„Ein guter Fotograf zu sein bedeutet nicht, automatisch auch viele Aufträge zu bekommen“, erklärt Jens Brüggemann einleitend in der zweiten überarbeiteten Auflage des in der Edition ProfiFoto erschienenen Leitfadens für angehende Berufsfotografen. Von daher widmet sich der Fotograf und Fachautor auf mehr als 230 informativen Seiten insbesondere den Erfolgsstrategien für den Ein- und Umstieg in das professionelle Fotobusiness.
Es hilft nicht, einer der besten Fotografen Deutschlands zu sein – solange dies niemand weiß! Entscheidend für Ihren Erfolg wird also neben der perfekten Beherrschung der Technik und einem hervorragenden „fotografischen Auge“ auch die Tatsache sein, dass Sie eine effiziente und erfolgreiche Akquise (im Sinne von allen Maßnahmen zur Kundengewinnung) betreiben. Und hierzu gehören eben auch, neben dem direkten Gespräch, weitere sinnvolle Werbemaßnahmen wie die Schaltung von Anzeigen in Zeitschriften oder im Internet (beispielsweise bei Suchmaschinenanbietern wie Google), die Zusendung von Werbung, Telefonate, Schaufenstergestaltung bei niedergelassenen Fotografen etc. Veränderungen der Umweltbedingungen (den Beruf Fotograf betreffend) werden Sie immer wieder zum Handeln zwingen. Machen Sie sich daher, neben kurzfristigen Werbeaktionen, auch zusätzlich Gedanken um Ihre strategische Marketingplanung, die der langfristigen Erfolgssicherung Ihres Unternehmens dient. Welches sind Ihre Erfolgspotenziale? Ziehen von irgendwoher Gefahren auf (wie in der Vergangenheit beispielsweise durch technischen Fortschritt in der digitalen Kameratechnik oder aufgrund geänderter gesetzlicher Vorschriften wie die Abschaffung des Meisterzwangs)? Wie können Sie angemessen und vor allem schnell darauf reagieren? Es gilt, im Rahmen der Umweltanalyse, Chancen und Risiken rechtzeitig zu erkennen und zu nutzen (die Chancen) beziehungsweise zu umgehen (die Risiken). Dies im Sinne einer aktiven Rolle: Warten Sie nicht angsterfüllten Blickes die sich aufzeichnende Entwicklung ab, sondern versuchen Sie, aktiv in den Prozess einzugreifen, zu gestalten, vorzusorgen.
Die Methoden der Kundenakquisition
Die Methoden der Kundenakquisition sind dabei höchst unterschiedlich.
Man unterscheidet hierbei zwischen Push- und Pull-Methoden. Zu den (oftmals als aggressiv angesehenen) Push-Methoden gehören die direkte Ansprache (auf der Straße, auf Messen, in sozialen Netzwerken etc.), das „Klinkenputzen“ (sowohl unaufgefordert als auch angekündigt; also bei Fotografen insbesondere das Vorstellen und Präsentieren ihrer Mappe bei Werbeagenturen), die Zusendung von Werbemitteln und auch Telefonanrufe. Insbesondere Letztere sind aber für die Angerufenen absolut nervig und daher nur in Ausnahmefällen anzuraten.
Telefonische Werbung ist nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zwar verboten, beim B2B-Markt (auch B-to-B-Markt bezeichnet, gemeint ist der Business-to-Business-Markt) gilt aber das Prinzip der „mutmaßlichen Einwilligung“ des Angerufenen, das sich aus dem Geschäftsgegenstand ergeben kann. So ist ein Anruf eines Werbefotografen zur Vorstellung bei einer Full-Service-Werbeagentur durchaus gestattet, da vermutet werden kann, dass die Werbeagentur bei der Ausübung ihrer Geschäfte darauf angewiesen ist, einen Pool an guten Fotografen zu kennen, um fallweise den geeignetsten für ein anstehendes Werbe-Fotoshooting beauftragen zu können.
Erfahrungsgemäß tun sich allerdings viele Fotografen schwer damit, direkt potenzielle Kunden anzusprechen oder anzuschreiben. Man möchte nicht als aufdringlich gelten, sich nicht „anbiedern“, außerdem soll nicht der Eindruck entstehen, man hätte nicht genügend Jobs, sprich: Man hat es nötig, „Klinken zu putzen“. Diese Einstellung ist natürlich Quatsch, denn egal wie gut man zu tun hat, es spricht nichts dagegen, noch mehr (oder auch bessere)
Kunden – aktiv – zu gewinnen.
Weniger aggressiv, da mehr passiv ausgerichtet, sind die Pull-Methoden der Akquise. Durch Wahl einer einprägsamen und aussagekräftigen Internetadresse, das Veranstalten von Fotoausstellungen, den Eintrag in Suchmaschinen oder die Verlinkung auf Seiten von Foto-Verbänden, -Herstellern, -Galerien etc., dem Schalten von Inseraten in Fachzeitschriften, Tageszeitungen und online (Werbebanner!) und der Verteilung von Flyern etc. wird den potenziellen Kunden signalisiert „Seht her, ich bin da!“ Es ist folglich bei den Pull-Methoden Aufgabe des potenziellen Kunden, bei Interesse den direkten Kontakt herzustellen. Mit diesen – sozusagen „zurückhaltenden“ – Methoden der Akquise habe ich in der Vergangenheit die besten Erfahrungen gemacht. Es ist psychologisch von Vorteil, wenn ein potenzieller Kunde den direkten Kontakt herstellt, anstatt umgekehrt. Schließlich stellt er ihn nur dann her, wenn er Interesse an einer Zusammenarbeit hat. Außerdem suggeriert er, dass ihm meine Arbeiten gefallen, was wiederum eine bessere Ausgangsposition bei den Honorarverhandlungen zur Folge hat. Er möchte eben nicht „irgendeinen“ Fotografen XY beauftragen, sondern konkret mich, wodurch deutlich wird, dass meine fotografische Leistung für ihn nicht beliebig mit der anderer Fotografen substituierbar ist.
Die Summe an durchgeführten Akquisemaßnahmen wird als akquisitorisches Potenzial bezeichnet. Es ist natürlich nicht sinnvoll, sich nur auf eine der Methoden zur Kundenakquisition zu verlassen, sondern es gilt, eine Kombination aus mehreren Maßnahmen zu wählen. Gerade bei Berufsstartern ist es wichtig, sich in möglichst kurzer Zeit bei den potenziellen Kunden einen Namen zu machen und für seine fotografischen Leistungen zu werben. Eine Kombination aus mehreren Push- und Pull-Methoden ist daher anzuraten. Der Werbeetat sollte daher gerade in den Anfangsjahren nicht zu knapp bemessen sein!
Von Dietmar Henneka, einem Urgestein und bekannten Werbefotografen, habe ich vor Jahren zum Thema Marketing folgenden Spruch gehört: „Gott hat einen Bekanntheitsgrad von über 98 Prozent. Und trotzdem (oder gerade deshalb) lässt er jeden Sonntag die Kirchturmglocken läuten …“
„Wer nicht wirbt, stirbt“ lautet kurz gefasst eine andere Werbe-Weisheit, die verdeutlicht, wie wichtig auch die Erinnerungswerbung ist! Vielleicht sollten wir Fotografen uns einmal ein Beispiel nehmen an den Promis aus der Unterhaltungsbranche, die es immer wieder verstehen, durch verschiedenste Maßnahmen, wozu auch kleine, oftmals selbst inszenierte Skandale gehören, sich der Öffentlichkeit wieder ins Gedächtnis zu bringen.
Zielgerichtete Werbung
Einer der häufigsten Fehler, der immer wieder begangen wird, ist, mit der „Holzhammer-Methode“ Werbung zu streuen, ohne jegliche Selektion der Adressaten. Damit verpufft die Werbung jedoch. Bevor Sie also voller Elan mit Ihrer Werbung starten, ist es notwendig, sich zuerst einmal in Ruhe Gedanken zu machen, an wen sie sich überhaupt richten soll.
Wen möchten Sie mit Ihrer Werbung ansprechen, wer sind Ihre potenziellen Kunden? Schließlich macht es keinen Sinn, Flyer in einem Einkaufszentrum zu verteilen, wenn Sie beabsichtigen, nur für namhafte Werbeagenturen oder große Indus-trieunternehmen (also „B2B“) zu arbeiten. Anders sieht es aus, wenn Sie Porträts, Passbilder, Familienfotos und Hochzeitsreportagen anbieten. In diesem Fall kann es durchaus sinnvoll sein, den Besuchern eines großen Einkaufszentrums Flyer und gegebenenfalls auch eine Preisliste in die Hand zu drücken.
Gleiches gilt für die Online-Werbung. Die Ausgaben dafür sind schnell verpufft, wenn man diese zu breit streut. Besser ist es, den Adressatenkreis sinnvoll einzuschränken. Das kann beispielsweise durch gemeinsame Interessen geschehen (ein Blitzanlagen-Hersteller wird seine Anzeigen beispielsweise nur der Interessengruppe Fotografie zugänglich machen); oder zum Beispiel auch durch räumliche Selektion (ein Fotoatelier, das sich auf Porträt-, Erotik- und Passbildfotos spezialisiert hat, wird nur in Ausnahmefällen überregional werben).
Broschüren- und Flyerwerbung
Kommen wir auf unser obiges Beispiel zurück. Fotografin A. hat ein eigenes Fotostudio für Porträtfotografie in der Nähe eines großen Einkaufszentrums. Sie bietet neben dem Erstellen von Porträts aber auch Passbilder, Hochzeitsreportagen und Familienfotos an, in der Weihnachtszeit für manche Kundinnen auch Aktfotos als Weihnachtsgeschenk für den Freund. Da ihr Fotostudio nur drei Minuten Fußweg entfernt vom Einkaufszentrum liegt, möchte sie den Besuchern des Einkaufszentrums dort eine Broschüre mit tollen Bildbeispielen in die Hand drücken lassen. Hiermit hat sie ihre beiden Töchter beauftragt. Dürfen diese beiden nun einfach so im Einkaufszentrum die Werbung der Fotografin A. an die Passanten verteilen?
Nein, natürlich nicht! Man kann nicht einfach so, unangemeldet, Werbung in einem Einkaufszentrum verteilen. Dort gilt das Hausrecht des Betreibers, und dieser wird nicht ohne Weiteres damit einverstanden sein, dass dort Werbung von Unternehmen verteilt wird, die noch nicht einmal im Einkaufszentrum ansässig sind. Ein häufig genannter (vorgeschobener) Grund ist, dass einige der Passanten Ihre Werbung nach kurzem Überfliegen einfach achtlos wegwerfen könnten, wodurch das Einkaufszentrum verschmutzt wird. Das mag vielleicht in Einzelfällen zutreffen, aber der eigentliche Grund für die Absage wird sein, dass der Betreiber des Einkaufszentrums keinen Grund dafür sieht, Ihre Verteil-Aktion zu dulden. Kurz: Sie müssen ihn schon mit der Zahlung einer „Gebühr“ locken, damit Sie die Erlaubnis bekommen. (In dieser Gebühr enthalten ist dann natürlich auch die Beseitigung der achtlos weggeworfenen Broschüren …) Nicht anders ist es, wenn Sie beabsichtigen, auf einem Stadtfest Broschüren oder Flyer zu verteilen. Wenn Mitarbeiter des Ordnungsamtes Sie erwischen, wie Sie oder Ihre Beauftragten unangemeldet Werbung verteilen, ist eine Anzeige und vermutlich ein saftiges Bußgeld fällig. Erkundigen Sie sich also vorher bei den Verantwortlichen, um sich unnötigen Ärger zu ersparen.
Bevor Sie sich nun aber voller Elan an Ihren Rechner setzen und im Hinblick auf das demnächst anstehende Stadtfest in Ihrer Gemeinde den Druck von mehreren Tausend Flyern in Auftrag geben, erkundigen Sie sich zuerst, was die Erlaubnis, Flyer auf einem Stadtfest zu verteilen, kostet. Ich kann mich nämlich noch gut an einen meiner Kunden erinnern, der vor ein paar Jahren zehntausend Flyer hatte drucken lassen, die auf dem anstehenden Stadtfest von ein paar Schülern verteilt werden sollten – die er aber, nachdem er Kenntnis über die Höhe der Konzession (5.000 Euro!) bekommen hatte, wieder einstampfen ließ.
Wie Sie gesehen haben, ist nicht das Layout oder die Herstellung geeigneter Werbemittel das Problem, sondern deren Verbreitung. Dank Internet-Druckereien wie Flyeralarm oder Flyerpilot und vieler anderer sind die Kosten für Broschüren, Flyer und anderer Drucksachen in den letzten Jahren stark gesunken. So kosten beispielsweise im Juli 2015 bei einer Online-Druckerei 5.000 Flyer (135?g/qm-Papier, Bilderdruck glänzend, in Postkartengröße, bei beidseitigem Druck) nur 29,27 Euro netto (= 34,83 Euro brutto)! Billiger geht’s wirklich nicht! Je Flyer sind das gerade mal minimal mehr als ein halber Cent. Doch unabhängig von den Herstellungskosten muss Ihre Werbung eben auch den Weg zum potenziellen Kunden finden. Sie müssen also verteilt (zum Beispiel in einem Einkaufszentrum) oder ausgelegt (im Ladenlokal oder bei einer Ausstellung) oder verschickt (beispielsweise per Brief) werden. Und genau da entstehen die Kosten!
Die meisten Fotografinnen und Fotografen machen sich am Anfang keine Gedanken über die insgesamt anfallenden Kosten einer Werbeaktion. Folglich werden erst einmal nur die Herstellungskosten, und von diesen nur die Druckkosten, beachtet. Doch wie Sie am obigen Beispiel gesehen haben, sind diese vernachlässigbar gering. Die wesentlichen, ins Gewicht fallenden Kosten entstehen beim Vertrieb, also beim Verteilen oder Verschicken der Eigenwerbung.
Beachten Sie auch, dass Sie als Berufsfotograf gegebenenfalls andere Mängel-Rügefristen haben als Privatleute. Dies gilt auch bei Drucksachen. Bei Flyeralarm sind es beispielsweise nur sieben Werktage bei offensichtlichen oder erkennbaren Mängeln. Nach Ablauf dieser Frist können Sie nicht mehr reklamieren, zumindest sofern es sich um einen „offensichtlichen oder erkennbaren“ Mangel handelt. Am besten, Sie schauen sofort, ob die beauftragten Drucksachen korrekt geliefert wurden, dann ersparen Sie sich eventuellen Ärger. Und geben Sie keine Drucksachen in Auftrag, bevor Sie verreisen, auch wenn Ihr Nachbar bei Ihrer Abwesenheit immer alle Pakete für Sie entgegennimmt, denn der vom Nachbarn quittierte Empfang wird Ihre Rügefrist in Gang setzen und nach Verstreichen der Frist ist es Ihnen dann nicht mehr möglich, Mängel zu reklamieren.
DIE EDITION PROFIFOTO
Die Experten der Redaktion ProfiFoto und aus dem mitp-Verlag bündeln ihr Know-how und publizieren in Zusammenarbeit mit erfahrenen Autoren, die unmittelbar aus der Foto-Praxis kommen, eine einmalige Fachbuchreihe „made for professionals“: Ergänzend und flankierend zum Magazin ProfiFoto bieten die mitp-Bücher der Edition professionelles Wissen zum richtigen Umgang und zur effizienten Nutzung digitaler Fototechnik und Bildbearbeitung.
Beruf Fotograf von Jens Brüggemann, mitp Verlag 2015, 2. Auflage 2015, 240 Seiten, Softcover, Format 17 x 24 cm, ISBN 978-3-95845-212-1, 29,99 Euro.
Dieser Beitrag ist erschienen in ProfiFoto Ausgabe 12/2015.
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