Der Beruf Fotograf wird von den einen als Handwerk beziehungsweise Gewerbe, von den anderen freiberuflich ausgeübt, ob als Fotojournalist oder als Fotodesigner. Damit verbunden sind unter anderem unterschiedliche steuerliche Belastungen, gegen die sich gewerbliche Handwerksfotografen vermehrt zur Wehr setzen, weil sie sich benachteiligt fühlen. ProfiFoto hat dazu Meinungen eingeholt, die die Stimmung in der Profiszene widerspiegeln.
Das wolltenm wir wissen:
- Die entscheidende Frage: Kunst oder Gewerbe oder keines von beidem – wie wäre der Beruf des Fotografen Ihrer Meinung nach korrekt einzuordnen?
- Wozu zählen Sie sich und worin liegen dabei ihrer Meinung nach die Vor- und Nachteile?
- Wie sollte der Berufsstand der Fotografen geregelt werden? Wo herrscht ihrer Meinung nach Handlungsbedarf? Was tun gegen Wettbewerbsverzerrung und für mehr Rechtssicherheit?
Peter Hytrek, 1. Vorsitzender PIC Verband
1 Seit vielen Jahren wird dieses Thema gesellschaftlich und politisch diskutiert. Oftmals müssen Gerichte bemüht werden, um individuelle Entscheidungen zu fällen, da eine rein faktische Trennung nicht einfach ist. Es geht dabei nicht nur um ästhetische und gestalterische Gesichtspunkte. Nach der Definition des Finanzamtes geht es bspw. um die Gestaltungstiefe. Dabei kann eine Auftragsarbeit genauso „frei sein im Denken“ wie eine künstlerische Arbeit „unfrei“, da der Künstler versucht, dem Geschmack des Marktes zu entsprechen. Neben der steuerrechtlichen Beurteilung hat die Unterscheidung sogar existenzielle Implikationen, denn nur nachweislich künstlerisch tätige Fotografen haben derzeit Anspruch auf eine soziale Absicherung über die Künstlersozialkasse. Man muss sich sehr bemühen, diese Frage befreit von Standesdünkel zu betrachten. Als Vorsitzender des PIC Verbands freue ich mich darüber, dass wir als einziger Berufsverband genau in der Mitte dieser Spannungsfelder positioniert sind. Unsere Mitglieder sind teilweise klassisch ausgebildete Fotografen und nicht wenige besitzen einen Meisterbrief, andere sind Studierte oder Quereinsteiger aus anderen Berufen und haben sich ihr fachliches Know-how anderweitig erarbeitet. Nahezu alle Kollegen in unserem Verband sind sowohl für ihre handwerklichen Arbeiten im Sinne von (ge-)werblicher Fotografie, als auch für künstlerische Fotografie bekannt und geschätzt. Sind „handwerkliche“ Fotos eines Künstlers automatisch Kunst oder sind, umgekehrt gefragt, künstlerische Fotos eines Handwerkers immer Handwerk? Als mögliche Unterscheidung fällt mir spontan ein Kriterium ein, welches sich nicht nur auf die Bewertung von Fotografie beschränkt: Künstlerische Arbeiten dürfen fast alles, handwerkliche folgen Regeln, in unserem Fall bspw. korrekter Belichtung, Schärfepunkt, Beleuchtung, Zweckdienlichkeit… Am Ende des Tages sind diese Regeln jedoch ebenso vom Zeitgeist geprägt wie die Einschätzung dessen, was Kunst ist.
2 Bezogen auf den Alltag liegen die wohl offensichtlichsten Unterschiede zwischen Kunst und Handwerk in der fiskalischen Besteuerung. Für gewerbliche Fotografen und deren Firmenkunden spielt die Höhe der USt. keine Rolle, da es sich für beide Seiten um einen durchlaufenden Posten handelt.
Bei Hochzeits- & Porträtfotografen im Umfeld privater Kundschaft sieht es ganz anders aus. Die Profis in diesem Arbeitsumfeld sind in vielen Fällen nicht nur ausschließlich künstlerisch individuell, sondern gleichzeitig handwerklich perfekt. Warum muss der Endkunde hier 19 Prozent Mehrwertsteuer zahlen, während der Künstlerkollege nur sieben Prozent berechnet? Betroffen sind beide Seiten: Der ausführende Fotograf, der diese höhere Mehrwertsteuer berechnen muss und somit teurer ist, und zusätzlich leidet der Endkunde unter der faktisch höheren Besteuerung, die er im Gegensatz zu Gewerbetreibenden nicht mindernd berücksichtigen kann.
3 Meiner Ansicht nach besteht dringender Handlungsbedarf bei der Aus- und Weiterbildung von Berufsanfängern. Einsteiger müssen deutlich näher am Alltag orientiert ausgebildet und geschult werden. Wir müssen erwägen, ob wir neben der Ausbildung ein Qualifizierungs- und Zertifizierungssystem schaffen, dass näher am Markt ist und somit schneller auf neue Anforderungen und technische Entwicklungen reagieren kann. Seit der Abschaffung der Meisterpflicht ist der Zugang zum Arbeitsplatz Fotografie freier geworden. Ein wichtiger Schritt. Eine abgeschlossene Berufsausbildung ist kein Garant für wahres Können, handwerkliche Begabung oder künstlerische Finesse. Der Alltag zeigt, dass selbst innerhalb einer Innung / eines Studienjahres oder sogar eines Betriebes Absolventen stark unterschiedlich qualifiziert sind. Als PIC Verband setzen wir uns deshalb mit Nachdruck dafür ein, die Inhalte der Ausbildung zeitgemäßer zu gestalten. Auch eine deutlich höhere Bezahlung, insbesondere während der Ausbildung, ist ein wichtiges Steuerelement, um unserem Beruf Status zu verleihen und qualifizierten Nachwuchs – der dringend benötigt wird – für diesen wunderbaren Beruf zu interessieren. Auch besteht – Verbandsübergreifend – Bedarf, die zwangsweise Mitgliedschaft in der Handwerkskammer zu diskutieren. Die Kosten werden ausschließlich gewerbetreibenden Fotograf zugemutet. Für die angenommene Verzerrung des Wettbewerbs und mangelnde Rechtssicherheit eine ultimative Lösung finden zu wollen, bedeutet vermutlich gleichermaßen eine Einschränkung der Kunst sowie der Qualität. Realistisch betrachtet sollten wir im Zweifel bereit sein, individuell per gerichtlicher Auseinandersetzung über Kunst / Handwerk zu streiten, also auch über sieben oder 19 Prozent USt. Die Alternative wäre eine verstaatlichte Ordnung, also der Versuch exakte Regeln festzulegen, was gute Kunst von solidem Handwerk unterscheidet. Vielen Fachleuten fällt diese Unterscheidung schwer und in diesem Sinne sollten wir uns vor einer staatlichen Regelung hüten. Gerade in unserem Berufsumfeld widerspräche eine Reglementierung meiner Auffassung von gesellschaftlicher Entwicklung. Kunst und Handwerk leben von und erneuern sich durch Auseinandersetzung, unterschiedliche Ansichten und Herausforderungen. Gleichzeitig sind diese Punkte der Motor für Überprüfung, Anpassung, Verbesserung und somit Evolution.
Johannes Mairhofer, Dozent & Berater
1 Meiner Meinung nach sind Fotografen vom Grundsatz her Gestalter und Künstler. In den letzten Jahren bekomme ich allerdings vermehrt den Eindruck, dass Fotografen immer weniger Künstler und immer mehr zum Techniker werden. Die eben „ne teure Kamera, Computer und bissl Licht“ mitbringen und dann beim Kunden einfach schnell mal „rumknipsen“. Das Fotografen sich vorher Gedanken machen, was denn zum Kunden passt und wo man wie und wen fotografiert, das wird gar nicht mehr geschätzt und gesehen. Das führt dann zu den „Nee, meine Tochter hat ne Kamera zu Weihnachten bekommen, wir machen das jetzt selbst“ Argumenten, die wahrscheinlich jeder Fotograf kennt.
2 Als Fotograf war ich Freiberufler. Mittlerweile bin ich primär aber gar nicht mehr als Fotograf tätig, sondern unterrichte und berate meine (ehemaligen) Fotografen Kollegen und andere Freiberufler und kleine Startups in den Themen Socialmedia, Lightroom und WordPress, ein Tool zur Erstellung und Pflege der eigenen Webseite. Um in der Fotografie, die ich nach wie vor sehr spannend finde, zu bleiben, bin ich außerdem immer wieder als Fotoassistent oder Digital Operator unterwegs und unterstütze hier andere Fotografen bei großen Produktionen. Der Vorteil der Freiberuflichkeit war in meinen Augen eigentlich nur der verminderte Papierkram. Aber allein, dass es die beiden Varianten gibt, ist schon wieder ein bürokratischer Akt, der so ja nicht sein muss.
3 Das ist die wichtigste Frage. Meiner Meinung nach sollte es völlig egal sein, ob man sich Fotograf, Fotodesigner, Künstler oder Gewerbetreibender nennt, das Ergebnis sollte das Ziel sein. Und hier vor allem hochwertige, individuelle und zum Kunden passende Fotos. Zumindest in meiner Filterblase wird die Fotografie immer weniger Wert geschätzt. Daher ist viel wichtiger als Berufstitel und Eingruppierung: gemeinsam für faire Bezahlung und Wertschätzung kämpfen. Hier müssen Fotografen viel mehr an einem Strang ziehen, anstatt sich den Markt gegenseitig kaputt zu machen. Andere als Kollegen, nicht als Konkurrenten sehen, das ist das Mittel der Wahl dorthin. Vor allem diejenigen, die es (noch) nicht geschafft haben, sich über den Stil und hohe Reichweite zu verkaufen, müssen sich zusammentun, anstatt gegeneinander zu kämpfen. Eine gute Idee hierfür sind Verbände.
Michael Belz, Geschäftsführer des bpp
1 Der Beruf des Fotografen hat seit jeher eine eher künstlerische Ausrichtung. Lichtführung, Gestaltung der Aufnahme, das Posing der Modelle, die Nachbearbeitung, alles was zu einem arrangierten bzw. bewusst inszenierten Bild führt, hat in der eigenen Kreativität seinen Ursprung. Auch sind nach dem Übergang vom analogen zum digitalen Bild die wenigen wirklichen handwerklichen Tätigkeiten in der Fotografie verschwunden. Die Digitalisierung hat den Beruf sehr stark technologisiert, dennoch bleibt die Idee im Kopf immer der Ursprung einer Bildgestaltung. Berufsfotografen, egal welcher beruflichen Ausrichtung, sind kreativ Schaffende.
2 Ich bin als Fotograf im Handwerk groß geworden, habe aber nie so recht verstanden, wieso ich mit Elektrikern, Bäckern und Schreinern in die gleiche Berufsschule gehen musste. Die Fotografie hat kaum irgendwelche Berührungspunkte mit solchen Handwerksberufen.
Ich habe mich auch deshalb nie wirklich dem Handwerk zugehörig gefühlt. Die Trennung zwischen Handwerks- und freiberuflichen (künstlerischen) Fotografen wurde irgendwann einmal willkürlich beschlossen, wobei früher die freiberuflichen Fotografen (durch die rigide Handwerksordnung) und heute die Handwerksfotografen (bei KSK, Gewerbesteuer, Umsatzsteuer, Kammerbeiträge) finanziell stark benachteiligt wurden/werden.
3 Die Berufsfotografen müssen selbst darüber entscheiden können, ob und wie sie ihren Berufsstand organisieren wollen. Eine aufgezwungene Pflichtmitgliedschaft in einer HWK (etwa 90 % aller HWK-Fotografen wollen das nicht mehr!) ist nicht mehr zu akzeptieren. Freiwillige Mitgliedschaft – ok, auch für die z.B., die noch im dualen System ausbilden wollen.
Die Bezeichnung FOTOGRAF oder BERUFSFOTOGRAF sollte vom Gesetzgeber als Berufsbezeichnung geschützt werden. Zugangskoordinaten für den Beruf, also wer Fotografie beruflich ausüben kann und wer nicht, müssen einheitlich für alle gelten. Meines Erachtens gehören nebenberuflich tätige Fotografen, die diesen Beruf in ihrer Freizeit zusätzlich zu ihrem Hauptberuf ausüben, nicht dazu.
Für alle Berufsfotografen müssen die gleichen gesetzlichen Grund- und Rahmenbedingungen gelten. Das gilt auch und im Besonderen für Abgaben, Beiträge und Steuern. Der Zugang zur Künstlersozialversicherung muss allen Berufsfotografen offen stehen oder sonst eben keinem. Alle Berufsfotografen müssen in einem öffentlich einsehbaren Verzeichnis registriert werden.
Weitere Meinungen von Jürgen Meister – Geschäftsführer BFF, Dirk Vaartjes – Fotograf, Hans Starosta – Geschäftsführer CentralVerband deutscher Berufsfotografen, Christian Thieme – Journalist udn Fotograf, Martin Graf – Künstler, David Neubarth, Studio X1, Jakob Voges – Fotograf, Björn Nickolas Schiffner – freiberufler und René Spalek – Künstler in der Umfarge der ProfiFoto 4/16