus. Die EOS-1D X Mark III liefert bis zu 16 Bilder pro Sekunde mit optischem Sucher und bis zu 20 Bilder pro Sekunde im Live View Modus, und das mit voller AF/AE-Nachführung.
Aber wieso setzt Canon bei seinem Topmodell für Sport- und Actionfotografie eigentlich weiter auf sein EF Bajonett und die DSLR-Technologie, wenn der neue RF Anschluss der spiegellosen EOS R-Modelle doch soviel Potenzial bietet?
Eine Antwort: Für den EF Anschluss stehen weit mehr AF-Objektive als für jedes andere System zur Verfügung. Wichtiger: Für viele Profis ist der optische Sucher einer DSLR nach wie vor unverzichtbar, wenn Aufnahmen von Sportveranstaltungen oder bei der Dokumentation von Tieren in freier Wildbahn gefordert sind, denn er bietet Fotografen eine klare und helle, vor allem aber verzögerungsfreie Sicht auf das Motiv. Elektronische Sucher haben zweifellos Vorteile – vor allem bei der Darstellung der Auswirkungen der gewählten Einstellparameter – weisen aber immer eine leicht zeitverzögerte Darstellung auf, was bei dynamischen Motiven wie den Rennwagen im Praxistest ein echter Nachteil sein kann.
(Diese Bilder wurden mit Vorserienmodellen aufgenommen, die Bildqualität kann zu der von Kameras aus der Serienproduktion abweichen.)
Perfekte Schärfe
Das AF-System der EOS-1D X Mark III nutzt einen neuen CMOS Sensor mit Global Shutter, der eine verbesserte Stabilität bei der Nachführung ermöglicht. Beim Einsatz auf dem Ascari Rennkurs zeigte sich jedenfalls schnell, dass es so gut wie unmöglich ist, mit der Mark III unscharfe Aufnahmen zu machen, egal ob die Rennwagen frontal auf die Kamera zufuhren oder seitlich vorbeirasten. Die hohe Trefferquote erbrachte jedenfalls eine beachtliche Auswahl gestochen scharfer Aufnahmen.
Ein Grund dafür: In der Mitte des Bildfelds bietet der AF Sensor der Mark III eine 28-mal höhere Auflösung (!) als der des Vorgängermodells, sowie insgesamt die dreifache Anzahl an AF-Positionen dank 191 individuell auswählbaren AF-Feldern, von denen 155 Kreuzsensoren sind. Deren Position reicht allerdings bei der Arbeit durch den Sucher nicht so weit an den Bildfeldrand wie bei aktuellen Spiegellosen beziehungsweise im Live View Modus, weil das bauartbedingt nicht möglich ist.
Für eine schnellere Verlagerung der Fokuspunkte bietet die EOS einen neuartigen Smart Controller, der neben dem klassischen „Joystick“ für eine zusätzliche und effizientere Auswahl von AF-Punkten in die AF-ON-Taste integriert ist. Selbst mit Handschuhen funktionierte der Smart Controller im Praxistest problemlos.
In Zusammenarbeit mit einem dedizierten DIGIC 8-Prozessor für die AF Steuerung ist eine zuverlässige Fokussierung auf Motive selbst bei extrem ungünstigen Lichtverhältnissen möglich. Außerdem eignet sich die Kamera perfekt für die Aufnahme von kontrastarmen Motiven, feinen Details und diagonalen Linien, die bisher nur schwer zu erfassen waren.
Deep Learning AF
Speziell bei der Sportfotografie sorgt die Deep Learning Technologie der Mark III dafür, dass selbst extrem dynamische Motive zuverlässig erfasst werden. Die intelligenten Algorithmen des Deep Learning AF erkennen die unterschiedlichsten Situationen und verfolgen beispielsweise die Gesichter von Athleten sogar dann, wenn diese durch eine Brille oder ein Helmvisier verdeckt sind.
Ein neuer AF Case „Auto“ sorgt für die passende AF-Einstellungen für das jeweilige Motiv. Das individuelle Setup des AF-Systems ist somit einfacher als zuvor. Im Praxistest funktioniere der AF bei dynamischen Motiven selbst dann, wenn das Hauptmotiv zuweilen durch andere Objekte verdeckt wurde.
Um die präzise Führung des Lichts auf den AF-Sensor zu gewährleisten, muss der Spiegel bei der Mark III angesichts ihrer hohen Serienbildgeschwindigkeit jedoch praktisch rückschlagfrei bewegt und so schnell und präzise wie möglich ohne „Spiegelschlag“ an seine Ausgangsposition zurückgeführt werden. Die dafür notwendige Konstruktion des Spiegelsystems ist bei der 1D X Mark III entsprechend aufwändig.
(Diese Bilder wurden mit Vorserienmodellen aufgenommen, die Bildqualität kann zu der von Kameras aus der Serienproduktion abweichen.)
Datenqualität
Auch wenn die Auflösung der Kamera mit 20,1 Megapixel eher niedrig ist, hat der Sensor einige Besonderheiten zu bieten und verspricht eine hohe Datenqualität „out of the cam“, also ohne Nachbearbeitung. So ist der Sensor der EOS-1D X Mark III der erste, der über einen neuartigen Tiefpassfilter verfügt, der schärfere und höher aufgelöste Bilder ermöglicht und gleichzeitig unerwünschtes Moiré vermeidet.
Außerdem ermöglicht er im Zusammenspiel mit dem neu entwickelten DIGIC X Prozessor eine schnellere Auslesung der Bilddaten und zeichnet sich durch ein geringeres Rauschen aus. Dank der Optimierung der Rauschunterdrückung ist der Dynamikumfang der Bilder bei der Nachbearbeitung besser nutzbar. Zu guter Letzt bietet der Sensor den größten bisher von Canon angebotenen ISO-Bereich: Der Einstellungsbereich der 1D X Mark III reicht von ISO 50 bis ISO 819.200 – entsprechend 18 bis 60 DIN.
HEIF versus JPEG
Bei dem neuen Topmodell handelt es sich außerdem um die erste EOS mit HEIF (High Efficiency Image File Format) Unterstützung. HEIF basiert auf dem HEVC/H.265 Video Codec und bietet im Verhältnis zu dem seit rund 25 Jahren verwendeten JPEG-Format eine höhere Bildqualität bei praktisch gleicher Dateigröße – die Bilder werden mit 10 Bit Farbtiefe pro Farbkanal und hohem, der visuellen Wahrnehmung angepassten Dynamikumfang (HDR PQ) gespeichert und sind praktisch frei von Kompressionsartefakten.
Auch das Speicherkonzept der Kamera ist auf Schnelligkeit ausgerichtet: die Schreibgeschwindigkeit der beiden optional nutzbaren CFexpress Speicherkartenplätze liegt bei mehr als dem Dreifachen der bisher schnellsten CFast-Karten. Selbst Aufnahme-Sequenzen von mehr als 1.000 Bildern im RAW- oder RAW+JPEG-Format sind damit ohne Unterbrechung oder Verlangsamung möglich.
Video-RAW
Nicht zuletzt deshalb ermöglicht die Kamera eine interne Videoaufzeichnung mit 5,5K und 12 Bit im RAW-Format – eine Funktion, die bislang nur in den professionellen Cinema EOS Modellen verfügbar war. Dank des großen Farbumfangs der CRM-Daten (5.472 x 2.886) sind bei der Postproduktion umfangreiche Möglichkeiten gegeben. Parallel kann ein 4k Proxy über die zweite CFexpress-Speicherkarte aufgezeichnet werden, die sich über die im Lieferumfang der EOS enthaltene Digital Photo Pro Software verarbeiten lässt. Bearbeitungssoftware von anderen Anbietern unterstützen dieses Format ebenfalls.
In 4K-Auflösung kann intern wahlweise mit 10 Bit HEVC/H.265 Codec und mit Canon Log aufgezeichnet werden – für einen erweiterten Dynamikumfang und ein problemloses Grading in der Postproduktion. Die EOS-1D X Mark III unterstützt die Aufzeichnung von Dateien im MP4-Container für eine schnelle Übertragung von Dateien. Sie ist die erste Kamera der EOS-1 Serie mit der 5-achsigen Movie Digital IS Stabilisierung für Videoaufnahmen, die Verwacklungsunschärfen bei der Aufnahme aus freier Hand verhindert – eine Funktion, die von Canon ansonsten nur in High-End-Cinema Kameras wie der EOS C500 Mark II angeboten wird. Der Dual Pixel CMOS AF der EOS-1D X Mark III wird auch im 4K- und RAW-Modus unterstützt, so dass Profis in Verbindung mit Movie Digital IS darauf vertrauen können, dass ihr Filmmaterial gestochen scharf ist.
Konnektivität
Die EOS-1D X Mark III ist die erste Kamera der EOS-1 Serie mit integriertem WLAN und Bluetooth. Das WLAN steht für die FTP-Übertragung, die Verbindung über die EOS Utility Software sowie mit einem Smartphone bereit. Die permanente Kopplung per Bluetooth Low Energy hält eine kabellose Verbindung zwischen Kamera und Smartphone oder Tablet aufrecht, ohne dabei den Akku der Geräte zu belasten. Beim Start der Canon Camera Connect App verbindet sich die EOS-1D X Mark III automatisch mit kompatiblen Geräten und ermöglicht so die Überprüfung, die Freigabe und ferngesteuerte Live-View-Aufnahmen.
Mit dem integrierten GPS können Profis außerdem die Standortdaten in die Bilder einbetten, was besonders bei der Sport-, Presse- und Tierfotografie nützlich ist. Die Kamera überträgt die Daten mit der doppelten Geschwindigkeit der EOS-1D X Mark II bei Verwendung der integrierten LAN-Schnittstelle oder mit dem neuen, optionalen Wireless File Transmitter WFT-E9. In Verbindung mit dem unkomplizierten Setup für das Netzwerk verbessert das den professionellen Workflow. Vor allem Bildjournalisten profitieren von der Möglichkeit, während der laufenden Bilddatenübertragung Sprachnachrichten zu den Bildern aufzeichnen und übertragen zu können.
Ohne Limits
Das Gehäuse der EOS-1D X Mark III ist aus Magnesiumlegierung, hat einen erstklassigen Witterungsschutz und verspricht die von Canon EOS-1 Modellen zu erwartende Langlebigkeit – auch bei extremen Wetterbedingungen. Bei Dunkelheit erleichtern beleuchtete Tasten den Einsatz der Kamera, wenn die Display-Lichttaste gedrückt wird. Dass dadurch der Energieverbrauch steigt, fällt kaum ins Gewicht, denn das dieser im Vergleich zu spiegellosen Kameras bei der DSLR deutlich geringer ist, führt im Fall der EOS-1D X Mark III zu einer drastisch verbesserten Akkulaufzeit: Der Akku LP-E19 ermöglicht bis zu 2.850 Aufnahmen pro Ladung.
Die ab Februar 2020 verfügbare Kamera kostet inklusive einer CFe 64GB KARTE und Reader 7.299 Euro, der optional lieferbare Wireless File Transmitter WFT-E9 ist für 739 Euro zu haben. Fest steht: Dank drastisch verbesserter AF-Nachführleistung, optimierter Bildqualität und erweiterter Möglichkeiten zum Datentransfer, stellt 1D X Mark III aktuell das technologische Highlight der Canon EOS Produktfamilie dar. Gleichzeitig tritt die Mark III den Beweis an, dass Spiegellose nicht in allen Fällen die Kameras der Wahl sind und dass die DSLR-Technologie vor allem für die Sport- und Actionfotografie nach wie vor entscheidende Vorteile zu bieten vermag.