Noch vor fünfzehn Jahren wurden auf analogen Fotoproduktionen, zum Beispiel für Modekunden, unzählige Polaroids angefertigt, die der Fotograf mit der Art Direktorin besprochen und geprüft hat. Denn bis das Motiv auf Film belichtet werden konnte, mussten alle Parameter der Bildabstimmung wie Licht, Make-up, Styling, Posing oder Anschnitt betrachtet und immer wieder korrigiert werden. Dann erst wurde das bereits gut ausgearbeitete Motiv auf Film festgehalten. Heute werden Massen von Motiven digital gespeichert, die ein Fotograf erst nach dem Shooting sichtet und auswählt. Dabei investiert er viel Zeit, die oft nicht angemessen honoriert wird und damit in keinem Verhältnis zum Auftragsumfang steht.
Mein Polaroidbuch als Art Direktorin habe ich in Zeiten analoger Fotografie angelegt. Alle Modeproduktionen, die ich als Fotoregisseurin begleitet habe, wurden darin dokumentiert. Tatjana Patitz fotografiert von Paul Jasmin, Diane Kruger fotografiert von Peter Hönnemann und viele andere Produktionen sind darin. Sie dokumentierten die Entstehung des Motivs und die Anzahl der Motive. Nach dem Shooting wurden die finalen Motive dann von Diafilm oder Kontaktbogen ausgewählt.
Viele junge Fotografen kennen diese Arbeitsweise nicht mehr. Sie haben die analoge Fotografie vielleicht im Studium gelernt und dann eher an künstlerischen Projekten gearbeitet. Eine budgetierte und terminierte analoge Auftragsproduktion, für die bereits im Kostenvoranschlag das Filmmaterial und die Laborkosten genau kalkuliert werden mussten, ist den meisten fremd. Heute sind Material- und Laborkosten durch die Positionen Datenhandling oder Datenbereitstellung ersetzt, zusätzlich ergänzt um die Bildbearbeitung.
Leider gelingt es vielen Fotografen oft nicht, den Aufwand für Datenaufbereitung und Bereitstellung richtig zu veranschlagen. Sie produzieren zu viele Daten, anstatt das Motiv vorher genauer zu definieren. So kämpfen sie nach der Produktion mit unnötigen Datenmengen. Kein Wunder, dass nur wenige Fotografen in dieser Hinsicht wirtschaftlich produzieren. Nicht selten benötigt ein Fotograf nach einer eintägigen Fotoproduktion zwei bis drei Tage Zeit, um die Daten zu sichten, auszuwählen und aufzubereiten. Auf Nachfrage höre ich, dass das veranschlagte Tageshonorar zwar angemessen ist, aber das vereinbarte Honorar für die Datenaufbereitung ein vergleichsweise niedriger Pauschalbetrag ist und damit den mehrtägigen Aufwand des Fotografen nach der Fotoproduktion nicht rechtfertigt.
Wer so kalkuliert, arbeitet nicht wirtschaftlich. Argumente, wie „der Kunde zahlt den Aufwand nicht“ oder „das macht ja auch Spaß“ oder „sicher ist sicher“ bringen die Fotografen aus meiner Sicht langfristig nicht weiter.
Wer nach einer Produktion unverhältnismäßig viel Zeit mit der Nachbearbeitung verbringt, handelt nicht nur unwirtschaftlich, er blockiert sich auch für neue Projekte und Ideen – vom chronischen Zeitmangel ganz zu schweigen.
Das soll nicht heißen, dass wieder analog fotografiert werden muss, aber ich denke es macht Sinn, über die eigene Arbeitsweise und den Workflow besser nachzudenken. Es lohnt sich, die Augen zu schulen und ein Motiv vor dem Auslösen genau zu bewerten. Hält es dem eigenen kritischen Blick stand, erfüllt es den gesetzten Anspruch und was würde der Art Direktor dazu sagen?
In den Shootings gab es immer den „das ist es“ Moment. Der Zeitpunkt, wenn das Motiv richtig gut war und es klar war, dass man es im Kasten hat. Und in diesen Momenten haben Fotograf und Art Direktor sich nur auf Augen und Gefühl verlassen.
Den Blick für ein gutes Motiv zu schulen, ist eine wichtige Übung. Es gibt innere Sicherheit und äußere Souveränität. Das werden auch Ihre Kunden bemerken.
Und es hilft Ihnen, wirtschaftlich zu produzieren, denn drei Tage Bildaufbereitung zu investieren, obwohl Sie nur einen Tag bezahlt bekommen, sollte auf keinen Fall zur Regel werden. Entweder Sie lassen sich die Nachbereitungszeit besser bezahlen und verhandeln mit Ihrem Kunden über das Honorar. Oder Sie sparen sich Arbeit und Zeit und beschränken Ihre Bildproduktion auf wichtige und gute Motive. Das erfordert etwas Übung und Disziplin, aber dadurch erhöhen Sie Ihren durchschnittlichen Tages- oder Stundensatz und damit den Wert Ihrer Arbeit.
Und wie viele Bilder machen Sie pro Motiv?
Silke Güldner berät Fotografen und Kreative bei der richtigen Positionierung und Präsentation.
www.silkegueldner.de
Dieser Beitrag ist erschienen in ProfiFoto Ausgabe 12/2015.