Die spiegellose Systemkamera Fujifilm GFX100 bringt mit ihrem 102-Megapixel-Sensor und ihrem 5-Achsen- Bildstabilisator das Mittelformat auf ein neues technisches Niveau, und das zu einem vergleichsweise sensationellen Preis von knapp 11.000 Euro. ProfiFoto Chefredakteur berichtet vom GFX-Launch aus Tokyo über seine Eindrücke.
Mittelformatkameras spielen in einer eigenen Preisklasse. Während andere 100 Megapixel-Modelle wie die Hasselblad H6D-100c MP oder die Phase One XF um die 30.000 Euro kosten, bietet die neue Fujifilm GFX100 jetzt zu einem Drittel deren Preises nicht nur dieselbe Auflösung, sondern deklassiert die dreimal so teuren Wettbewerbsmodelle mit ihrem 5-Achsen- Bildstabilisator und einem zeitgemäßen Autofokus und mehr auch auf technischem Niveau.
Bereits mit seinen 50 Megapixel Modellen GFX 50R und 50S gelang es Fujifilm, den Mittelformatmarkt erheblich zu erweitern und neue Anwendergruppen zu erschließen, denn auch sie bieten erheblich mehr Ausstattung zu deutlich niedrigeren Preisen, als von Hasselblad, Leica und Phase One gewohnt.
Doch während Kameras mit 50 Megapixel auch mit Kleinbild-Sensoren zu haben sind, übertrifft die GFX100 diese jetzt in Sachen Auflösung um das Doppelte. Dass es sich bei dem Sensor der Kamera mit einer Diagonale von 55 mm um das so genannte „kleine Mittelformat“ handelt, ist dabei die einzige Einschränkung gegenüber einigen Kameramodellen skandinavischer Provenienz, deren Sensoren teilweise noch mehr Format bieten.
Dafür ist die GFX100 als einzige aktuelle Mittelformatkamera mit einem BSI-Sensor mit integrierten Phasendetektions-Pixeln ausgestattet. Im Vergleich zu den 50 Megapixel Modellen der GFX Serie hat sich die Autofokus-Geschwindigkeit verdoppelt. Zudem bietet die GFX100 einen präzisen kontinuierlichen Autofokus mit AF-Verfolgung von sich bewegenden Motiven.
Das in das Gehäuse integrierte 5-Achsen-Bildstabilisierungssystem (IBIS), das bis zu 5,5 EV-Stufen längere Verschlusszeiten erlaubt, sucht man sonst im Mittelformat ebenfalls vergeblich. Damit sind jetzt ultra-hochauflösende Aufnahmen auch aus der freien Hand möglich.
Zudem stehen im Vergleich zu GFX 50S und GFX 50R erweiterte Videofunktionen zur Verfügung: Erstmals in dieser Kameraklasse sind Bewegtbildaufnahmen in 4K/30p-Auflösung (10 Bit 4:2:2) realisierbar.
Im Detail
Der neue Sony Sensor, der speziell für die GFX100 entwickelt wurde, misst 43,8 x 32,9 mm und ist damit 1,7-mal größer als ein Sensor im Kleinbildformat. Über kurz oder lang wird er sicher auch in Kameras anderer Hersteller verfügbar sein, doch nur in der Fujifilm übernimmt ein X-Prozessor 4 die Verarbeitung der von ihm erzeugten Datenmengen. Der Sensor verfügt über 3,76 Millionen Phasendetektions-Pixel, die nahezu über die gesamte Sensorfläche verteilt sind. Sie ermöglichen unabhängig von der Platzierung des Hauptmotivs im Bild eine schnelle und präzise Fokussierung, so dass ein sehr dynamisches Arbeiten möglich ist, wie es mit hochauflösenden Mittelformatkameras bislang nicht möglich war.
Der Sensor wird rückwärtig belichtet (Back Side Illuminated). Dadurch kann die Oberfläche des Sensors mehr Licht aufnehmen, was das Rauschverhalten trotz der hohen Pixelanzahl positiv beeinflusst. Zudem bietet der Sensor der GFX100 einen großen Dynamikumfang und eine schnelle Signalverarbeitung.
Grundsätzlich steigt mit der sehr hohen Sensorauflösung auch die Gefahr von Verwacklungsunschärfe. Um dieses Risiko zu minimieren, hat Fujifilm ein neues 5-Achsen-Bildstabilisierungssystem (IBIS) für den 102-Megapixel-Sensor entwickelt, das bis zu 5,5 Blendenstufen längere Belichtungszeiten erlaubt. Außerdem ist die Verschlusseinheit federnd gelagert, wodurch beim Auslösen entstehende Vibrationen weiter minimiert werden.
Das Stabilisierungssystem der Kamera setzt damit Maßstäbe in der hochauflösenden Digitalfotografie. In einer Vielzahl von Situationen, die bislang den Einsatz eines Stativs verlangten, kann man mit der GFX100 nun auch aus der freien Hand fotografieren.
Video in Cinema-Qualität
Die Kombination des Bildsensors und des X-Prozessor 4 ermöglicht erstmals mit einer Mittelformatkamera die Aufnahme von Bewegtbildern im 4K/30p- Format (10 Bit 4:2:2 extern und 10 Bit 4:2:0 intern). Im Standardformat 17:9 verwendet die Kamera dabei einen 43,8 × 23,19 mm (49,56 mm diagonal) großen Sensorausschnitt. Dieses Aufnahmeformat ist größer als das vieler aktueller Highend-Cinema-Kameras, sodass es mit der GFX100 möglich ist, hochwertige Bewegtbilder mit geringer Schärfentiefe, großem Dynamikumfang und hoher ISO- Empfindlichkeit aufzunehmen. Die Videos zeichnen sich durch ihre atmosphärische Authentizität aus und bestechen mit einem großen Detailreichtum sowie plastischer Wirkung.
Die GFX100 verarbeitet die vom Bildsensor gelieferten hochauflösenden Daten auf Basis einer Überabtastung (Oversampling) und rendert die Bilder mit einer Auflösung von circa 50,5 Megapixeln. Sie unterstützt den H.265/HEVC-Codec sowie die Standards „F-Log“ für eine Gammakurve mit großem Dynamikumfang und
„Hybrid Log Gamma (HLG)“ zum Erstellen von HDR-Aufnahmen. Die GFX100 verfügt zudem über die Cinema- Filmsimulation „ETERNA“ für einen filmisch ausdrucksvollen Kino-Look.
Outdoor-tauglich
Die gegen Spritzwasser und Staub geschützte Magnesiumgehäuse der GFX100 ist vergleichbar mit den Topmodellen der professionellen Kleinbild-DSLR-Kameras. Trotz des 1,7-mal größeren Sensors misst sie nur 156,2 × 163,6 × 102,9 Millimeter (Breite × Höhe × Tiefe) und wiegt mit zwei Batterien, Speicherkarte und elektronischem Sucher nur rund 1.400 Gramm. Integriert ist ein Hochformatgriff, so dass das Gehäuse trotz des integrierten Bildstabilisators und der zwei Akku-Steckplätze insgesamt flacher gestaltet werden konnte. Außerdem ermöglicht er eine komfortablere Griffposition.
Handling
Die GFX100 ist mit zwei zusätzlichen Informationsanzeigen ausgestattet: Auf der Oberseite befindet sich ein 4,6 cm (1,8 Zoll) großes LC-Display, und auf der Rückseite unterhalb des großen Monitors ein weiteres 5,2 cm (2,05 Zoll) großes Info-Display. Sie zeigen diverse Aufnahmedaten und Kameraeinstellungen oder das Histogramm an. Die Einblendung der Information auf allen Anzeigen (Sucher, Monitor, oberes oder rückwärtiges Info-Display) kann individuell konfiguriert werden. Auf diese Weise sind wesentliche Aufnahmeinformationen immer ersichtlich, und das auch bei Tethered- Shooting-Aufnahmen und ungewöhnlichen Kamerapositionen, die eine Verwendung von Sucher oder Monitor unmöglich machen.
Für Benutzer, die die analogen Einstellräder der kleineren GFX Modelle schätzen, bietet die GFX100 eine Anzeigeoption an, bei der auf dem Schulterdisplay virtuell große Einstellräder eingeblendet werden. Diese können dann über das vordere und hintere Steuerrad bedient werden.
Die Anzahl der Tasten und Knöpfe wurde auf ein Minimum reduziert, um eine möglichst einfache Handhabung der Kamera zu gewährleisten. Auf der Oberseite befindet sich links vom Sucher das Einstellrad für die Betriebsart; es erleichtert den schnellen Wechsel zwischen Foto-, Video- und Serienbild-Modus. Für jeden Modus lassen sich spezifische Kameraeinstellungen (Belichtung, Weißabgleich, Filmsimulation etc.) speichern, sodass beim Wechsel der Betriebsart mit nur einer Einstellung sämtliche relevanten Parameter verfügbar sind.
Wie die GFX 50S hat die GFX100 einen abnehmbaren elektronischen Sucher, der sich in Kombination mit dem optionalen Winkel-Adapter EVF-TL1 nach oben schwenken lässt. Der neue Sucher verfügt über ein hochauflösendes OLED-Display mit 5,76 Millionen Bildpunkten und wurde speziell für den 102- Megapixel-Sensor entwickelt. Er besitzt fünf optische Elemente, darunter eine asphärische Linse, die für eine 0,86-fache Vergrößerung des Sucherbildes sorgen. Je nach Motiv und Aufnahmesituation kann man zwischen drei Sucher-Modi wählen: „Bildrate Priorität“, „Auflösung Priorität“ und „AF-Geschwindigkeit Priorität“. Der rückwärtige 8,1 cm (3,2 Zoll) große LC-Touchscreen zeigt ein hochauflösendes Vorschaubild mit über 2,36 Millionen Bildpunkten und lässt sich in drei Richtungen schwenken.
Phasendetektions-AF
Die GFX100 verwendet als erstes Modell der GFX Serie einen Phasendetektions-AF inklusive eines Algorithmus, der aus der – für ihren schnellen und präzisen Autofokus hochgelobten – vierten Generation der Kameras der X Serie (X-T3 und X-T30) übernommen wurde. Der Algorithmus greift auf 3,76 Millionen Phasendetektionspixel zurück, die über die gesamte Sensorfläche verteilt sind (Abdeckung ca. 100 %). Zur Verfügung stehen die Fokusmodi „Einzelpunkt“ sowie „Zone“ und „Weit / Verfolgung“. Besonders auffällig ist die Leistung des neuen AF-Systems bei der Verwendung von Festbrennweiten mit relativ schweren Fokus-Linsenelementen, die im Vergleich zu einem konventionellen Kontrast-AF-System doppelt so schnell fokussieren.
Darüber hinaus bietet die GFX100 eine deutlich präzisere automatische Scharfstellung mit der Gesichts- und Augenerkennung, die von vielen Mode- und Porträtfotografen inzwischen standardmäßig genutzt wird. Die Gesichtserkennung funktioniert bei ihr über größere Aufnahmeentfernungen, und der AF verfolgt zuverlässig auch Gesichter im Profil sowie Gesichter, die sich sprunghaft im Bildausschnitt bewegen oder teilweise verdeckt sind.
Farbwiedergabe
Als langjähriger Hersteller von analogem Filmmaterial und digitalen Systemkameras ist Fujifilm für die herausragende Qualität seiner Farbwiedergabe bekannt. Die GFX100 ermöglicht RAW-Aufnahmen mit 16-Bit und unterstützt die Entwicklung von TIFF-Dateien in der Kamera.
Aufgrund der sehr hohen Auflösung des 102-Megapixel-Sensors und der umfassenden Farb- und Kontrastwiedergabe bieten die Bilddaten professionellen Anwendern deutlich mehr Spielraum bei der Nachbearbeitung. Außerdem gestattet die neue Funktion „Weiche Haut“ bei Porträtaufnahmen eine automatische Glättung der Hauttöne bereits in der Kamera, was angesichts der Detailwiedergabe ein sinnvolles Tool ist.
Weitere Neuerungen
Die GFX100 fasst zwei Akkus (NP-T125), die voll aufgeladen bei ausschließlicher Nutzung des rückwärtigen LC-Displays rund 800 Aufnahmen ermöglichen. Über eine USB-C-Schnittstelle können die Akkus aufgeladen oder die Kamera im Betriebsmodus mit Strom versorgt werden. Zudem lässt sich ein externer Power-Pack über ein USB-Kabel anschließen, wodurch sich die Aufnahmedauer verlängert.
Als erstes Modell der GFX Serie unterstützt die Kamera den Standard IEE802.11ac 5GHz, der einen noch schnelleren drahtlosen Datentransfer unterstützt. Wie die bereits auf dem Markt befindlichen GFX Modelle ist die GFX100 mit den Software- Anwendungen „Tether Shooting Plug-in PRO for Adobe Photoshop Lightroom“ und „Capture One Pro Fujifilm“ kompatibel, mit denen sich RAW- Daten entwickeln und professionelle Tethered-Shooting-Workflows realisieren lassen.
Fazit
Mit ihrem 102-Megapixel-Sensor mit einer Diagonale von 55 mm bietet die Fujifilm GFX100 ein derzeit unschlagbares Preis-Leistungsverhältnis im Mittelformat. Ihr X-Prozessor 4 ist und bleibt ein exklusives Merkmal der Kamera, auch wenn andere den Sensor der GFX100 ebenfalls anbieten sollten. Ihre sensorbasierte Bildstabilisierung IBIS und ihr schneller und präzises Autofokus-System ist einmalig in dieser Kameraklasse, in der andere Kameras noch immer mit einem mittig angeordneten Kreuzsensor antreten. Der gebotenen Auflösung angemessen ist die Auflösung des elektronischen Suchers mit 5,76 Millionen Bildpunkten, wobei das klappbare 8,1 cm (3,2 Zoll) Touchscreen-LCD mit 2,36 Millionen Pixeln an einen Lichtschachtsucher klassischer Mittelformatkameras anknüpft. Die zwei Zusatzdisplays zur Einblendungen von Aufnahmeinformationen sind für Tethered Shooting besser geeignet, als die manuellen Einstellräder der anderen GFW Modelle, weil sie anzeigen, was am Computer eingestellt wurde. Wie Filmer auf die Möglichkeit zu professionellen Videoaufnahmen in 4K/30p reagieren. Fotografen profitieren von der Wi-Fi-Konnektivität der Kamera, die sich darüber sogar über ein Smartphone fernsteuern lässt. Phase One und Hasselblad dürften jedenfalls ab dem Verkaufsstart der GFX100 Ende Juni größere Schwierigkeiten haben, Argumente für ihre dreimal so teuren Vergleichsmodelle zu finden. Immerhin: Für knapp 50.000 Euro gibt es bei Phase One noch einmal 50 Megapixel mehr, was spätestens beim angekündigten Firmware-Update der GFX100 an Bedeutung verlieren dürfte, denn dann soll die Fujifilm sogar über die Option zu Multishot-Aufnahmen verfügen.