Profoto hat kürzlich seine Blitzgeräteserie B10 über seine proprietäre AirX-Technologie mit dem iPhone kompatibel gemacht. ProfiFoto im Gespräch mit Tobias Lindbäck, Vice President Technology & Licensing Business bei Profoto.
Profifoto: Tobias Lindbäck, wie entstand die Idee, professionelle Blitzanlagen mit Smartphones zu synchronisieren?
Tobias Lindbäck: Das war im Jahr 2015. Der Profoto CEO Anders Hedebark machte sich Sorgen um die Zukunft, obwohl das Unternehmen mit einer Wachstumsrate von 50 % pro Jahr sehr profitabel ist.
Anders arbeitete bei Hasselblad, als die Kameramarke während des digitalen Übergangs der frühen Nullerjahre Probleme hatte. Sein Vice President Sales, Patrik Bluhme, arbeitete zur gleichen Zeit bei Kodak und später bei Sony, als die Fernsehindustrie mit Flachbildfernsehern vor dem Analog-Digital-Übergang stand. Beide wussten, dass ein Technologiewandel schnell und brutal vonstattengehen kann. Aber auf welchen Wandel sollte sich Profoto vorbereiten?
Beim Mittagessen unterhielt sich Anders mit einem der Firmware-Entwickler darüber, dass die Smartphone-Kameras immer besser wurden.
Warum also nicht Profoto-Blitzgeräte an sie anschließen?
Das kann doch nicht so schwer sein, oder doch?
Damals war ich zu Profoto gekommen, um als Vice President Technology die Forschung und Entwicklung zu leiten, und diese Aufgabe fiel mir quasi in den Schoß. Der erste Schritt bestand darin, jemanden zu finden, der in der Lage war, einen Weg zu finden, einen Blitz mit einem Smartphone präzise zu synchronisieren. Ich brauchte im Grunde genommen einen Raketenwissenschaftler. Also rekrutierte ich Christian Ridderström, einen promovierten Physiker aus der Raumfahrtindustrie.
Damals bestand das Profoto Team aus Experten für Blitzgeräte-Elektronik. Das Software-Know-how in der Organisation war gering, und die Kenntnisse über Smartphones und Bluetooth-Konnektivität gingen gegen Null. Aber wir haben gelernt, Schritt für Schritt.
Was waren die größten Probleme bei der Entwicklung der AirX-Technologie?
Es wurde ein kleines Team gebildet, und nach und nach bekamen wir einen Einblick in die Funktionsweise der iPhone-Kamera und in die Möglichkeiten von Bluetooth. Wir stellten bald fest, dass die Synchronisation ein echtes Problem war, denn wir hatten keine Kontrolle über den genauen Zeitpunkt der Auslösung, weil die Bluetooth-Kommunikation nicht gerade ein Echtzeitsystem ist.
Anstatt eine Synchronisation wie bei einer DSLR-Kamera zu realisieren, mussten wir den genauen Zeitpunkt der Aufnahme in iOS vorherbestimmen, inklusive der Zeit, die das Bluetooth Signal braucht, um beim externen Blitz anzukommen.
Und wie konnte das Problem schließlich gelöst werden?
Ein Teil unserer technischen Lösungen hat zu einer Patentanmeldung geführt, andere blieben eine Art „Geheimrezept“, die nur in Christians Kopf existieren. Um seine Ideen weiterzuentwickeln und mehr Innovation einzubringen, war entscheidend, sein Wissen an das Profoto Team weiterzugeben – eine nicht zu unterschätzende Aufgabe.
Anfang 2018 hatten wir die beiden größten Hürden überwunden: Wir hatten die Synchronisierung über Bluetooth unter Verwendung eines Standard-BLE-Protokolls realisiert, und wir hatten den Prototyp einer iOS-Kamera-App.
Und was fehlte noch?
Die Bilder sahen in vielen Fällen wirklich seltsam aus. Wir konzentrierten uns so sehr auf das, was wir für die schwierigen Teil hielten, dass wir das Offensichtliche übersahen: Die Bilder müssen gut aussehen! Obwohl Profoto seit 50 Jahren in der Fotografie tätig ist, mussten wir uns nie mit der Aufnahmetechnik befassen. Aber zum Glück haben wir in unserer F&E-Abteilung genug verborgene Talente entdeckt, um im September 2018 unsere erste öffentliche iOS-App einführen zu können. Wir gestalteten die Dinge supereinfach, machten alles manuell und mit einem „Blitz“, der im Grunde ein LED-Impuls war. Damals war es eher ein Spielzeug als irgendetwas Nützliches. Wir hatten nicht geahnt, wie schwer es sein würde, eine Smartphone-Flash-Lösung für „alle“ zu entwickeln. Das Problem ist, dass viel von der Intelligenz der Smartphone-Kamera verloren geht, wenn man plötzlich einen Blitz abfeuert. Viele der Funktionen, die Smartphone-Benutzer für selbstverständlich halten, mussten wir von Grund auf neu entwickeln.
Und was hat schließlich den Durchbruch gebracht?
Im Jahr 2019 habe ich Wladimir Hudnizkij als Leiter der App-Entwicklung eingestellt – einen jüngeren Mann aus Belarus mit fundierten Kenntnissen über Entwicklungsprozesse und Fototechnik. Er verstand, was wir erreichen wollten, so dass er das Team aufbauen und in die richtige Richtung führen konnte. Schließlich haben wir auch eine gute Zusammenarbeit zwischen Image-Tech und App-Entwicklung aufgebaut.
Parallel zu dieser Entwicklung fuhren ich und der Profoto-Ingenieur Anton Falk zur CES nach Las Vegas, um unsere App und den B10 Blitz bei Huawei vorzustellen. Der Smartphone-Hersteller war zu diesem Zeitpunkt auf der Suche nach Partnern und erwarb eine Lizenz zur Verwendung des Profoto BLE Sync in seinen Smartphones.
Die Zusammenarbeit mit Huawei war ein großer Meilenstein. Jetzt lieferten wir plötzlich unseren Code an eines der größten Technologieunternehmen der Welt. Eine neue Erfahrung für eine alte Hardware-Firma. Am 18. September 2019 stellte Profoto seine iOS-App zusammen mit den LED-Leuchten der C1 Serie für Smartphones vor. Am folgenden Tag, dem 19. September, startete Huawei das Mate 30 mit Profoto-Unterstützung durch die native Kamera-App.
Jetzt bietet Profoto mit AirX die Möglichkeit, externe Studioblitze mit dem Komfort eines iPhones zu kombinieren. Was bringt das professionellen Fotografen?
Daraus ergibt sich auch für professionelle Anwender ein schnellerer Workflow. Schließlich können Fotografen mit Smartphones Fotos nicht nur erfassen, sondern sie auch bearbeiten und veröffentlichen, und zwar über die dasselbe Gerät, wodurch die Zeit von der Aufnahme bis zur Veröffentlichung deutlich verkürzt wird.
Während viele darüber diskutieren, wer oder was heute ein „Pro“ ist und wer nicht, wird die kommende Generation einfach an uns vorziehen, ohne sich mit dieser Frage auszuhalten. Und die ist mit Smartphones aufgewachsen und kommuniziert ganz anders mit Bildern, als wir es gewohnt waren. Das iPhone mit einem professionellen Blitz zu verbinden, ermög-licht dieser neuen Generation von digitalen Kreativen unter völlig neuen Bedingungen in den Wettbewerb zu treten.
Profoto ist jedenfalls heute weltweit führend beim Thema Blitzfotografie mit Smartdevices und hat seit 2015 einen langen Weg zurückgelegt!
Profoto-Studie
Profoto hat eine Studie zum Einsatz von Smartphones in der professionellen Fotografie in Auftrag gegeben. Demnach machen aktuell 13 % der befragten Profi-Fotografen die Hälfte oder mehr ihrer professionellen Fotos mit einem Smartphone, während 64 % dieses nur für ihre nicht-professionellen Fotos nutzen.
31 % gaben an, dass der Anteil an Smartphone-Fotos in den letzten 12 Monaten gestiegen ist, weil diese sich schnell und einfach in bestimmte Workflows integrieren lassen. 21 % der befragten Fotografen verwenden Smartphone-Fotos demnach vor allem für ihre eigene Online-Präsenz, etwa auf Social Media Kanälen. Die Studie zeigt außerdem, dass 67 % der befragten Profi-Fotografen Blitzlicht für die meisten ihrer professionellen Fotos einsetzen. Daraus schließt Profoto, dass mehr Fotografen Smartphones professionell einsetzen würden, könnten sie dabei wie gewohnt ihr Blitzlicht verwenden.
Durchgeführt wurde die Studie mit 881 Befragten unter der Leitung von Suite 48 Analytics, einem Forschungsunternehmen mit Schwerpunkt in der Foto- und Videoindustrie.